Wer nützlich ist darf am Tisch der Barbaren speisen, der Rest hofft unterm Tisch auf ein paar Krumen - Der Verführungskraft dieser Leitlinie ist offenbar auch der derzeitige Herr des Hauses Habsburg erlegen. Als ich Karl von Habsburg unlängst wieder einmal näher zuhörte, denn er gab in Servus TV ein Stelldichein, rollten sich mir nämlich die Zehennägel ein.
Nicht nur, daß Habsburg wirkt, als hätte ihn ein D-Zug vergewaltigt, macht er nun auf wichtiger Unternehmer. Denn er hat irgendwas mit einer Telephonfirma in Kiew zu tun. Wie schön, Habsburgs haben ja immer schon gerne viel geplaudert. Und ein Geschäft ist das allemal, weltweit, in einer Welt, die nach Narrativen lechzt, die ihren geistig verwirrten Zustand des Herumlügens um den logos in ein allherrlich fabuliertes Kostümchen mit Liebesgeschmack zum Aufspeicheln faßt.
Auch dieser Karl scheint in dem Punkt Erfahrung zu haben. Wie wenig sein Persönlichkeitskostüm aber mit Wirklichkeit zu tun hat erkennt man aber an seiner Bereitschaft, eine passende Geschichte gleich mal zu erfinden. Wer schon mit dem Wirklichen geshcmust hat, der kann darauf aber gerne verzichten, denn die Ohrfeige kommt garantiert.
Und noch einer Versuchung ist er erlegen, auch hier hat sich ja schon so mancher Habsburger zu Tode gewichtigt - auch dieser Habsburg hat die Nützlichkeit als Legitimationsquelle entdeckt. Und damit ist er auch endlich wer im Konzert der Zeitgeistquaker, und kann endlich aufhören, die Balladen aus längst vergangenen Tagen - also die Lieder dom Ewigen - zu singen.
Das will heute doch kein Mensch hören, wie soll man da noch ein bissel mehr Telephonminuten verkaufen? In Kiew! Wo doch niemand Ewiges (also Vergangenes) hören will, sondern nur Zukünftiges, nein: Nützliches.
Der heutige Habsburg fährt Motorrad (tut Karl seit seiner Jugend), ist geschieden und wieder liiert, und hat drei Kinder. Nicht acht oder siebzehn. Und den Sinn fürs Pragmatische hat die schon damals sehr gewöhnungsbedürftige Allianz mit deren Mutter aus wenn schon nicht standesgerechten, so wenigstens reichem und nützlichem Haus ja ohnehin schon vor Jahrzehnten bewiesen. Na Hauptsach, mer seint all zerfrieden.
Also Medienunternehmer, fein, in plattgewalzten Ländern, schön, in der Telekommunikationsbranche, gut. Das er das Unternehmerspielen drauf hat, hat Habsburg ja schon als Partizipient an solchen Unternehmen in Bulgarien und Rumänien (glaube ich) bewiesen. Da hat er schon länger seine Finger drin, welche Tasten die auch immer angeschlagen haben mochten, denn so richtig gut lief's da ja auch nicht immer, wenn ich mich recht erinnere.
Aber eine Taste klingt immer ein wenig schief, und genau die schlagen die Habsburgs so oft an, auch jetzt, in der Ukraine, und das ist die des Nationalismus. Ausgerechnet! Dem sie selbst den endgültigen Niedergang zu verdanken haben! Nun finden sie ihn geil.
Man darf über die Gründe spekulieren, warum gerade der Adel es ist, und hier der höhere Adel, der so für transnationale, universalistische, letztlich: ideologische plitische Lösungen eintritt. Denn es könnte recht gut sein, daß diese pragmatische Haltung damit zu tun hat, daß es einen echten, verwurzelten Adel nicht mehr gibt bzw. der gewesene darin keine Rolle mehr spielt.
Und daß es diesem nun vor allem um den (heidnischen) Mythos vom Blut, also um ihre eigenen Brötchen geht. Und NICHT um die Länder, denen sie als Haupt organisch und in Liebe verwachsen sein müßten, um überhaupt als Adel (und letztlich Monarchen) gelten zu können.
Den Hinweis, den Otto von Habsburg zuweilen gab, daß in diesen alten Adelsfamilien die Erziehung zum Regieren quasi genetisch sei, lassen wir nicht gelten. Denn eine Monarchie definiert sich - siehe oben - nicht über Nützlichkeit, nicht über das Funktionieren der Köpfe. sondern über die Strukturen.
Denn im Adel verlegt sich die eigentliche Führungsebene - analog zur Kirche! - ins Geistige, subsistit tatsächlich nur im jeweiligen Träger als Bedingung, nicht als Grund. Und nur dort überlebt es auch, unabhängig, wer nun da oben sitzt und den Kopf durch den Kronreif binden läßt.
Und so erfinden sie auch rasch mal ein tief in der Geschichte und schon immer lebendig gewesen sein sollendes ukrainisches National- und Staatsbildungsgefühl. Ich sehe Karl Habsburg also schon die Wälzer slawischer Ethymologien durchstöbern, und schließlich nachweisen, wie das Ukrainische immer schon zu einem eigenen Volk werden wollte, da haben es die Chazaren noch gerade mal so dahingestolpert, in ihre Synagogen.
Warum aber nur finde ich den Karl von Habsburg in diesem Talk bei Servus TV erstmals, muß ich sagen, sogar richtig widerlich? Weil er glaubt, er müsse sich als nützliches Glied der westlichen Wertegemeinschaft, vulgo EU beweisen? Ja, das muß es sein. Denn Monarchen sind NIE nützlich, und wenn sie nützlich werde, haben sie u. U. sogar das Recht auf ihre Monarchie verspielt.
Hat das der alte Herr Papa, Gott hab ihn selig, nicht gelehrt? Oh, ja, genau, der ist ja auch derselben nützlichen Pan-irgendwas-Hauptsache-Pan-Platitüde so vieler der geschaßten Herrscherhäuser aufgesessen. Und hat sich mit seiner Paneuropa-Krankheit sogar einen schweren Stinkeblock in reinstem Esperanto auf seinen Grabstein gehäufelt. Si ferrant tacentis, regis mansistabantur.
So widerlich ist mir aber diese Nützlichkheitsattitüde, daß ich noch einen weiteren Gedanken, den ich in einem ganz andern Zusammenhang - die Linie hier ist Dempf, Spanien, 16. Jahrhundert, Philipp II., Staats- und vor allem Völkerrecht in Zusammenhang mit dessen Vater, Francesco de Vitoria - eingefangen habe, und auf den Schreibtisch stelle.
Und das ist diese innere Stimme, die mich in all dem Herdenken über einen notwendigen Monarchen immer aber auch gewarnt hat: Was ist, wenn der Monarch ein Arschloch ist? Ein Tyrann? Was dann? Dann ist man der Hölle ja noch mehr ausgeliefert, und der Tyrannenmord kostet gerne mal das (eigene) Blut, wenn der Wechsel dann auch sauberer, glatter und prompter vonstatten geht.
Morgen geht es weiter) Steppenreiter machen ihre Beuteräume menschenleer. Die Herrschaft, die sich ihr Volk erfindet
Erstellung 25. Mai 2022 - Ein Beitrag zur