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Montag, 2. Dezember 2019

Weil man Geld nicht mehr begreift (1)

Adam Carroll spricht in einem TED-Vortrag sehr Richtiges und Wichtiges an, und liefert damit den Schlüssel für so manches, mit dem wir heute zu tun haben, nicht zuletzt in der Politik. Es ist tatsächlich eine, wenn nicht die Hauptursache für die hohe Verschuldung, unter der wir leiden. (Die Politik ist deshalb sehr damit beschäftigt, uns nicht bewußt werden zu lassen, daß wir das tatsächlich tun.) 

Carroll erzählt zuerst sehr sympathisch von einem Experiment, das er mit seinen drei Kindern durchgeführt hat. Mit denen er regelmäßig und leidenschaftlich Monopoly* gespielt hatte. Jedes hatte so seine Strategie, und Großzügigkeit und ein klein wenig Hasardeurtum spielte immer eine große Rolle bei dieser Strategie. Er hatte sich deshalb die Frage gestellt, wie sich das Verhalten der Kinder ändern würde, wenn es plötzlich um wirkliches Geld gehe.  Also ging er zu seiner Bank, hob zehntausend Dollar ab, ließ die in dem Spielgeld gleiche Einheiten wechseln, und überraschte seine Familie am Wochenende mit dem Stoß echten Geldes, das plötzlich in der Kassa des Spiels lag. Er sagte den Kindern nicht, ob das Spielergebnis am Ende auch behalten werden konnte, ließ das offen, sie konnten es glauben, wenn sie es wollten. (Am Montag trug er alles, sehr zur Erleichterung seiner Frau, wieder zur Bank, das vorweg.)

Erwartungsgemäß änderten zwei der drei Kinder sofort ihre Strategie. Die Tochter, die sich nie recht ums Geld gekümmert hatte, dafür jedem half, auch wenn es gegen die Spielregeln war, blieb dabei, und war auch als erste pleite. Die beiden Söhne änderten aber ihr sonst recht leichtfertiges Verhalten. Und ihre Entscheidungen waren sichtlich überlegter, sorgfältiger und kalkulierter. Anders als sonst, wo man oft sogar Tage damit verbracht hatte, endete das Spiel schon nach zweieinhalb Stunden, mit einem eindeutigen Sieger. (Das Spiel zielt als Lehre wirtschaftlichen Handelns letztlich auf Monopolstellung ab, nur dann ist man "sicher reich", dazu an anderer Stelle später.)

Aber was war die Lehre, die Carroll darin sah? Er erkannte, daß Kinder sehr bald mit dem wirklichen Wert von Geld zu tun haben müssen. Genau das aber wird mit den heutigen elektronischen Mitteln verhindert. Geld ist heute weitestgehend virtuell, eine Illusion, eine Abstraktion, und immer weniger Menschen können mit dem wahren Wert von Geld umgehen. Denn wenn Geld auch eine Illusion ist, weil alles virtuell abläuft, so scheint das nur so, denn es hat ganz reale, praktische und harte Konsequenzen. 

Das zeigt sich in Studien, die die Finanzsituation der amerikanischen Jungen untersucht haben. Ein Viertel der jungen Amerikaner sind heute Mitte Zwanzig so hoch verschuldet, daß sie im Grunde bankrott sind. Ein Fünftel geht auch bald bankrott. Was auch mit den Studienkrediten zu tun hat, denn anders als bei uns gibt es in den USA keine "freie Universität". Man muß dafür bezahlen. Dazu kommen Lebenshaltung etc. etc. Insgesamt ist die US-Bevölkerungsschichte von fünfundzwanzig bis einunddreißig Jahren Alter die am zweithöchsten verschuldete Gruppe weltweit. 

Die Gründe dafür sieht Carroll in der weitestgehenden Digitalisierung des Zahlungsverkehrs, der bei jungen Menschen verhindert, daß sie den Wert und die Konsequenzen von Geld überhaupt je begreifen. Alles sind nur Zahlen am Bildschirm, Bits und Bytes, und es gibt genug Untersuchungen, die belegen, daß virtuelles Geld (das, wie gesagt, aber dann sehr reale, harte Konsequenzen hat) wesentlich leichter ausgegeben wird als die immer begrenzt wirkende Menge Geld, das man in Form von Geldscheinen in der Hand hat. Und mit dem man dann umgehen, das man sich einteilen muß, weil es nicht einfach aus dem Nichts der Internetweiten auftaucht, sondern persönlich erarbeitet werden muß. 

Carroll weist auf weitere Studien hin, in denen Charakterzüge und persönliche Geschichten von erfolgreichen Führungspersönlichkeiten Amerikas untersucht wurden. Die zu dem Ergebnis kamen, daß jene Führungskräfte am erfolgreichsten waren, die schon in jungen Jahren harte, realistische Erfahrungen mit Geld gemacht hatten. Also durchaus auch etwas verloren hatten. Wenn die Erfahrung der realen Konsequenzen von Geld eingeprägt bleibt, bestimmt das auch das spätere Verhalten im Umgang mit Budgets und Geld, das nur noch in Computerdatenbanken liegt, und über Bildschirm und Zahlenkolumnen verwaltet wird. Mit einem abstrakten Geldbegriff kann nur der gut umgehen, dessen Geldbegriff generell mit der beinharten Realität von Geld verknüpft bleibt.

Deshalb plädiert er dafür, jungen Menschen den Zugang zu virtuellem Geld (vor allem über Apps auf Handys heute praktisch jedem erreichbar, die das Ausgeben extrem leicht machen) möglichst zu erschweren oder zu unterbinden. Als Gegenkonzept sollte man Kindern und Heranwachsenden den Umgang mit Geld lehren. Etwa indem man Anschaffungen, die nötig sind, von ihnen selbst entscheiden läßt. Es braucht Kleidung und Schulsachen? Gut, hier sind fünfhundert Dollar, und nun kaufe (natürlich unter sanfter Anleitung der Eltern) Kleidung und Schulsachen. Man wird erleben, daß plötzlich neue Kriterien im Urteil auftauchen.**

Morgen Teil 2) Ursachen und Wirkungen



*In Österreich gab es früher ein sehr ähnliches Spiel, das "DKT - Das Kaufmännische Talent" hieß, und auch in der Familie des VdZ gerne und leidenschaftlich gespielt wurde.

**Der VdZ verweist hier vor allem auf die wichtige Erfahrung, daß der Aspekt der Haltbarkeit und Dauer - Speicher als einzige Form von Vermögen, wir haben darüber hier ausführlich gehandelt - von Gekauftem plötzlich eine neue Rolle spielt. Während bloß Trendiges und Modisches - kurzfristig "Lustiges" - in der Bedeutung deutlich sinkt.