Adam Carroll spricht in einem TED-Vortrag
sehr Richtiges und Wichtiges an, und liefert damit den Schlüssel für so
manches, mit dem wir heute zu tun haben, nicht zuletzt in der Politik.
Es ist tatsächlich eine, wenn nicht die Hauptursache für die hohe
Verschuldung, unter der wir leiden. (Die Politik ist deshalb sehr damit
beschäftigt, uns nicht bewußt werden zu lassen, daß wir das tatsächlich
tun.)
Carroll
erzählt zuerst sehr sympathisch von einem Experiment, das er mit seinen
drei Kindern durchgeführt hat. Mit denen er regelmäßig und
leidenschaftlich Monopoly* gespielt hatte. Jedes hatte so seine
Strategie, und Großzügigkeit und ein klein wenig Hasardeurtum spielte
immer eine große Rolle bei dieser Strategie. Er hatte sich deshalb die
Frage gestellt, wie sich das Verhalten der Kinder ändern würde, wenn es
plötzlich um wirkliches Geld gehe. Also ging er zu seiner Bank, hob zehntausend Dollar ab, ließ die in dem Spielgeld gleiche Einheiten wechseln,
und überraschte seine Familie am Wochenende mit dem Stoß echten Geldes,
das plötzlich in der Kassa des Spiels lag. Er sagte den Kindern nicht, ob
das Spielergebnis am Ende auch behalten werden konnte, ließ das offen,
sie konnten es glauben, wenn sie es wollten. (Am Montag trug er alles,
sehr zur Erleichterung seiner Frau, wieder zur Bank, das vorweg.)
Erwartungsgemäß
änderten zwei der drei Kinder sofort ihre Strategie. Die Tochter, die
sich nie recht ums Geld gekümmert hatte, dafür jedem half, auch wenn es
gegen die Spielregeln war, blieb dabei, und war auch als erste pleite.
Die beiden Söhne änderten aber ihr sonst recht leichtfertiges Verhalten.
Und ihre Entscheidungen waren sichtlich überlegter, sorgfältiger und
kalkulierter. Anders als sonst, wo man oft sogar Tage damit verbracht
hatte, endete das Spiel schon nach zweieinhalb Stunden, mit einem
eindeutigen Sieger. (Das Spiel zielt als Lehre wirtschaftlichen Handelns
letztlich auf Monopolstellung ab, nur dann ist man "sicher reich", dazu
an anderer Stelle später.)
Aber
was war die Lehre, die Carroll darin sah? Er erkannte, daß Kinder sehr
bald mit dem wirklichen Wert von Geld zu tun haben müssen. Genau das
aber wird mit den heutigen elektronischen Mitteln verhindert. Geld ist
heute weitestgehend virtuell, eine Illusion, eine Abstraktion, und immer
weniger Menschen können mit dem wahren Wert von Geld umgehen. Denn wenn
Geld auch eine Illusion ist, weil alles virtuell abläuft, so scheint
das nur so, denn es hat ganz reale, praktische und harte Konsequenzen.
Das
zeigt sich in Studien, die die Finanzsituation der amerikanischen
Jungen untersucht haben. Ein Viertel der jungen Amerikaner sind heute
Mitte Zwanzig so hoch verschuldet, daß sie im Grunde bankrott sind. Ein
Fünftel geht auch bald bankrott. Was auch mit den Studienkrediten zu tun
hat, denn anders als bei uns gibt es in den USA keine "freie
Universität". Man muß dafür bezahlen. Dazu kommen Lebenshaltung etc.
etc. Insgesamt ist die US-Bevölkerungsschichte von fünfundzwanzig bis einunddreißig Jahren
Alter die am zweithöchsten verschuldete Gruppe weltweit.
Die
Gründe dafür sieht Carroll in der weitestgehenden Digitalisierung des
Zahlungsverkehrs, der bei jungen Menschen verhindert, daß sie den Wert
und die Konsequenzen von Geld überhaupt je begreifen. Alles sind nur
Zahlen am Bildschirm, Bits und Bytes, und es gibt genug Untersuchungen,
die belegen, daß virtuelles Geld (das, wie gesagt, aber dann sehr reale,
harte Konsequenzen hat) wesentlich leichter ausgegeben wird als die
immer begrenzt wirkende Menge Geld, das man in Form von Geldscheinen in
der Hand hat. Und mit dem man dann umgehen, das man sich einteilen muß,
weil es nicht einfach aus dem Nichts der Internetweiten auftaucht,
sondern persönlich erarbeitet werden muß.
Carroll
weist auf weitere Studien hin, in denen Charakterzüge und persönliche
Geschichten von erfolgreichen Führungspersönlichkeiten Amerikas
untersucht wurden. Die zu dem Ergebnis kamen, daß jene Führungskräfte am
erfolgreichsten waren, die schon in jungen Jahren harte, realistische
Erfahrungen mit Geld gemacht hatten. Also durchaus auch etwas verloren
hatten. Wenn die Erfahrung der realen Konsequenzen von Geld eingeprägt
bleibt, bestimmt das auch das spätere Verhalten im Umgang mit Budgets
und Geld, das nur noch in Computerdatenbanken liegt, und über Bildschirm
und Zahlenkolumnen verwaltet wird. Mit einem abstrakten Geldbegriff
kann nur der gut umgehen, dessen Geldbegriff generell mit der beinharten
Realität von Geld verknüpft bleibt.
Deshalb
plädiert er dafür, jungen Menschen den Zugang zu virtuellem Geld (vor allem
über Apps auf Handys heute praktisch jedem erreichbar, die das Ausgeben
extrem leicht machen) möglichst zu erschweren oder zu unterbinden. Als
Gegenkonzept sollte man Kindern und Heranwachsenden den Umgang mit Geld
lehren. Etwa indem man Anschaffungen, die nötig sind, von ihnen selbst
entscheiden läßt. Es braucht Kleidung und Schulsachen? Gut, hier sind fünfhundert Dollar, und nun kaufe (natürlich unter sanfter Anleitung der
Eltern) Kleidung und Schulsachen. Man wird erleben, daß plötzlich neue
Kriterien im Urteil auftauchen.**
Morgen Teil 2) Ursachen und Wirkungen
*In Österreich gab es früher ein sehr
ähnliches Spiel, das "DKT - Das Kaufmännische Talent" hieß, und auch in
der Familie des VdZ gerne und leidenschaftlich gespielt wurde.
**Der
VdZ verweist hier vor allem auf die wichtige Erfahrung, daß der Aspekt
der Haltbarkeit und Dauer - Speicher als einzige Form von Vermögen, wir
haben darüber hier ausführlich gehandelt - von Gekauftem plötzlich eine
neue Rolle spielt. Während bloß Trendiges und Modisches - kurzfristig
"Lustiges" - in der Bedeutung deutlich sinkt.