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Freitag, 17. Juni 2022

Das ungemachte Glück

Es ist seltsam, daß mir "Glück" immer wieder wie ein Vorwurf begegnet ist, mit dem mich andere Bedachten, die damit regelmäßig die Richtigkeit ihres Lebens- und Weltanschauungsenturfs gegenüber dem meinen meinten. Und so ihr "Glück", in dem zu leben sie sich zuschrieben (im Gegensatz zu mir, warum auch immer sie das meinten, auch das aber regelmäßige und noch seltsamere Beitat: Der Vorwurf an den anderen, er sei "nicht glücklich"). Und das sie so als Beweis für ihre Überlegenheit(en) anführten.

Geht man der Etymologie nach, so hat aber Glück in allen Sprachen, die nachzuschauen ich auf die Schnelle die Gelegenheit wahrnahm, die Bedeutung von "Zufall", von "schicksalshafte Wendung nach Wunsch", also einen unbeeinflußbaren Charakter einer Lauen der Götter, sozusagen. Im Russischen kommt sogar der Kairos-Aspekt besonders durch, wo es mit "s-schtastve" aus "mit - Zeit" zusammengesetzt ist.

In keiner Sprache, so meine rasche Prüfung, kann es gemacht oder gezwungen werden. In keiner Sprache ist es verdienter Lohn, sondern immer eine freie Tat des Schicksals, als Synonym für einen Lenker des Weltenlaufs.

Dennoch muß man immer wieder den Eindruck haben, daß sich die Memschen der Mächtigkeit dieses Faktors nicht bewußt sein wollen. Wollen! Denn - sie sind es wohl, deshalb diese Umdeutung auf eine Legitimierung, eine Rechtfertigung, von der hier die Rede ist. Und sich posthoch (immer: nachträglich!) bei einer Fügung, die man als "Zukommendes nach Wunsch" (so wie immer die beste Definition bei Weigand) immer noch unter Wahrung des Aspekts des Nicht-Gemachten, sich dieses Glück als Leistung zuschreiben. 

Immerhin riskieren sie damit aber eine Beleidigung der Götter, und provozieren die göttliche Eifersucht. Dem man dann nämlich seine Leisutng schmälert. 

Bleibt die Frage, warum sich die Menschen so auf ihr "Glück" versteifen, ohne dafür eigentlich das einzige zu tun, was es ermöglicht: Die Götter zu bitten, zu beten, zu flehen, und zu opfern, wie es alle Völker so brav tun und noch mehr in ihrer Geschichte getan haben. Denn es ist ein Geschenk. Immer. Ausnahmslos. 

Es ist immer Gott, der das Gelingen schenkt. Auch dann, wenn man meint, eine Sache HABE so und so auszugehen. Denn wie le Maistre schreibt: Einen wirklichen uns erkennbaren Zusammenhang von Ursache und Wirkung (bei dem erst von Leistung zu sprechen wäre) gibt es gar nicht. Das zu glauben beruht auf einer Täuschung über die Natur der Welt.

Denn es scheint sogar so zu sein, daß alle die berechenbaren Faktoren, alles was man quasi "weiß" - Reichtum, Einblicke in die Gehiemnisse des Lebens, der mühelose Sieg über die Gegner, die wiedergeschenkte Jugend, die Liebe Margarethens - ist fürs Glück letztlich unbrauchbar, siehe dazu Faust II. Und schon gar nicht mag das "Glück für alle", die Sozialutopie gewissermaßen, zu punkten. Sie wirkt sogar als der sicherste Weg zur Hölle, betrachtet man die historischen Versuche dazu. (Ausnahmslos, übrigens.) 

Noch nie hat Glück mit der Menge an Wohlgefühl zu tun gehabt, sonder mit der Beziehung zu etwas. Wie ein Insaße des Lubjanka-Gefänsnisses  in Moskau beschreibt, wie er den trüben Haferbrei zelebrierte und genoß, von dem er täglich einen kleinen Teller bekam, und den er mit seinem Holzlöffel in homöopathischen Quanten zum Munde führte, dann wäre im Vergleich dazu ein Fresse eines großen Schweineschnitzels lächerlich gering im Maß des Glücks. Ein Jahr mit diesem Haferbrei aber, und er hat vergessen, daß er ein Jahr lang nahezu nichts gegessen hatte.  

Und wenn ich mir erlauben darf, dazu etwas beizutragen, dann wäre es ein Blick in meine eigene Kindheit. Wo ich fünf Gummibärchen von Haribo als unsren Anteil an einem Säckchen für so viele Geschwister, oder zwei Spalten einer Orange, in einer Finesse und mit einem Genuß verspeiste, den ich mit allen später dann gekauften und gefressenen Mengen niemals vergleichen könnte - es war unermeßlich mehr Glück.

Als wäre das der entscheidende Punkt - daß das Glück sich erst einstellt, wenn es eine Gabe ist. Unerwartet, und weder in seinem Maß noch in der Art weder vorhersehbar noch vorhergesehen, sondern in die Zeit hinein gefügt. Als wäre also das von den Menschen vielleicht meistgewollte der Erweis des Nicht-Irdischen, Nicht-Menschlichen weil Göttlich-Geschenkhaften. Als wäre nur das das Maß des Glücks.

Sodaß dann der, der es als Menge und Qualität zu bestimmen und zu sichern meint, es am sichersten auch verscheucht. Weil er unter Umständen gar nicht bemerkt, wenn es ankommt, weil sein Blick auf das Gesollte, Vorgestellte, Berechnete festgemacht ist. Oder sind die Wohlstandskinder des Jahres 2022 glücklicher als wir es waren? Ich bezweifle das sehr.  So, wie ich auch "Glück" als Ziel und Glücksfähigkeit als Absicht heutiger Erziehung bezweifle. Was für eine Lüge.

Während ich eines immer und ausnahmeslos ebenfalls festgestellt habe: Daß die Menschen, die "viel erreicht haben", diesen "Erfolg" dem "Glück" zuschrieben, und als Geschenk betrachtet haben. Was bei manchen freilich zu einem furchtbaren Abgleiten führt, in dem sie ab einem gewissen Punkt plötzlich doch meinen, sich ihr Glück SELBST gegeben haben. Ich kenne den Fall, daß sich daraufhin das "Glück" in einem anderen Bereich dramatisch wendete, und die andere Waagschale mit Galle so auffüllte, daß auch die güldene zweite Schale nur noch bitter schmeckte.

Man sollte Gott nicht versuchen. 

Wenn überhaupt, so ist nur ein Glück machbar, also in dem Sinn, als es mit einer eigenen Tätigkeit zu tun hat. Ja man könnte fast sage, daß sich darin das Glück für jeden am überzeugendsten formiert: Und das ist das Glück zu LIEBEN. Auch das - ein Geschenk.

Nachtrag: Da fällt mir Anekdotisches zu Kaiserin Maria Theresia ein. Die immer wieder "gezwungen" war, sich an den "tüchtigen" Feldherren zu halten - aber wieviel lieber äre ihr, so die Mär, der "mit mehr fortune" gewesen. Denn sie hat ihre wichtigesn Kriege verloren., und wußte warum. 

Nachtrag zwo: Und es fällt mir auf und ein, wie oft dieser Anspruch aufs Glück durch 2Psychologismen" zu erfüllen gedacht wird. Sodaß einem ein gelahrter Psychoonkel dann erzählt, warum man (oder jemand anderer) das Glück verfehlt hat, WEIL man dies und weil man das. Und weil DER dies und weil der das. Man kann kaum dümmer am Glück scheitern. Und kaum mit mehr notorisch hinterlasseen Trümmern. Als hätte die Psychologie etwas zum Erlangen des Glücks beizutragen weil zu sagen. 

Man sollte stattdessen den Priester fragen.