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Dienstag, 25. September 2018

Alles ändert sich. Nur nicht Griechenland.

Die Graphik von Agenda Austria ist interessant und zeigt, was mit Griechenland in den letzten Jahrzehnten (und seit seinem EU-Beitritt erst, dem Beitritt zum Euro später) passiert ist. 

Das Schaubild stellt die Entwicklung des BIP pro Kopf im Vergleich zwischen Österreich und Griechenland dar. Nominell hat sich nämlich bis zur Finanzkrise das BIP (als Summe aller Einkommen) in Athen exorbitant stärker entwickelt als in Wien. Aber dieses Wachstum war ausschließlich auf Schuldenpolitik aufgebaut. 

Wo der Staat über seine Ausgabenpolitik - Beamtenlöhne, Staatsaufträge, (leider viel zu wenige) Investitionen, Sozialstaat - das Wirtschaftswachstum wie einen Luftballon aufgeblasen hat. Griechenland wurde zu einem Hochlohnland mit sehr hohem Preisniveau. Denn die Preise paßten sich natürlich an. Aber alles wurde importiert. Denn die Produktion im eigenen Land wurde über die willkürlich hochgetriebenen, von keinem Marktsignal gestörten Löhne zu teuer. Es wurde also immer weniger produziert, das Rentenantrittsalter sank und sank (so daß auch die Arbeitslosenrate "moderat" blieb).  

Warum ist das passiert? Weil es im Inland populär war, mit immer neuen Wohltaten Stimmen zu sammeln, was im übrigen alle Parteien gemacht haben. Der EU-Beitritt, und noch mehr der Beitritt zur Euro-Zone, hat das Land (wie so viele Länder in Europa!) dazu verführt, Wirtschaft über Geldinfusionen aufzublasen. Ohne daß sich ein wirklicher Markt hätte bilden können. Es fehlte einfach an Wirklichkeit!

Dann kamen die Jahre 2007 und 2008, und mit einem Mal wurden die Kreditvergabekriterien schärfer. Griechenland konnte immer schwerer seine Ausgabenpolitik finanzieren, bis es keine Kredite - die wie im Schneeballsystem nur durch immer neue, höhere Kredite "zurückgezahlt" werden konnten - mehr aufnehmen konnte. Auch stiegen die Zinsen, dem Risiko entsprechend. Trotz der "boomenden" Wirtschaft (die das nur auf dem Papier tat) hatte das Land Jahr um Jahr Defizite im Staatshaushalt aufgebaut, die zusätzlich finanziert werden mußten. 

Der Leser möge den Artikel studieren, den der VdZ im Netz fand. Wo der internationale Bankmanager Klaus Kastner die Zustände in Griechenland VOR wie nach dem Zusammenbruch der Zahlungsfähigkeit des Landes beschreibt. Und Gedanken darüber anstellt, was schiefgelaufen ist, und was man hätte besser machen können. Denn gerettet hat man 2011 nicht das Land. Gerettet hat man die Banken, das ist nun einmal so. Indem man gegen den Grundsatz freier Marktwirtschaft verstoßen hat und Geldgeber durch Umwälzung der Kredite auf die Steuerzahler im Norden und Westen Europas aus der Haftung nahm. 

Obwohl sich für Griechenland rein gar nichts dadurch geändert hat. Aber nun ist das Land auf Jahrzehnte in seiner Wirtschaftsdepression festgenagelt, weil das Entschiedende - Strukturveränderungen auch in der Verwaltung, Investitionen in die Wirtschaft und in die Infrastruktur - nicht geschehen ist und nunmehr auch künftig nicht geschehen kann. Denn Griechenland hat dafür schlicht und ergreifend kein Geld, und wird auch keines haben. Die Staatsausgaben sind nach wie vor hoch, die Schulden exorbitant (das Doppelte des jährlichen Bruttoinlandsprodukts BIP), die zu erwartenden Steuereinnahmen niedrig. Denn Griechenland hat heute gerade noch 75 Prozent seines BIP vor dem Staatsbankrott. Die Arbeitslosenrate liegt bei 25 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit bei 50 Prozent. Über 500.000 Griechen haben in den letzten Jahren ihre Heimat verlassen, und es sind die mit der besten Ausbildung, die gehen.

Nach wie vor wird in Griechenland weit mehr importiert als der dortigen Volkswirtschaft gut tut. Wie das geht? Über das neue Verschuldungsinstrument, das vor etlichen Jahren eingeführt wurde und den kryptischen Namen "Target 2" trägt. In diesem System "bezahlen" die Staatsbanken die Unternehmen, "bezahlen" also so die Importe, während diese Schulden in einer Art offenen Bilanz aufgeschrieben werden. So kam Deutschland, der Exportweltmeister, zu einem Forderungsstand gegenüber maroden Staaten, die mittlerweile 1 Billion Euro ausmacht. Und für die der deutsche Steuerzahler über die Deutsche Bundesbank haftet. Umgekehrt haftet der Staat Griechenland für diese Bilanzkredite, ohne daß sich jemand vorstellen kann, wie diese Lieferschulden jemals rückgezahlt (beglichen) werden sollten.

2011, so Kastner, wären die Chancen noch halbwegs gut gestanden, daß Griechenland sich mit den Banken an einen Tisch gesetzt und durch ein Schuldenmoratorium samt befristeter Zinsaussetzung seine Handlungsfähigkeit zurückerhalten hätte. Man hätte Spielraum gehabt, die Verwaltung zu reorganisieren (die maßlos und sinnlos aufgebläht ist), die wuchernden Sozialmaßnahmen rückbauen, und gezielt Investitionsanreize (auch durch befristete Kreditgarantien) für die Unternehmer zu setzen. Vor allem hätte man die Importe (die nur die Inlandsproduktion verdrängt und ersetzt haben) restriktiv behandeln, zurückdrängen, und damit die Nachfrage im Inland befeuern können. Ja, Athen hätte sogar Anschubkredite aufnehmen weil Druck auf die Banken ausüben können: Wenn die nicht zugestimmt hätten, hätten sie eben Kredite abschreiben müssen. Und darüber wären die Eigentümer der Banken sicher nicht glücklich gewesen.

Eventuell hätte Griechenland auch wirklich den Euro verlassen müssen. Der Bankmanager meint freilich, daß das sogar "still" möglich gewesen wäre. Man hätte nur den Euro im Land "wie die Drachme behandeln" müssen. Dem VdZ ist aber nicht ganz klar, wie das gemeint sein könnte. In jedem Fall, da kann auch der VdZ mit, hätte sich Griechenland aus dem Marktfeuer herausnehmen, die Produktivität im Land heben, die eigene Währung somit stabilisieren (also Geld mit Arbeit und Produktion zur Deckung bringen) müssen, ehe es seine Grenzen vorbehaltlos wieder einem internationalen Markt öffnet. Wie es ja der Sinn der EU und vor allem des Euro ist.

Interessant, daß Kastner mit dem rasch zur Legende als "einsamer Kämpfer für die von den bösen Banken Unterdrückten"- die Rede ist von Yanis Varouflakis (der erst in diesen Wochen ein Buch auf den Markt gebracht hat, in dem er sich als Robin Hood präsentiert) - recht nüchtern und damit kritisch umgeht. Denn der hatte ja schon lange vor 2011 von einer Konzentration auf das eigene Land gesprochen, und seine Vorschläge waren ursprünglich auch recht brauchbar. Aber aus einem nicht nachvollziehbaren Grund hatte sich der Mann, kaum daß er Finanzminister war, in den Kopf gesetzt, den Euro zu retten - statt die radikalen Schritte zu setzen, die sein Land gebraucht hätte, und von denen er lange ja immer gesprochen hatte. Damit hat Varouflakis selbst dem Bail-out der Banken die Tore geöffnet, und die Troika, also das Kuratel, unter das Griechenland gestellt ist, ins Land geholt. 

Der ja von Merkel (et al.) immer damit begründet wurde, daß "ein Fall Griechenlands ein Fall des Euro, ein fall des Euro aber ein Fall der EU" wäre. Bis heute ist nicht nachvollziehbar, warum das unausweichlich - "alternativlos" - gewesen sein sollte, erstens. Und zweitens ist das, was heute über Griechenland verhängt ist, nichts anderes als ein zeit- und uraschenverschlepptes Nachholen dessen, was vor etlichen Jahren mit entschlossenem Handeln auch passiert wäre. Denn Griechenlands Jetztzustand wird zwar aus nachvollziehbaren Gründen von eben diesen Politikern Europas als "Erfolg der EU" dargestellt - aber das Land ist im Grund eine Leiche. Und es bleibt ein Rätsel, wie die sich in den nächsten 20, 30 Jahren, ja überhaupt wiederbeleben sollte. 

Hätte man 2011 aber einen anderen Weg gewählt - eben die Banken NICHT aus der Haftung zu lassen! - wäre (über ein Stundungsmoratorium, sagen wir auf 50 Jahre) vermutlich nicht einmal viel abzuschreiben gewesen. Nicht jedenfalls die 200 Milliarden, die seither nach Athen geflossen sind. Und NICHTS, wirklich nichts fundamental geändert haben.

Auch, wenn Athen ab 1. August 2018 keine weiteren "Hilfen" aus Brüsseler Stuben mehr bekommt. Woher aber sollte plötzlich der nun notwendige Jahres-Budgetüberschuß von 3 Prozent in Athen erwirtschaftet werden? Wo doch Griechenland seit seiner Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert (sic!) nicht ein einziges Jahr hatte, bei dem das Staatsbudget solche Überschüsse ausgewiesen hätte? Hat man vergessen, was immer über Athen gesagt wurde? Alles ändert sich - aber Griechenland wird sich nie ändern.




*270818*