Nur dieses einen Gedanken wegen lohnt sich das Anhören dieses Gesprächs von Klaus von Dohnanyi und Jörg van Hooven. Ein Gedanke der wie alle wahren Gedanken HINTER einem Geschehen steht, und deshalb nicht gesehen, aber umso verblüffener weil einfach und logisch ist: Dohnanyi sagt nämlich, daß hier offenbar etwas nicht zu Ende gedacht ist, wenn man davon spricht, daß Deutschland vom russischen Gas abhängig sei, und dies als Gefahr gesehen wird. Warum aber dann trifft man Sanktionen, die eine einseitige Weigerung beinhalten, weiterhin russisches Gas zu beziehen, UM RUSZLAND ZU TREFFEN.
Dann muß man also der Meinung sein, daß Rußland uns als Abnehmer seiner Rohstoffe DRINGENDER BRAUCHT ALS WIR RUSZLAND. Also kann diese Abhängigkeit nie ein strategisches Problem gewesen sein. Noch dazu wo vertraglich mit der Ukraine fixiert ist (das hat noch Angela Merkel vereinbart), daß die Lieferungen über die Ukraine (denn die wären von weniger russischem Gas am direktesten betroffen) in vollem Ausmaß weiterhin aufrechterhalten bleiben würden.
Die zweite Gasleitung durch die Ostsee, Nordstream 2, hätte also zwar den Anteil an russischem Gas in den europäischen Netzen (die wegen des Drucks eng zusammenhängen) erhöht, aber auch die Abhängigkeit VON RUSZLAND erhöht. Also hätten sogar WIR mehr Druckmittel als jetzt, wo wie das beenden wollen. Um einerseits auf immens teures, ökologisch absurdes amerikanisches Flüssiggas (und venezuelanisches Erdöl, das nebenbei) umzusteigen, und anderseits (weil es kam wie es zu erwarten war) wir etwa über Indien russisches Erdgas und Erdöl wesentlich teurer beziehen weil beziehen müssen.
Sehr richtig verstärkt Dohnanyi auch unsere Aussage, daß es in einer internationalen, globalen Handelswelt immer Abhängigkeiten gibt, die aber immer auch wechselseitig sind. Und er sagt auch richtig, daß wir längst von den USA abhängiger sind, als von Rußland, wir haben über dieses Problem bereits vor einiger Zeit hier gehandelt.
Nicht nur, daß die Geschichte gezeigt hat, daß dies rascher problematisch sein kann, als wir denken mögen, wissen wir doch, daß die USA durch die US-Außenpolitik recht unberechenbar sein kann. Denn dort hängt die Außenpolitik von der Innenpolitik ab, und wird innenpolitisch als Machtinstrument verwendet, um die Wahlen zu beeinflussen. Amerika ist aber durch die Verfassung zu einer extrem kurzfristigen Innenpolitik verdammt, das heißt, daß sich das Land eigentlich in einem Dauerwahlkampf befindet.
An sich verteidigt Dohnanyi zwar die Haltung Frankreichs udn Deutschlands, aber er hält die Sanktionen für völlig untauglich, um einen Verhandlungsfrieden in derUKraine herrbeizuführen. Das hat sogar Biden zugegeben: "Sanktionen wirken nie!" Weshalb also hat man sie gemacht, und so das Gesprächsklima vergiftet, anstatt die Verhandlungslinie als Lösungsweg zu verstärken?
Im übrigen kann ich nicht nachvollziehen, warum man ständig Vladimir Putin als "unberechenbaren Diktator" bezeichnet. Wo es doch keinen Politiker in Europa gab, und das seit Jahrzehnten, der berechenbarer ist als der Russe! Nur hat man wohl nicht damit gerechnet, DASZ er so berechenbar ist.
Währtend man noch 2018 bie der Münchner Sicherheitskonferenz einmütig gesagt hat, daß es KEIN Ziel sein könne, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, weil damit Kriegsgefahr einhergehe. Die Ukraine (und Georgien) sind als traditonelle russische Staatsgebiete eben anders zu sehen als die baltischen Länder es je waren.
Deutschland sollte sich nicht in Gefühlslagen hineinziehen lassen, die typisch für England und die USA sind, abrer nicht die unseren. Dort ist Rußland seit Jahrhunderten der böse Feind, der Übeltäter und die Gefahr.
Wir haben zu Rußland immer bei weitem engere Beziehungen gepflegt, und hatten nie diese Russophobie, die in diesen Ländern seit je vorherrschen. Der anglo-amerikanische Raum hat Rußland immer als geostrategischen Feind betrachtet, der ihre eigene Vorherrschaft gefährden kann. Aber das ist eine völlig andere Lage als die, in der sich Deutschland befindet.
Jetzt hat Biden schon wieder Wahlen vor der Tür, im November d. J. Und deshalb ist auch kaum Aussicht, daß die entscheidende Konzession - daß die Ukraine neutral sein soll, und nicht Mitglied der NATO werden kann - auch erfolgt. Zu wichtig ist die Position der "Stärke" im Wahlkampf. Das wäre aber Voraussetzung für Friedensverhandlungen.
Klaus von Dohnanyi, der ehemalige Bürgermeister von Hamburg, weist auf eine echte Problematik hin, die die unausgewogene, widersprüchliche amerikanische Außenpolitik erst erzeugt hat. Nach 1989, nach dem Zusammebruch der Sowjetunion, gab es nie einen ernsthaften Versuch, diesen neuen Staat in ein stabiles Freundschaftsverhältnis zu bringen. Der "alte"Bush hat sich nur in seinem Siegestaumel "der Westen hat gesiegt" gewiegt, aber nichts gemacht, um nun eine Freundschaft zu begründen.
Stattdessen hat man Rußland immer mehr bedrängt, und nun geostrategisch in eine für die Amerikaner sogar bedenkliche Lage gebracht: Denn das Bündnis Rußland - China, das nun durch westliches Versagen definitiv geworden zu sein scheint, ist für die Ameirkaner im Pazifik alles andere als günstig! Zwar ist von China keine Aggression zu erwarten (Dohnanyi meint auch nicht von Rußland in Europa, das ist, meint er, nur amerikanische Propaganda) aber wenn es zu ernsthaften stratetischen Auseinandersetzungen kommt, steht Amerika einer geeinten Pazifikfront gegenüber. War das klug?
Überhaupt sieht Dohanyi auch die Ukraine recht kritisch. warum hat das Land nie versucht, für die Russen im Osten des Landes eine ähnliche Lösung zu finden, wie es den Franzosen in Korsika oder den Spaniern mit Katalonien gelungen ist? Warum konnte man dem Donbas nicht eine ebensolche Autonomie zugestehen? Man kann nicht Fragen der Identität einfach ignorieren und übers Knie brechen. Dazu braucht es VERSTEHEN, und insofern sieht Dohnanyi sich auch als Purin-Versteher.
Muß man nicht die Frage stellen, ob in der Ukraine der Aggressor keineswegs einfach nur Putin ist, sondern ob nicht auch die USA als Verursacher gesehen werden muß.
Man kann bestimmte Dinge nicht erzwingen. Selbst unter Unternehmen scheitern 50 oder gar 80 Prozent von Unternehmenszusammeschlüssen - und warum? Weil sich die Unternehmenskultur als unvereinbar herausstellt. Also muß man sich zur Zusammenarbeit entschließen, will man mit Nachbarn friedlich IN EINEM NEBENEINANDER leben, und dann kann man auch gemeinsame Projekte auf die Beine stellen.
Erstellung 15. Juni 2022 - Ein Beitrag zur