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Donnerstag, 26. Dezember 2019

Vater sein dagegen sehr (8)

An neun Tagen im Advent, jeweils Dienstag und Donnerstag, findet der Leser eine Kolumne des VdZ für eine Boulevardzeitung, die als Serie im Jahre 1995 geschrieben worden war. Er tut dies auf Bitten von Lesern, die diese Texte ausgegraben haben. Damals lebte der VdZ zwar in ziemlich anderen Umständen als heute, aber die angesprochenen Themen sind abstrakt gesehen ungebrochen aktuell.

VATER SEIN DAGEGEN SEHR ...

Die regelmäßige Kolumne eines ab und an schon mal genervten Familienoberhaupts

VIII

Da sitze ich am Eßtisch und lese die Zeitung. Wenn ich am Abend nach Hause komme, dann habe ich wohl das Recht, etwas auszuspannen. Meist sieht das so aus, daß ich dann jene Zeitungen lese, die ich abonniert habe, die ich also nicht aus beruflichen Gründen längst lesen mußte. "Schatz?" tönt es da aus der Küche. "Schatz". Wenn mich meine Frau so anredet, dann hat sie entweder einen großartigen Einfall, dem ich halt zustimme oder was ich gleich als objektiven Unsinn qualifizieren muß, oder aber sie will mich wegen irgendetwas zur Rede stellen.

"Du weißt eh, am Sonntag sind wir am Haberg eingeladen." Am Haberg ist das Synonym für ihre Eltern, meine Schwiegereltern. Nun will ich nicht sagen, daß ich "Besuchsverbot" verhängt habe über meine Familie, aber ich wehre mich seit Jahren konsequent dagegen, daß meine Schwiegereltern sich ebenso konsequent immer die Rosinen aus dem Familienleben herauspicken. Das sind Mittagessen zu Feiertagen, wiederholte Weihnachtsfeiern am 26. Dezember oder Osternester am Ostermontag. Wir sind eine eigene Familie! Diesmal also wieder: Eine Einladung am Ostermontag. Dabei sehe ich überhaupt nicht mehr ein, daß wir diesen Tag Jahr für Jahr ihren Eltern widmen sollen, während meine Mutter (mein Vater ist ja schon tot) höchstens irgendwann zum Kaffee oder Abendessen bedacht wird. Meine Frau sieht das übrigens genauso. "Und du hast schon zugesagt?" frage ich schon gereizt. "Was sollte ich denn machen, sie hat gesagt, daß sie den Truthahn schon eingekauft hat, und außerdem waren wir schon zwei Monate nicht mehr dort, und wir sind doch jedes Jahr dort eingeladen!" Wir sind in der richtigen Streitstimmung. Gleich drohe ich wieder, auszuziehen. Und sie nennt mich "Fanatiker". Diesmal aber beherrsche ich mich, ziehe mich zur Zeitungslektüre in die Bibliothek zurück. Jetzt abzusagen bedeutet einen wirklichen Bruch, ist kaum begründbar, ist ein Akt, den ich so eigentlich auch nicht will: So definitiv, so hart.

Frauen müssen aber auch einmal lernen, das für die Familie gemeinsam Beschlossene einzuhalten, dazu zu stehen. Ich verlange überhaupt nicht, daß sie selbst die Schlachten kämpfen. Sie können sich ruhig auf den Mann berufen. Meine Frau hätte ruhig sagen können: "Mein Mann will nicht." Das macht mir überhaupt nichts. Aber den "Elternwillen" einfach zu ignorieren, auch Dinge zuzulassen, die eindeutig gegen getroffenene "Beschlüsse" sind, halte ich für gemein. Genau da fühle ich mich zutiefst alleingelassen, da ist sie mir nicht Helferin. Jetzt müßte ich eine "Nachbesserung" treffen, die schon gar nicht mehr der Familienwille wäre. Ich will die Schwiegereltern ja nicht brüskieren oder den Eindruck erwecken, ich wollte keinen Kontakt mehr mit ihnen. Abgesehen davon, daß der Eindruck entstünde, meine Frau wollte zwar, würde aber von mir "gezwungen" mitzuziehen. Ich also wieder einmal als der Haustyrann. He, ihr Frauen, steht zu euren Männern. Es ist dann ja auch für euch und die Familie viel leichter.

4. Oktober 1995