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Montag, 13. Juni 2022

Der Weise, der schon 1998 alles kommen sah (1)

Lange schon lag das Buch auf meinem (dritten) Stapel, irgendwann wollte ich Alexander Solschenizyns "Rußland im Absturz", das ich 1999 erworben und ungefähr zu dem Zeitpunkt auch gelesen hatte, wieder überfliegen umzu sehen, was ich alles nicht bemerkt und übersehen hatte. Kurz - ich habe es vollständig noch einmnal gelesen, und zwar unter so neuem Licht, daß es mir ein ganz neues Buch wurde.

Ein Buch von dem ich sage, daß man es gelesen haben MUSZ, will man über Rußland überhaupt etwas sagen. Denn Solschenziyn hat dieses mehr als besorgte Fazit aus vier Jahren Reisetätigkeit, tausenden Gespräche, hunderten und aberhunderten Korrespondenzen und an die siebenhundert Besuchen vor Ort nicht nur geschrieben ,um den Fingr auf offene Wunden zu legen und zu erklären, was sich in Rußland nach der Gortbatschowschen Wende 1990 abgespielt hat. Um so den irrwitzigen Zustand des Landes zu erklären, das in den Augen vieler unrettbar zerrüttet war.

Schon 1998 (sic!) hat Solschenizyn aber auch die Wurzeln zuklünftiger Konflikte benannt weil erkannt. So auch den heutigen Krieg in der Ukraine, der bereits 1922 von Lenin angelegt worden ist. Der in typisch marxistischem Größenwahn willkürliche Landesgrenzen gezogen hat, die im vormaligen Zarenreich keinerlei historische und ethnische und damit kulturelle Grenzen berücksichtigt haben.  
So kam auch eine Grenzziehung einer neu geschaffenen "Ukraine" zustande, in der willkürlich Völker zusammengefaßt wurden, die sich dann in "sowjetischem Geist" zusammenfinden und einen sollten. Wobei diese Staaten ja in Wahrheit gar keine Rolle spielten, also gar nie "Staaten" im eigentlichen Sinn waren. Denn in der UdSSR hat Moskau bestimmt, und basta. 

Patriotismus, Liebe zum eigenen, Liebe zum Volk spielt enur dann und dort eine Rolle - namentlich 1941, als Stalin so an die Wand gedrückt war, daß er alles und jedes Mittel einzusetzen bereit war, sogar die Orthodoxe Kirche, das ihm den Arsch retten würde - wo es der Macht der kommunistischen Nomenklatura nützlich schien. Chruschtschow ebenso wie Breshnjew, noch mehr aber Gorbatschow haben dann noch einmal diesen Unsinn verstärkt.

Wobei Solschenizyn letzterem den schweren Vorwurf macht, mit all seinen absurden und völlig blöden politischen "Konzepten" einer postsowjetischen Ordnung des Raumes auf 25 Millionen Russen "vergessen" zu haben. Die über Nacht nicht nur in fremden Staaten lebten, sondern dort auch noch teils krass benachteiligte Bürger zweiter Klasse waren. 

Vor allem in Kazachstan, in Georgien bzw. im Kaukasus, und in der Ukraine kam es so zu den schlimmsten Verwerfungen. Und die Folgen waren deshalb unausbleiblich, wie kennen sie alle aus der Geschichte.
In der Konstruktion der GUS hatte Gorbatschow praktisch aus dem Hut "Signatarnationen" erfunden (darunter eben auch eine "Ukraine", wiewohl die doch aus hundert Völkern bestand, darunter even die vielen Millionen Russen, unabhängig von der historischen Verbindung, die doch niemals zu lösen war) 
All diesen Ländern wurde nun zuerkannt, daß sie ihre "Titularvölker" - also z. B. in Georgien die Georgier, in Kazachstan die Kazachen - sowie deren Volkskultur bevorzugen weil als Nominalkultur behandeln durften.  Selbst, wenn sie in der Minderheit waren, wie in Kazachstan. 
Plötzlich wurden nun 25 Millionen Russen, die z. B. in Estland sogar die Bevölkerungsmehrheit stellten, weil das in der Sowjetzeit "keine Rolle" spielte (bzw. spielen sollte, der "neue Sowjetmensch" IST eben nicht "national", das ist faschistisch, das ist kapitalistisch, usw.), zu benachteiligten Völkerschaften. 

Und Rußland selber tat gleichfalls nichts, buchstäblich nichts, um SEINE Russen zu schützen, zu verteidigen, oder sogar ... aufzunehmen. Denn viele Millionen verließen nun ihre Heimat, in der sie nciht einmal mehr überleben konnten, und vielfach schwer schikaniert, wenn nicht sogar verfolgt, ausgeplündert, vergewaltigt oder ermordet wurden. Aber sie wurden in Rußland dann miserabel behandelt, viele gingen daraufhin sogar wieder zurück: Lieber in der Heimat leben, selst wenn man dort unterdrückt wurde, als als "Nicht-Bürger" in Rußland. Und vie allermeisten versuchten fortan sowieso, als "Kazachen" oder "als Ukrainer" zu leben, sich zu fügen. 
Auch das eine der so russischen Eigenschaften: Sich zu fügen, selbst wenn man zu leiden kommt. Denn der Russe ist ein Mensch der Sühne, der bewußtLeiden auf sich nimmt - für den Heiland. 
Solschenizyn vergißt also nicht auf das Wesentliche, das aber für das Verständnis des russischen Menschen so bedeutend ist. Wie anders ließe sich denn seine Geschichte sonst verstehen, wenn nicht als religiöse Geschichte?
Die postsowjetische Ära war umso mehr geprägt von bösartiger Undankbarkeit durch all die randständigen "Nationen", die überall aus dem Boden schossen.. War geprägt von Gier nun ihre Stunde gekommen sehender Lokalkaiser, die ehedem gemeinsames, gesamtsowjetisches Vermögen, das ALLEN Teilstaaten gedient hatte, in blinder, wütender Gier an sich rissen, und letztlich das Rußland, wie wir es zuletzt noch identifiziert haben, als Alleinschuldigen an allem und jedem übrig ließen. 
Das aus dieser Schuld heraus auch noch seine Ressourcen und Rohstoffe zu Schleuderpreisen zur Verfügung zu stellen hatte, selbstverständlich. (Ja, kommt uns das Konzept des "ewigen, an allem Schuldigen", der nur eine Pflicht hat: Sich an die Brust zu schlagen und zu allem "ja" zu sagen, nicht so verdammt bekannt vor? Aus welche Völkern aber stammten denn die schlimmsten Verbrecher der Sowjetära? Nur aus dem nunmehrigen Rußland?)
Man merkt in manchen Passagen, wie sehr sich Solscheinzyn - schon 1998! - zurückhalten muß, um seiner wahren Meinung zum Verhalten der (offiziellen, sich als Staat gerierenden) Ukraine wenigstens milder erscheinen zu lassen. Denn sachlich ist es aus historischer Betrachtung heraus ... verheerend. 
Und der Witz dabei: Die russischen Führer waren so unfähig, so dumm, so korrupt, daß sie das auch noch stützten. Sich in absurde Konstruktionen und Verträge einließen, ja diese sogar noch entwarfen und vorschlugen, die allesamt einen Mangel hatten: Die Interessen eines Staates Rußland selbst (!) zu sabottieren und zu unterlaufen, die vor allem das russische Volk wie eine verabscheuenswürdige und stimmlose, verachtete Masse behandelten, die das Land in ein unfaßbares Chaos versinken ließen.

Selbstverständlich waren sie den aggressivsten der neuen "Staatsherren" - wie ben den Ukrainern - nicht gewachsen, und haben sich auf Verienbarungen eingelassen, die Solschenizyn Verbrechen an Rußland nennt. Und selbstverständlich waren sie auch den unterschiedlichsten Banden und Oligarchen nicht gewachsen, die binnen weniger Jahre die auch noch "Privatisierungen" genannte Verschleuderung von Volksvermögen und den Ausverkauf an einige wenige Diebe und Banditen Viele davon ganz offensichtlich mit Auslandsverbindungen, aber das deutet Solschenizyn nur an, es bleibt bei zahllosen Merkwürdigkeiten.

Woher sind nämlich all die Millionen und hunderten Millionen und sogar Millirden gekommen, die plötzlich manche hatten? Wer konnte die gesamte Rüstungsindustrie der ehemaligen Sowjetunion in enem Schlag zusamenkaufen, und höhnisch "Joint Ventures" genannten Konstruktionen in die Hände amerikanischer Rüstungskonzerne lavieren? 

Wie ist so etwas möglich? Wie konnte das schon aus strategischen, sicherheitspolitischen Gründen je zugelassen werden? und wie der Ausverkauf der Bodenschätze? wie die gesamte Automobilindustrie, die ebenfalls mit einem Schlag vernichtet wurde, sodaß fortan sämtliche Fahrzeuge aus dem Westen kommen mußten? Und nicht zuletzt, wie konnte binnen kürzester Zeit die gesamte Publizistische Landschaft der ehemaligen Sowjetunion von westlichen, amerikanischen Medienzaren beherrscht werden? Alleine wenn man bedenkt, was das für die rusische Kultur bedeutet hat!

Eine Struktur aber, die das Volks wieder auf eigene Füße stellt, die bei einer lokalen Selbstverwaltugn ansetzen muß, wurde dafür nie geschaffen. Es gab kein Bildugnswesen mehr, wäre es nicht von zahllosen Verantwortungsbewußten doch noch irgendwie am Leben erhalten worden. Aber zehn, fünfzehn Jahre mit praktisch ausgefallener Schulbildung? Welches Land kann das verkraften?

Große Teile der Intelligenzia sind stattdessen in dieser Zeit ins Ausland verduftet, oft genug von westlichen Ländern und Konzernen angelockt, nicht selten mit dem gesamten Know How der Sowjetzeit in ihrem Koffer. Angelockt von einer Lebensweise, die das Eigene ablehnt udn verachtet.

Während also die eigene Kultur abgewertet, verhöhnt und lächerlich gemacht wurde, wurde ein Lebensstil propagiert, der vor allem den Raum Moskau zu einer eigenen Welt gemacht hat, der sich vom Rest des weiten, unermeßlich weiten Landes nahezu abgekoppelt hat.

Denn vor allem am Land, in den kleine(re)n Städten und Dörfern, dort liegt das wahre Rußland. Und zusammen mit der Orthodoxen Kirche, schreibt Solschenizyn, ist ein langsames Wiederaufstehen der genuinen, jahrtausendalten russischen Kultur wieder möglich. In der die immer schon den Russen zugeschriebenen Eigenschaften wieder geachtet und geehrt werden - diese unendliche Leidensfähigkeit, diese Gutmütigkeit, diese Warmherzigkeit, diese Lebensrfreude, gepaart mit einer unendlichen (und leider auch sehr wankelmütigen, selbstunsicheren) Gemütstiefe und Religiosität.

Es bleibt in dem Buch deshalb nicht bei der Erhebung der Mängel, die furchtbar sind und ein Land "im freien Fall" zeigen. Solschenizyn hat auch gesehen, wo die eigentliche Substanz der Russen liegt und lag, und warum es immer noch eine Chance hat, obwohl es sich im Jahre 1998 völlig ausgeplündert, ausgebeutet und moralisch-geistig devastiert darbietet.

Von wem wirklich, wer also die Kräfte "dahinter" waren, darüber hüllt sich der Autor in "beredtes Schweigen". Aber es war ein wahres Unheil, das mit den nun "demokratisch" gewählten "Abgeordneten" an die Milchbrüste der Staatsmacht geholt wurden, denen das Volk völlig egal war, die nur eines im Sinn hatten: Ihre Macht, ihren Wohlstand, ihren Luxus, in dem sie nun leben konnten. Gesetze wurden gemacht, ohne daß jemand ernsthaft überlegte, was sie bewirken, na werden sie halt wieder korrigiert, wenn sie nicht sowieso ignoriert wurden. Wenn sie nicht soweiso reine Gefälligkeitsgesetze sind, die jemandes private Interessen fördern.
Eine Opposition gibt es defacto nicht. Denn alle Abgeordneten egal welcher der vielen Parteien halten zueinander, wenn es darum geht, daß sie sich gegenseitig an den Trögen der Selbstbereicherung halten.
Als er, schreibt er, eingeladen worden war, in der Duma (dem Parlament in Moskau) einen Bericht über seine Einschätzung der Lage zu geben, gab es so gut wie niemanden, der sich dafür auch nur pro forma interessiert hat. Er hielt seine eineinhalbstündige Rede vor einem nahezu leerem Plenum.

Während die Armee des Landes in Korruption und Verrat versank, und das Land nicht einmal mehr annähernd selbstverteidigungsfähig war. Dafür aber die zum Militärdienst nach wie vor eingeziogene Jugend in eine Mühle der Entmenschung und Würdelosigkeit gezogen wurde, diesem unsäglichen System der "Dedowschtschina". Die Selbstmordrate unter jungen Soldaten war schockierend.

Aus Rußland war in Rekordtempo ein Land der Diebe, Betrüger, Räuber und Mörder geworden, und die Menschen überboten sich in Skrupellosigkeit, Brutalität und Gier. Niemand achtete noch die russische Geschichte, niemand sah noch eine Verantwortung seinem Vaterland gegenüber, alle wollten nur noch zusammenraffen, was sie zusammenraffen wollten. Rußland war drauf und dran, überhaupt seine Moral zu verlieren, denn wer noch welche besaß, gehörte zu den Gepeinigten und Verlierern, und Alkoholismus eine Volkskrankheit. So beschreibt der Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn das Rußland, das er nach seiner Rückkehr aus den USA 1994 vorfand und neu kennenlernen wollte.

Morgen Teil 2) Solschenizyn konnte damals nicht damit rechnen, was sich dann ab August 1999 bzw. Mai 2000 ereignete, als wie aus dem Nichts Valdimir Putin auftrat. Aber was dieser zweifellos christliche, große Dichter, Wahrseher und Geist an NOTWENDIGKEITEN für Rußland zu einem fast verzweifelten Gebet formulierte, fand in Putin - man muß es fast so nennen - einen Erhörer.




Erstellung 11. Juni 2022 - Ein Beitrag zur