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Sonntag, 5. Juni 2022

Woran die Familie zerbricht

Eine der fatalen Folgen des Denkens in autonomen, individualistischen "Talenten" und für sich stehenden "fähigkeiten" (als hätte das Tun sein Objekt bereits in sich, und als wäre eine Bewegung, also eine Fertigkeit, nicht primär abstrakt und ohne Ausrichtung auf das Zielobjekt - der Junge, der geschickt in der Handführung ist, kann sowohl hervorragend Schrauben drehen, als auch Tapeten kleben, Madonnen schnitzen und Geschichten formulieren, jeweils dieselben Abstrakta), ist das Zerreißen des familialen Zusammenhalts.

Denn wenn das Kind eine Fähigkeit hat, die von der der Eltern völlig abweichen könnte, ja wahrscheinlich sogar tut - die Kleinkindpädagogik setzt heute bereits bei einer identitätsbefreiten, universalen GLEICHHEIT aller Kinder an, die sich dann "ihren inneren Fähigkeiten gemäß" entwiekeln sollen weil angeblich wollen und können - dann besteht nicht nur kein Anlaß, die Traditionen der Eltern zu übernehmen, also in der Familie, im sozialen Alltag zu LERNEN, also eine Verpflichtung zu einem Tun anzunehmen und vom Rollenvorbild (Vater, Mutter, enges oder weniger enges Familienmitglied), sondern das wird ihn sogar höchstwahrscheinlich BEHINDERN weil, mit psychologischen Zwängen befrachtet, einengen.

Damit fällt die Familie als Schule aus, und zwar eigentlich sogar in jeder Hinsicht. Kein soziales Verhalten ist dann noch sinnvoll darin zu begründen, daß es vom Kind auch übernommen wird. Diese Rolle wird dann einem zufälligen sozialen Verband überlassen, den zwangsweise oder gewoltl mehr und mehr die Schule übernommen hat. Und weil die Schule vom Staat geregelt und mit Inhaltsverpflichtugnen versehen ist - der Staat.

Durch eine immer frühzeitigere Loslösung des Kindes vor allem aus dem zu Anfang noch maßgeblichen Mutter-Kind-Verhältnis (das sich erst allmählich zum Mutter-Vater-Verhältnis ausbaut) wird dem Kind aber auch sein erstes Geborgenheits- und Sicherheitsrefugium genommen, das ein Sympathieverband sein muß. Aus dem erst mit dem Verlaufe seiner Entwicklung nach udn nach um Zweckverbände erweitern darf, die jeweils dann auch vom sozialen Grundverhalten unter Menschen, wie es der Familie entstammt, durchdrungen werden können.

Vor allem aber wirkt sich diese Verlagerung für das Verhältnis zum Vater verheerend aus. Denn dieser verliert sämtliche Aufgaben, und er verliert auch eine wesentliche Sinnbestimmung des eigenen Lebens, die Weitergabe des "nach seinem Ebenbild"-Gemäßen, die Aufrechterhaltung der Kontinuität der Identät, die IM AUSZENVERHÄLTNIS beginnt, weil sich das innere Verhalten auf das Durchhalten des Außen ausrichten muß.

Möglich oder auferlegt wurde dies vor allem durch den Rückschritt in der Arbeitsteilung, wie er eigentlich ganz in der Gründungsstruktur einer Familie, ja darin wiederum zuerst in der Gemeinschaft von Mann und Frau angelegt ist. Wo jeder seine Aufgabe erledigt, die ihm in seiner Individualentwicklung dann auch am förderlichsten ist, weil sie seinen prinzipiellen Anlagen am meisten entspricht,ihn also am spezifischesten entwickeln kann. Und zwar auch, weil im sympathischen Gemüt jene Bereitschaft vorhanden ist, die gewisse Grenzverwischungen zuläßt, um ganz spezifische Härten zu überwinden. 

(Denn auch wenn gewisse Arbeiten für diesen oder jenen, für Mann oder Frau ganz oder eher zu bewältigen sind, so kommt es in komplexen Gesellschaften zu ständigen Abweichungen und Notendigkeiten, abzuweichen. Selbstverständlich ickelt dann der Mann auch mal das Kind, oder wickelt die Frau einen Autoverkauf ab, um es ganz simpel zu machen, ohne daß dies je die Norm wäre, selbst wenn es üblich ist.)

Dennoch ist es NUR diese Arbeitsteiligkeit, die eine ontologisch beide ZUERST umgreifende Gruppenidentität (die als Familienidentität bestehen oder gesetzt sein muß) bewußt machen und festigen kann. Weil so jedes Teil sich durch SEINE Wahrnehmung von Aufgaben in einem unverzichtbaren Teil eines Ganzen - also einem Ganzen zugehörig - erfährt. Und nun kann sich auch das entwickeln, was man heute offenbar am allermeisten vermißt, und das ist die Fähigkeit zur Dankbarkeit.

Aber mehr noch: Erst in dieser Konstelltation wird das soziale Dasein des Kindes realisiert. Indem es auch die Anbindungen und Beziehungen der Kernfamilie mit je größeren sozialen Verbänden wahrzunehmen lernt, und zwar indem es diese Aufgaben von den Eltern lernt und übernimmt. Sodaß das Kind auch zum Repräsentanten der Familie wird (und damit des Vaters als des eigentlichen Form. und Identitätsgebers), und umgekehrt die Solidarität* der Familie ihm gegenüber erfährt, ohne von der sachlichen Verbindlichkeit abweichen zu müssen. 

Nun ist es so, daß die Ehe (und die aus ihr quellende Familie) nicht nur Mittel sondern auch Selbstzweck ist. Das ergibt sich aus der athropologischen Tatsache, daß Mensch sein heißt: MannUNDFrau zu sein. Die Pflicht, die Einheit nach außen, dem anderen gegenüber zu wahren (und somit auch er Gehorsm!) übersteigt also auch die "Richtigkeitsproblematik". (Sie hat ihr Grenze nur in der Naturwidrigkeit, also in der Sünde, und auch dort nur als diese.) 



*Eine identitätslose Solidarität gibt es nur als unsachliche, ideologisierte "Vergemeinung". Also einer amorphen, nicht inividualisierten, ja sogar tabuisierten (ein Aufgreifen könnte ein Zerfallen bedeuten) Persönlichkeitssphäre, die der Einzelne nur schwer bis gar nicht zu seiner eigenen Persönlichkeit machen weil sich wirklich aneignen kann. Auch darin dient sie dann nicht der Entwicklung, sondern der Regression. Damit entstehen Hörigkeiten, und damit entstehen letztlich sogar sklavenartige Verhältnisse.


 
Erstellung 22. Mai 2022 - Ein Beitrag zur