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Donnerstag, 12. Dezember 2019

Vater sein dagegen sehr (4)

An neun Tagen im Advent, jeweils Dienstag und Donnerstag, findet der Leser eine Kolumne des VdZ für eine Boulevardzeitung, die als Serie im Jahre 1995 geschrieben worden war. Er tut dies auf Bitten von Lesern, die diese Texte ausgegraben haben. Damals lebte der VdZ zwar in ziemlich anderen Umständen als heute, aber die angesprochenen Themen sind abstrakt gesehen ungebrochen aktuell.

VATER SEIN DAGEGEN SEHR ...

Die regelmäßige Kolumne eines ab und an schon mal genervten Familienoberhaupts

IV

Der September ist ein unangenehmer Monat, voller Hektik und Aufregung. Mit jedem Jahr erscheint es uns mehr so. Aber noch aus einem anderen Grund: Mit acht Kindern, von denen vier in die Schule gehen, reißt dieser Monat ein gehöriges Loch in das Konto. Und ich weiche gegen Ende des Monats dem Bankdirektor, der Gott sei Dank mit uns befreundet ist, aber vielleicht gerade deshalb, in weitem Bogen aus. Meine Frau muß dann die Kontoauszüge holen, sie hat es da wirklich leichter, denn irgendwie wird das Konto und damit das Einkommen von der Bank als meine Angelegenheit angesehen. Ich verhandle mit ihr, meine Frau unterschreibt dann zum Schluß eigentlich nur noch, wo auch ihre Unterschrift gebraucht wird. Meistens brauche ich dann bis nach Weihnachten, bis das Konto wieder gedeckt ist.

Aber immer wieder ärgere ich mich über Lehrer, die sichtbar oft jede Vorstellung verloren haben, in welchem Ausmaß ihre Unterrichtsmethode die Geldbörsen kinderreicher Familien belastet! Praktisch täglich kommt eines oder kommen mehrere meiner vier Kinder mit Zahlungsaufforderungen heim. Freilich sind es stets nur "kleine" Beträge, aber in Summe ganz gewaltige Belastungen. Das Ärgerliche daran ist, daß wir eigentlich ein Schulsystem hätten, das "gratis" ist. Aber mit jedem Jahr werden die zusätzlichen Lehrmittel, ohne die Lehrer scheinbar nicht mehr auskommen, umfangreicher. Da werden Unmengen von Büchern gekauft, trotzdem werden hunderte Kopien zusätzlich gemacht. Wegen eines einzigen Aufsatzes müssen unsere Kinder zusätzliche Zeitschriften abonnieren, denn irgendwann einmal brauchen sie den Stoff auch im Unterricht. Und da scheint es unbedingt nötig, mindestens einmal im Jahr entweder auf Schikurs oder auf Wienwoche oder gar auf Englandwoche zu fahren, obwohl wir ohnehin mehrmals im Jahr nach Wien kommen und die tatsächliche Information doch wirklich im Rahmen von ein paar Unterrichtsstunden auch gegeben werden könnten.

Schulschikurse o.ä. sind zwangsweise Tourismussteuer für die Eltern, denen noch dazu eine Sportart aufgedrängt wird, die sie - wie wir - nicht wollen oder sich nicht leisten können. Denn das Zuhause bleiben ist keine wirkliche Alternative. Und was soll eine Woche Englandaufenthalt für Vierzehnjährige bringen außer eine Mordsgaudi? Und je mehr die Lehrer über die fehlende Anpassungs- und Konzentrationsfähigkeit der Kinder klagen, desto mehr ersparen sie ihnen die Einübung in die Konzentration, indem sie die Lehrstoffübermittlung dem tiefen Niveau noch anpassen und so die Kinder noch weiter zur Erschlaffung (v)erziehen.

4. Oktober 1995