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Samstag, 4. Juni 2022

Wieder ziehen die plündernden Horden über die Steppe (3)

Steppenreiter machen ihre Beuteräume menschenleer. Die Herrschaft, die sich ihr Volk erfindet - Genau das hat sich Franz von Vitoria in Spanien auch überlegt, und hat damals etwas gewagt, das uns unerhört erscheinen mag, damals aber offenbar gar nicht so gesehen wurde. Obwohl in Philip II. ein König (die Kaiserwürde hatte man da schon an die Familienlinie der Habsburger in Österreich zurückgehen lassen) am Thron saß, der nicht mit sich spaßen ließ, ging es um geistige Subversion, hielt der heute "Vater des Völkerrechts" genannnte Universitätslehrer mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. 

Daß er nämlich die Monarchie dieses (also König Philipp's) Zuschnitts NICHT als die ideale Verfaßtheit eines Staates sah. Zu leicht kann das in eine Absolutheit und Deifizierung kippen, wie es dann hundert Jahre später auch in ganz Europa begonnen hat zu geschehen. Aber dann? 

Was, wenn der König zum absoluten Tyrannen wird? Was, wenn er sein Reich für seine persönlichen und schändlichen Interessen mißbraucht, wie es die Habsburger ja auch nicht gerade selten praktiziert haben? Was hilft den beherrschten Menschen dann noch? Sie sind ihrem Monarchen total ausgeliefert, und die Kirche kann das nicht mehr korrigieren (wie Josef II. es in Wien dann auch bewiesen hat.) 
Also meinte Vitoria, die Monarchie müsse auf jeden Fall tagespolitisch gewissermaßen entmachtet werden. Sie muß an eine Versammlung der Stände gekoppelt werden, also an diese einzige wirkliche "Demokratie", in der sich ein Volk mehr oder weniger selbst "regiert". Ein Modell, ein bißchen dem englischen also ähnlich, wo sich zu jener Zeit gerade erst Heinrich VIII. als Beweisgrund fürs Vitorias Bedenken aufgedrängt hat. Ein der göttlichen Stellung zu ähnlicher Monarch konnte, wie der Engländer bewiesen hatte, sogar die Religion ändern, und so sein Volk ins Verderben reißen, ohne daß ihm noch jemand in den Arm fallen könnte.

Also dachte Vitoria - unter den Augen von Philipp II., der sowieso notorisch paranoid war (man lese die großartige Monographie von Reinhold Schneider!) - über die ersten Modelle der späteren neuzeitlichen konstitutionellen Monarchie nach, an ein Zwei-Säulen-Modell eines Staates, verbunden durch eine wirklich unabhängige Justiz. Und nahm vorweg, was unser Länder Verfassungen bis in den gegenwärtigen "Republiken" mehr oder weniger nachahmen.
 
Was freilich auch nicht funktioniert, wie wir sehen. Aber das hat mehrere Gründe. Der Mensch ist so sündenverliebt, daß es eben nie ein dauerhaftes Modell eines Staates geben kann, das mit der Zeit NICHT korrumpiert und schließlich vergewaltigt wird.

Der Grundfehler bei uns ist freilich: Sie haben anstelle eines Königs das Krawecherl eines "Präsidenten" installiert, der außerdem regelmäßig gewählt werden soll. Sodaß er ganz sicher mal mehr, mal weniger nur noch moarchisch-duftendes Museumsrequisit ist.

***

Mit bei der Diskussion über die Ukraine auf Servus TV anwesend war Josef Cap, seines Zeichens gewesener SPÖ-Rebell und Alt-68er, wie für diese Generation eben üblich also: Heute alles und nichts, aber mit Pensionsberechtigung. Der angesichts der räumlichen N#he eines echten Habsburgers wie Butter in der Saharasonne schmolz und auch gleich eine inhaltliche Nähe zu sehen begann. Woraufhin er sich mit viel Enthusiasmos in der Stimme unter der wehenden Fahne des großen Königs einfand. Und seine Weisheit auch gleich mal noch etwas besser den neuen Bedingungen adaptierte, woraufhin er sie herumreichte wie Kapitän Ahab seine Tabaksdose, auf daß jeder doch mal eine Prise nehmen sollte. 

Welche Chuzpe, dachte ich da nur noch, diese Politiker trauen sich was. Denn die Schamlosigkeit muß man einmal aufbringen, mit so niedrigem Füllstand im geistigen Guckglase ins Gefecht der Öffentlichkeit zu ziehen!

Und welche Chuzpe auch auf seiten Habsburgs. Der sich nicht zu blöd war, seine "Geschichtskenntnisse" seinen neuen Aufgaben - ich schätze mal: Medienvertreter einer Investorengruppe am Telekommarkt - anpaßte. Und der Ukraine SELBSTVERSTÄNDLICH eine gelungene Staatsgründung aufs Haupt setzte. Der doch glatt diesen unerträglichen Unsinn in die Runde kotzte, daß die Ukraine "westliche Werte, unsere Werte" vertrete, im Gegensatz zu Rußland.

Womit wir bie der oben genannten Untersuchung zur religiösen Verfaßtheit der Menschen, die sich rund um die großen Ebenen angesiedelt hatten, die von den wilden Reiterscharen beherrscht wurden, die man aber gerne in Kauf nahm, weil es sonst niemanden gab, der das Schwert zur Verteidigung gegen die Tatarenhorden in die Hand nehmen wollte. Was aber sind das für Werte, Herr von Habsburg? Amerikanische Geilizität mit Konsumismusentzücken und dem Grinsen der Volksverblödung, unter Verzicht auf das, was überhaupt erst einen Staat rechtfertigen kann - sittliche, kulturelle, religiöse Höherführung?

Oder wollen Sie allen Ernstes behaupten, daß der Westen, daß Europa FREIE MENSCHEN schafft? Wo wir doch kurz davor stehen, das allmählich sogar noch zu verbieten? Oder wollen Sie behaupten, daß das Rousseausche Maß des Wolhlfühlens das taugliche Kriterium für das Gemeinwohl ist? Oder daß ein Staat nicht berücksichtigen muß, in welchem Raum er sich konstituiert, und dann mit den Bedingungen dieses Raumes EINFACH UMGEHEN UND LEBEN können und können lernen muß? Wobei - wir wissen, daß ihre Vorfahren das tatsächlich schon so zu sehen begonnen haben, als sich die Titanic endgültig zu neigen begann.

Und wo sind sie, die "pausenlosen Lügen", die Putin angeblich aufgetischt habe? Ich meine das ernst - ich würde es gerne wissen, denn ich habe eine Wahrnehmung, die fast das Gegenteilige bemerkt zu haben glaubt - daß Putin es war, der ständig angelogen und hinters Licht geführt werden sollte.

Ohne daß ich je vergäße, daß der Protestantismus eine osteuropäisch-zentralasiatische Frucht ist, nicht nur eine jüdische, die sich dann wie ein unterirdisches Mycel auch durch den Westen gefressen und seine Ideologien genährt hat. Ohne daß ich je vergäße, daß die Völker Osteuropas schon achthunert Jahre lang regelrecht zwangs-erzogen wurden, ein inneres zentralistisches Flußbett anzulegen, mit einem Rechtsempfinden, das eine völlig andere Staats- und Regierungsform braucht, als es die Habsburger achthundert Jahre getragen hat.

Und das nun gewissermaen an seinen Geburtsort zurückkehrt, und die Ukraine in den Universalismus gestoßen hat, in dem genau diese Entwurzelung ihr schreckliches und der menschlichen Natur gegenläufiges Antlitz perfekt inszeniert auslebt. Indem sie 46 Millionen Menschen zu Sklaven westlicher kapitalistischer Interessen macht, zur billigen Werkbank nämlich. Sodaß als Motiv des antirusischen Impulses nun nur noch die Gier bleibt, daß WIR es sein wollen, die die an natürlichen Resourcen so reiche und fruchtbare Ukraine ausplündert, nicht Moskau. Als nächte Reiterhorde, die die Steppe durchbraust, und an sich reißt, was nicht niet- und nagelfest ist.

Da eignet sich die Ukraine doppelt, weil sich für diesen vor kaum einhundert Jahren erfundenen Staat, der nur ein Territorialprinzip kennen kann, kein Personalprinzip, denn das Volk zu diesem Staat gibt es (noch) nicht (und das bildet sich auch nicht in wenigen Wochen oder Jahren, weil es nun von Rußland attackiert wird, das ihm eine Rolle zuweisen will, die dem Westen aber so gar nicht paßt)

Ihrem Vorfahren, dem Wilhelm von Habsburg, ist es jedenfalls 1918 nicht gelungen, genug Substanz zu finden, um aus diesem völkischen Gemengelage in den Großen Ebenen so etwas wie ein Staatsvolk, ein Volk mit Staatswillen zu machen. 

Also sind nun alle möglichen nächsten Kräfte am Werk, der mittlerweile in die Welt gestoßenen Ukraine ein passendes Narrativ und also auch eine passende "Geschichte" an den (noch nicht existierenden) Leib zu schneidern. Als Kleid, in das dann jeder der dort Lebenden und Wohnenden mit der Zeit hineinwachsen muß. Es geht also um einen Mythos, um einen positiven Mythos, der einzigen Quelle, die in Wahrheit einen Staat begründen kann, und der nun auch noch völkerzeugende Kräfte haben muß.
Und an dem bastelt da auch gerne mal ein Habsburg mit, dessen Vater sich schon des einen oder andren mal im Winkelmaß vertan hat, und bringt Vorschläge ein, wie man sich eine schöne Geschichte erfinden kann. Darin haben Habsburger ja immerhin Erfahrung. 
Denn die sind - und das sollten wir nicht aus dem Auge verlieren - vor 800 Jahren vor demselben Problem gestanden, das Problem das genau genommen an der Wiege aller unserer heutigen (!) Länder stand: Wie legitimiere ich eine Herrschaft, die VOR dem Volk da war? WIE ERDFINDE ICH MEINEM STAAT UND MEINER POLITIK EIN VOLK DAZU?
Das ist nicht immer auch wirklich gelungen, und es hat Europa nicht immer zum Besten gereicht, das darf man wohl noch sagen. Sodaß sich dann die Tendenzen, die sich schon bei Otto, Gott hab ihn selig (und bei dessen Begräbnis ich geweint habe, ja, ich gebe es zu) gezeigt haben, in Ihnen offenbar ihren bisher banalen Höhepunkt finden: Schlimmstenfalls gab es ja dann immer noch den aufgeklärten Humanismus der Utopisten, den man dann dem puren Machtpragmatismus als schön verziertes, barockes Häkelhäubchen überziehen konnte. Zahlen, bluten tun ohnehin dann die anderen.

Wie das geht? Hollywood und Silicon Valley, diese Hexenküchen des Hasses auf die Wahrheit, zeigen es. Vielleicht sollten Habsburger also auch mal hinfahren, wie das Kanzlerbubi vor ein paar Jahren, um zu sehen, WO ES HINGEHEN WIRD, und die Direktiven zu empfangen, wie man die Welt und deren Völker und Menschen so richtig weich kriegt, um sie gleitfähig für diese Bahnen zu machen, über die man sie dann schiebt? 

Denn sonst dürfte es an guten, wahrlich guten Visionen ziemlich fehlen. Und das ist im Sinne der Menschen in der Ukraine, die gerade nasgeführt werden und wo sich alle Barbaren der Nomadenzunft der Erde austoben, daß es nur so im Äther rauscht, nicht sehr ermutigend.



Erstellung 25. Mai 2022 - Ein Beitrag zur