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Freitag, 20. Dezember 2019

Wer hinter der Pornoindustrie steckt (4)

Übertragung aus dem Amerikanischen durch Eberhard Wagner

Teil 4) Revolutionäre der Sexualität



Führt man diese subversive These weiter, dann kann die Jüdische Beteiligung in der XXX-Industrie als die sprichwörtlichen Stinkefinger gegen das gesamte WASP (White Anglo Saxon Protestant)-Establishment in Amerika erscheinen. Einige Pornostars sahen sich selbst sogar als Speerspitze im spirituellen Kampf zwischen dem christlichen Amerika und dem weltlichen Humanismus. Gemäß Henry Ford, hört man jüdische Pornodarsteller sich häufig über ihre Freude brüsten, mit der sie "anarchische, sexuelle Schmeißfliegen für das puritanische Biest" sind. Jüdische Beteiligung in der Pornographie ist dann, diesem Argument nach, das Resultat eines uralten Hasses auf die Christliche Autorität. Sie versuchen so, die dominante Kultur in Amerika durch deren moralische Zerstörung zu schwächen. Der Pornodarsteller Astyr erinnert sich, daß er "in der Volksschule ständig davonlaufen und kämpfen mußte, weil er ein Jude war. Es könnte also durchaus sein, daß ein nicht unerheblicher Antrieb hinter meiner Pornokarriere war, daß ich damit diesen Leuten den Stinkefinger zeigen konnte." 

Al Goldstein, der Herausgeber von Screw, sagte einmal (auf lukeford.net), ‘Der einzige Grund dafür, daß Juden in der Pornoindustrie tätig sind, ist der, daß wir denken, daß das Christentum Scheiße ist. Katholizismus nervt ungemein. Wir glauben nicht an Autoritarismus." Pornographie wurde deshalb zu einem Weg, die christliche Kultur zu zerlegen. Weil sie bis zum innersten Herzen des amerikanischen Mainstreams geht (und sie wird ohne jeden Zweifel auch von dieser WASP-Elite konsumiert), wird sein subversiver Charakter umso bedeutender. Porno ist nicht mehr "das, was der Butler sah", weil er ein Voyeurist war. Sondern er wird heute durch neue Extreme vorangetrieben, die die auch Grenzen der Ästhetik in der Pornographie ständig erweitern. In dem Moment freilich, in dem neue sexuelle Positionen vorgestellt werden, ist der Wunsch zu schockieren, selbstverständlich evident.

Es ist deshalb eher eine Angelegenheit der traditionellen, revolutionären beziehungsweise radikalen Antriebe jüdischer Immigranten in Amerika, der in sexuelle Bereiche kanalisiert wird, als ein Anliegen linker Politiker. So, wie Juden über die Geschichte überproportional in revolutionären Bewegungen präsent waren, so sind sie nun unverhältnismäßig stark in der Pornoindustrie vertreten. Juden in Amerika sind seit je sexuelle Revolutionäre gewesen. Und ein großer Teil dessen, was über sexuelle Befreiung geschrieben wurde, stammt aus der Feder von Juden. Die Sturmtruppe jener Bewegung, die Amerika dazu gezwungen hat und zwingt, eine liberalere Sichtweise der Sexualität anzunehmen, waren und sind Juden. 

Juden waren auch die Torwächter zur sexuellen Revolution der 1960er Jahre. Wilhelm Reich, Herbert Marcuse und Paul Goodman ersetzten Marx, Trotzki und Lenin als tonangebende revolutionäre Literatur. Die zentralen Anliegen von Reich waren Arbeit, Liebe und Sex, während Marcuse vorhersagte, daß eine sozialistische Utopie das Individuum dazu befreien würde, sexuelle Befriedigung zu erlangen. Goodman schrieb über die "wunderschönen kulturellen Konsequenzen", die einer Legalisierung von Pornographie auf dem Fuße folgen würden: Es würde "die gesamte Kunst beflügeln", und "Sexualität vermenschlichen". Pacheco war ein jüdischer Pornostar, der Reichs intellektuelle Hochzeit von Freud und Marx gelesen hat. (lukeford.net)

"Als ich meine erste Rolle in einem Pornofilm bekam, ging ich mit Haaren zu einem XXX-Casting, die bis zum Hintern reichten, hatte eine Ausgabe von Wilhelm Reichs "Sexuelle Revolution" unter dem Arm, und beklagte mich lautstark über "Arbeit, Liebe und Sex."

Rabbi Samuel H. Dresner meinte deshalb einmal (E. Michael Jones, ‘Rabbi Dresner’s Dilemma: Torah v. Ethnos’ Culture Wars, May 2003), daß die "die Jüdische Rebellion auf mehreren Ebenen ausgebrochen ist", und eine davon ist "die herausragende Rolle, die Juden als Anwälte des sexuellen Experiments" einnahmen. Insgesamt muß man sagen, daß Pornodarsteller eine Gruppe von Menschen sind, die die Rebellion, die Selbsterfüllung, die Promiskuität hochjubeln.*

Wofür schämen wir uns?

Dieser kurze Überblick, diese kurze Analyse der Rolle und der Motivation von Pornoproduzenten und -darstellern wurde in der Absicht erstellt, Licht auf diesen normalerweise verschwiegenen Bereich im Leben von amerikanischen Juden in der populären Kultur zu werfen. Darüber ist bisher noch kaum geschrieben worden. Bücher wie jenes von Howard M. Sachar, "A History of the Jews in America " (New York: Knopf, 1992), verschweigen nämlich dieses Thema einfach. 

Und es war deshalb völlig sicher, daß beim 350-Jahr-Jubiläum der Ankunft der ersten Juden in Amerika davon mit keinem Sterbenswörtchen berichtet wurde. Und schon gar nicht strich jemand stolz die Innovationskraft von Juden in diesem Bereich heraus. Sogar der normalerweise sehr toleranten Time Out New York war es zu peinlich, sich damit zu befassen, wenn auch der eher bilderstürmerische 'Heeb' plant, eine Ausgabe nur diesem Thema zu widmen.

Aber in Anbetracht der relativ toleranten Sicht der Sexualität bei Juden muß man sich die Frage stellen, warum wir die Rolle so schamhaft verschweigen, die Juden in der Pornoindustrie spielen? Es mag ja sein, daß uns das nicht paßt, aber die Rolle von Juden in diesem Bereich ist dermaßen signifikant, daß es höchst an der Zeit ist, sich damit einmal ernsthaft auseinanderzusetzen.

Nathan Abrams ist Universitätsdozent für Modern American History an der University of Aberdeen. Er hat gerade ein Buch über den Neo-Konservativismus in den Vereinigten Staaten fertiggestellt.





*Das schlägt in die Kerbe, die Gertzman mit "Bootleggers and Smuthounds" schlägt. Wenn er dort die These aufstellt, daß Pornographie ohne den Gegenpart Moral nicht existieren würde, und verschwindet, wenn es auf keine moralische Opposition stößt. Aus sich heraus gäbe es somit gar keine Pornographie. Sie ist ihrem Wesen nach eine Waffe der Rebellion gegen Moral, entspringt also einem revolutionären Gestus.