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Mittwoch, 11. Dezember 2019

Eine siegreiche Schlacht und ihre Helden (2)

Teil 2) Die Armee der Donaumonarchie hatte andere Probleme. 
Und selbst die Kaiser in Berlin und Wien brauchten einen Sieg.




Tatsache ist, daß die Monarchie damals dringend einen "großen Sieg" brauchte. Und nicht nur die Armee, sondern auch Feldmarschall Conrad von Hötzendorf, der durch die blutigen Niederlagen in Galizien und den nicht gerade prickelnd verlaufenden Feldzug am Balkan gegen völlig unterschätzte Serben schon nach den ersten paar Kriegsmonaten schwer in die Kritik geraten war. Tatsache ist, daß eine großartige Siegesmeldung die Stimmung in der gesamten Armee der Habsburger-Monarchie heben sollte, und das auch tatsächlich schaffte. Tatsache ist, daß sogar die russischen Generäle einen übermächtigen Gegner brauchten, um so manche eigene Fehlentscheidung zu vertuschen. 

Tatsache ist, daß der Kaiser, die Diplomatie in Wien und Berlin unbedingt einen Beweis der Stärke im Krieg brauchte, um die neutralen Balkanländer Bulgarien, Rumänien, und außerdem Italien zu beeindrucken und zu überzeugen, nicht doch auf der Seite der Alliierten in einen Krieg einzutreten. Denn ob Siebenbürgen oder die Provinzen Trento, Görz, Friaul und Triest (bis Fiume), diese Filetstücke waren von Rumänien respektive Italien fast offen gefordert. Vor allem Deutschland fürchtete einen Kriegseintritt Italiens, das dann Österreich angreifen würde. Daß die k.u.k.-Monarchie das überleben würde, glaubten selbst Optimisten in Wien nicht, und erst recht nicht der Kaiser. Der beim tatsächlich erfolgten Angriff auf Südtirol im Mai 1915 gesagt haben soll: Das ist nun das Ende. 

Ungarische Husaren, 
österreichische Dragoner 
im Gottesdienst, Sopron 2017
Das war es nicht. Was niemand geglaubt hatte, war eingetreten. Österreich-Ungarn war viel zäher, als alle geglaubt haben. Man mußte nur wenige Divisionen aus Galizien abziehen, denn es genügten improvisierte Brigaden, Standschützen, Freiwilligenkorps, um den Angriff der Italiener zu stoppen. Nur drei Divisionen wurden aus Rußland abgezogen und nach Tirol geschickt. Sich selbst herunterzuspielen ist nicht nur eine österreichische Eigenart, sondern auch ein Charakterzug, den nördlichere Völker nie verstehen werden. Auch Wien "machte sich arm", um in Berlin Unterstützung zu schinden und die eigenen Kräfte zu schonen. Die deutsche Armeeleitung war völlig von den Socken als sich Hötzendorf einmal verplapperte, und gestand, daß die tatsächlichen Truppenzahlen der Armee weit höher lagen als nach Berlin per Katastrophendrohung gemeldet.

1915/16 stand die Monarchie im Vergleich aller Kriegsparteien in Europa sogar gar nicht so schlecht da. Freilich, jetzt begann sich ein Grundmangel der österreichischen Armeeführung denn doch ernsthaft auszuwirken: Das Fehlen einer funktionsfähigen zweiten Linie. Man konnte die kampferprobten Soldatenregimenter des ersten Aufgebots, man konnte vor allem die Offiziere nicht ersetzen. Die Zahl der Divisionen ist während der gesamten Kriegsdauer gleich geblieben, zusätzliche Mannkontingente auszuheben ist nie gelungen. Während die nachrückenden Einberufenen, die die Gefallenen ersetzten, ohne jede Erfahrung, ja ohne jede Ausbildung in die Schützengräben geschickt wurden und das Problem verschärften. 

Husar und Dragoner
Jede Kriegspartei hat im Laufe des Krieges die Zahl der eingesetzten Soldaten nahezu verdoppelt. Nicht die Donaumonarchie. Nirgendwo war der Prozentsatz der Soldaten an der Bevölkerungszahl geringer als hier. Und das hat nichts mit Loyalitätsängsten der Vielvölkerarmee zu tun. Die hatte ganz andere Probleme - die der Sprache nämlich. Etwas, das gerne charmant lächelnd verklärt und romantisiert wird. Vielfach interessierten sich die Völker auch gar nicht füreinander, und schon gar Offiziere (was den hohen Anteil an Deutschen im Offizierskorps weit besser erklärt als Spekulationen über Loyalitätskonflikte). Oft mußte sogar mitten in Kampfhandlungen ein Dolmetscher geholt werden, weil eine Meldung von Truppenteilen kam, die niemand verstand. Es kam sogar gar nicht selten vor, daß man die eigenen k.u.k.-Soldaten beschoß (Husaren geschah das etliche Male, denn man hielt sie gerne für russische Tataren) oder für Feinde hielt, weil man ihre Sprache nicht verstand.

Das hat sich bis in die konkrete Kampftaktik ausgewirkt. Schnelle Kampfbewegungen, Merkmal des neuen Kriegs 1914, sind damit sehr erschwert, weil sich die Truppenteile gar nicht spontan absprechen können. Als alles im Grabenkampf erstarrte, wurde das wieder gleichgültiger.

Kaiserlich-königliche Husaren und Dragoner
Noch eine spezifische, interessante Problematik erwähnt Lothar Höbelt in einem Aufsatz, der sich nicht nur mit dem in seinen Augen kräftig aufgeblasenen Sieg von Limanova befaßt. Keine Armee in Europa hat in seiner Kriegstaktik derartig verschwenderisch das Leben seiner Soldaten geopfert. Während die Deutschen viel Material, viel Pulver, viele Geschoße gaben, um seine Soldaten zu schützen, machte es die Monarchie geradezu umgekehrt. "Nicht einmal in Japan wird so gestorben, wie in Österreich," schrieb ein Chronist deshalb. Angriff Angriff Angriff, koste es, was es wolle. Und so war der Verlust an Offizieren in der Armee der Donaumonarchie extrem hoch, der höchste im Weltkriegsvergleich. Mit der Besonderheit, daß die Offiziersränge dem (kaisertreuen) Adel vorbehalten waren. Diese Regel wurde erst 1916, und da nur ungern und nur wenig geändert. Man hegte überall an der Donau tiefes Mißtrauen gegen Emporkömmlinge und Standesverwischung. Nirgendwo in Europa gab es deshalb einen so geringen Anteil an Offizieren unter den Maturanten (Abiturienten) wie in Wien.

Die Kriegslage der k.u.k.-Armee hat sich jedenfalls nach Limanova und nach Monaten verheerenden Blutzolls (ein Viertel aller Opfer der Monarchie in den vier Kriegsjahren war den ersten Monaten zuzuschreiben) stabilisiert. Die Motivation der Truppen war deutlich gestiegen, und so konnte auch der nächste massive russische Angriff in der "Winter-Karpatenschlacht", die einige Wochen später begann, erfolgreich abgewehrt werden. Den Übertritt von Italien und später auch Rumänien ins Lager der Alliierten konnte die siegreiche Schlacht freilich nicht verhindern.