Diskussion bei Tichy |
Und damit beim Ringen, diesem elendigen liberalen Gefasel doch ein paar substantielle Gedanken abzuschwitzen. Nein, erst damit, dieser Substanz, die aus dem Material und nicht aus der "Überlegenheit" der Handelnden kommt, Nahrhaftes abzuschwitzen, sind wir schon beim Thema.
Während sich schon dazau viel sagen ließe, weil an der Freiheit des Künstlers die Natürlichkeit und sohin Gerechtigkeit einer Kultur (und Gesellschaft tritt auch als Zustandbeschreibung einer Kultur auf) einzig und direkt ablesbar ist, sollen nur zwei Punkte kurz herausgegriffen werden.
Der eine ist die Identität des Menschen, beispielhaft am Künstler, die in ihrer Vielschichtigkeit und Rollengebundenheit gut erkennbar gemacht wird. Erst das Ganze, sagt Uwe Tellkamp, sei "der" Mensch, in all seiner Ambivalenz, aber unter verschiedenerlei Masken und Rollen. Die sich nach dem richten, was an ihn herantritt, und wie die Umgebung komponiert ist, in der er sich jeweils und gerade befindet. Der Tellkamp am Schreibtisch ist mit Sicherheit ein anderer als der, der in den Medien als "rechts" etc. verunglimpft wird, und wie er nun bei Tichy sitzt.
Es ist dabei äußerst bedenklich und vielsagend, wenn man heute nicht mehr vom Werk eines Menschen ausgehe, also von den Büchern und Figuren eines Schriftstellers, sondern stets diesen unter bestimmten politischen, ideologischen Aspekten im Blickpunkt habe.
Zum einen, sagen wir dazu, ist das natürlich schon lage in Vorbereitung. Und zwar seit Kant, müßte man eigentlich sagen. Seit der furchtbar wild und offenbar unzähmbar mäandernden Frage, wieweit eine Ausage eines Menschen (Künslters, Philosophen, Wissenschaftlers) von seinem Menschsein überhaupt trennbar ist. Das häufigst anzutreffende Phänomen, das in diesen Zusammenhang auftritt, ist, daß Werk und Aussage eines Menschen grundsätzhlich jeder Objektivität entkleidet sei. Nach dem ziemlich geistesgestörten Motto, daß "jede Wahrheit relativ ist" (was ungefähr eine Aussage ist wie "es gibt kein Weiß, jedes weiß ich ein Gelb"), wird das weitergeleitet zum "Es gibt gar keine Wahrheit." (Woher dann ausgerechnet diese Wahrheit stimmen solle, bleibt dabei ungeklärt.)
Aber das hat auch in der offiziellen Literaturwissenschaft, über die kaum schlecht genug zu sprechen sein müßte, zu der unseligen Entwicklugn geführt, das Werk eine sSchriftstellers völlig vergessen zu machen, und nur noch in Hinblick auf die Autobiographie des Literaten zu deuten, also in jedem Fall als eine werkzeugliche, ideologische Aussage. Denn - der nächste Schwachsinn, der durch diese Landesatmosphären dunstet - alles sei ja Ideologie.
Wie so oft, ist auch hier und in fast allen Dinge nur eines am Werke - etwas, das die Aussagenden von sich selbst kennen, und das Unfreiheit genannt wird. Dieses spielerische, freie Verhältnis - das "Sterben" sohin! - zum Werk, zum Objekt, zu Materie, und also auch zu Figuren, Handlungen, Spielsträngen eines Werkes, ist diesen Menschen unbekannt. Bzw. wollen sie es unbekannt machen, damit ihre eigene böse Absicht unentdeckt bleibe, in der sie ihrem Neid jeden Freiraum gewährt wissen wollen, mit dem Ziel, dem Gott unter ihnen - dem Literaten - das Lebenslicht auszublasen und ihn kleinzustampfen.
Wir aber stellen uns schützend vor eine nächste Aussage, die Uwe Tellkamp und Klaus-Rüdiger Mai so schön herausarbeiten, daß es einem warm ums Herz wird.
Das Werk, sagt Tellkamp, steht ÜBER dem Autor.Es ist wahrer, bestätigt Mai, als der Autor in seinen übrigen Rollen sei. Wenn es eine Wahrhaftigkeit gibt, so ist es deshalb immer nur die, die aus der Liebe zu den Figuren im Werk besteht. Die einen langen Blick verlange, den nur die LIebe ermögliche. Und diese Wahrhaftigkeit bedeutet, die Figur SO darzustellen, wie man sie als Autor "sieht".
Was uns hie rnoch weiter führt, noch viel weiter. Es führt uns zur Erfahrung, die jeder Künstler macht, daßnämlich das Material, das er "in Form" zu bringen versucht, sich jeder Willkür (8n dami tauch jeder Ideologie) widersetzt. Es verlagt ganz harsch das Befolgen seines eigenen Gesetzes.
Führen wir das doch ruhig zusammen mit der Tatsche, daß alles Geschöpfliche - "und Gott sah, daß es gut war" - eie Botschaft vom Sein in sich trägt, die es NICHT wie der Mensch, der irrtumsanfällig, schwach und zur Selbstverfehlung (als Ganzes) verführbar ist, so leicht oft verführbar und auch übertolpelbar, daß die Materie aus sich heraus immer nur iin einer gewissen objektiven Wahrheit seiend sein (existieren) KANN.
Was zwar überhaupt nicht heißt, daß es sich optimal entwickelt - das ist dann ja auch das, was der Schriftsteller als großer Liebender sehen muß: Das Leiden, die Tränen, den Schmerz des gequälten, seiner Selbst beraubten Dinge und Menschen, und die Vorgänge, die dazu führen. Was aber heißt, daß ein wahrhaftiges Darstellen der Zustände immer nur durch Gehorsam und Fügsamkeit dem Objekt gegenüber möglich ist.
Um dann etwas ganz Erstaunliches festzustellen: Daß dieses Material, dieses Objekt, den Schriftsteller (als Künstler) ZIEHT. Es ist dem beobachtenden Ich des Autors weit voraus, unter umständen so weit, daß das Geschriebene eine Klugheit und Wahrheit und Tiefe oiffenbart, deren er Künstler zu "Wachzeiten" (in Rollen, unter Masken) gar nicht in der Lage wäre.
Das macht den Schaffenden - und es geht JEDEM Schaffenen so, nicht nur dem Literaten, dem Komponisten, dem Maler etc. - immer demütig, will er ein Schaffender bleiben. Denn wenn er das nicht tut, dann verstößt er gegen das Grundgesetz der Gnade - der Treue! Wer der Gnade nciht treu ist, wird sie nicht nur verlieren, sondern mehr verlieren als er gerade erhalten hat. Er wird regretieren.
Kein großer Schaffender, vom Literaten bis zum Tischler und Schneider und Arzt, der nicht angesichts der ihn so übersteigenden Begabung, die da im Tun aus seinem Leib und Geist (beides ununterscheidbar, Materia und Forma in einem, also das Analogon zur göttlichen Incarnation, weil Paradies ist "Welt als Sakrament") quillt, kein Schffender also, der sich vom bloßen technischen Ausführen über die völlige Aneignung, das Eindringen in das bearbeitete Material, die darzustellende Figur, sodaß diese paßt wie der Handschuh dem Chirurgen, sodaß einer für den anderen handelt, ununterscheidbar eins, keiner also der diese rein angeleitete, technische Phase übgerwunden hat und zum Schöpferischen vorgedrungen ist, der nicht auf tiefe Demut gefunden hat weil haben muß. Demut und Treue, diese Begabung (zu der es erst nun wurde) auch zu wahren und zu achten und zu schund ützen und zu nähren und pfleglichst zu bewahren, auf daß sie auch in dieser Welt bleibe, und vom Ewigen Geistigen nicht wieder zurückgezogen werde.
Erst muß die Gnade den Menschen christusförmig gemacht haben, gottförmig, dann erst kann der über die Freiheit des Göttlichen verfügen - und schöpferisch sein.
Nur das kann also bewertbar sein - ob das Werk dieses Hereinwehen des Ewigen enthält und bietet. Das Kriterien folgt, die unsere armseligen menschlichen Kriterien ohnendlich übersteigen, von uns also gar nicht gekannt sondern nur bestaunt sein KÖNNEN.
Der Autor aber hängt ohnehin am Kreuz, und sendet uns auf Papier gebannt sein Blut vermischt mit Wasser - als Leben und Erde, Himmel und Erde - welch Blut jemand in einer Schale aufgefangen und uns nun auf den Tisch gestellt hat. Wie sollte der Autor dabei interessant sein? Wenn, dann ist das eine völlig andere Kategorie, niemals die des Werkes.
Stattdessen langweilt uns doch längst dieser stinkende Politappendix namens Kulturbetrieb, der nicht mehr ibn der Lage ist, einem Volk, einer Kultur jene Pro-Forma, jenes Vorbild zu geben, das diese zur eigenen wohlgefüllten Existenz bräuchte.
Wie wußten deshalb die Griechen (beispielhaft sie, es gäbe viele andere zu nennen) von der Zartheit des Verhältnisses zu den Musen, zur Bedeutung und Heiligkeit der Muße als der Zeit deren Begattung und Herniederkunft aus den Himmeln, und wie weiß es erst recht jeder christliche Mensch, der im Künstler exemplarisch wird.
Noch früher aber muß es angesetzt werden, dringt man zum Material alles Materialen durch, zur Form aller Formae, der Sprache, dem Wort. Keine Kunst, die davon unberührt bliebe, kein Mensch, dessen Aufgerufenheit zur Wahrhaftigkeit als Treuer Apostel der Wahrheit in dieser Wahrheit des Materials "Sprache" selbst gründet. Die im Schreiben jedes Textes eine Wahrheit und Weisheit und Tiefe offenbart, die dem Schreibenden, Sprechenden, dem Rhetor selbst überwältigt und (in seinen Augen) weit weit übersteigt. Sodaß er selbst vom Schreibenden eigentlich zum Lesenden wird, der seinen ganzen Leib in die Verfügungskraft der Wahrheit, dem logos, dem Wort hint erallen Wort, gestellt weiß - und staunend liest, was seine Finger da ans Tageslicht fördern.
Wie verrrückt die Zetien sind, die wir erleben, zeigt sich also daran, daß dieses Elementarste alles Schaffens und aller Welt förmlich auf den Kopf gestellt wurde und wird. Denn nun wird das Werk unbedeutend, weil alles Kriterium afu den Hervorbringer angewandet wird, und dort auch dem kritisierten Material gemäß qualifizieren soll - was gut ist, bestimmt die Gottgleichheit des Künstlers. Und wo das nicht der Fall ist (und das ist quasi immer der Fall) weil "auch ein Gott beim Scheißen stinkt", da ist auch das Werk vernachlässigbar und verachtenswert.
Was aber will sich eine Kultur noch erwarten, die gar kein Sakrament mehr kennt? Die Rettung aus sich selbst? Das Herausziehen am eigenen Schopf als allen Sümpfen? Oder - die absurde Selbsterwählung zum alleinige Gott, in dessen Händen nun alles Weltschicksals liegt? Ich vermute, das wird es sein. Wo sollte abre dann eine Demokratie ihre Regeneration herbekommen, wenn sie das einhzige Material, das sie zur Legitimierung heranziehen kann, die Vernunft, also die Sprache, also den logos, unbedeutend wird?
Richtig, und da sind wir letztlich doch zuu einem guten Gesamtende gekommen, zu einer Zusammenführung der Themen: Denn daß die Demokratie der Griechen zu einem Zeitpunkt etabliert wurde, an dem die Kunst in so enormem Ansehen stand, hat nicht nur seine Folgerichtigkeit, sondern gilt als mahnender Anruf an die Zeitgeister des Heute, was wir und denn noch erwarten wollen, wenn die Sprache, das Material in die Bedeutungslosigkeit geschoben wird, während alles von einzelnen Personen zu erwarten sei?
Genau das nennt man nämlich immer schon Diktatur, meinetwegen noch Oligarchie, ja eigentlich, eiogentlic sogar MON-archie, also Ordnung bestimmt von einem Einzelnen, aber ganz sicher nicht Demokratie. Denn so seltsam das klingen mag - Demokratie verlangt, daß das angeblich Herrschende, der Demos, die Gemeinschaft (!), sich als von einer objektiven Wahrheit Beherrschte präsentieren kann. Ein dermaßen utopisches Konzept, daß A. v. Tocqueville es über seine Studien in Amerika als von Menschen defacto unerreichbar erkennen mußte.
Was diese Diskussion dazu beitragen kann, diese Frage zu klären? Ich sage es nüchtern und offen - erschütternd wenig bis nichts, und wenn übger das Nicht-zur-Sprache-Gekommene, ja ist als das was NICHT besprochen wurde fast exakter als im positiven Versuch. Der Liberalismus offenbart sich einmal mehr als substanzlose Veranstaltung, die bestenfalls an einem Schmerzrand herumschlagen kann, ohne wirklich in die Tiefen der Wirklichkeit vorzudringen.
Kann das aber überhaupt gelingen, Freiheit am Beispiel von Nebelworten wie "Demokratie" zu besprechen, und sich dabei von der Sprache überraschen zu lassen? Ist doch die - so und irgendwie - Demokratie selbst eine Ideologie, die jeden Zentimeter nur voranschreitet im Zittern, es möge nicht das Ungeliebte auftreten, das dann sofort totgeschlagen würde. Gibt es etwas Anti-Schriftstellerisches, etwas mehr Anti-Schöpferisches?
Erstellung 27. Juni 2022 - Ein Beitrag zur