Eine der Folgen der Erbsünde ist bzw. war, daß wir die Wirklichkeit nicht mehr direkt (schauend) erfassen. Vielmehr sind wir gezwungen, aus dem Nacheinander von Zuständen eine Wirklichkeit abzuleiten. Und das tun wir auch pausenlos: Wir fassen den Ablauf von Dingen (das hat mit irdischer Zeit als Erlebenskategorie zu tun) letztlich zu jenen statischen Gesamtbildern zusammen, die das sind oder annähernd sind, was wir als Wirklichkeit(sbild) abstrahieren. Aber anders als oft gemeint, ist das kein summarischer Prozeß, sondern einer des Vorentwurfs. Erst aus Vorentwürfen, die verworfen oder erweitert oder verändert werden, gelangen wir zu immer weiteren Wirklichkeitsbildern, die also letztlich alle in einem einzigen Wirklichkeitsbild gründen. Je fundamentaler die Wirklichkeit ist, desto weniger solcher Bilder gibt es also. Bis zum ersten Bild, dem Sinn von Dasein, Welt und Schöpfung überhaupt. Jedes menschliche Erkennen gründet damit also im Gottesbild.
Auf einer dieser sehr elementaren Stufen ist deshalb auch das Schicksal des Menschen angesiedelt. Das heißt die Dynamik, in der der Mensch im Angesicht des Seins selbst steht. In dieser Dynamik ist auch das enthalten, was jeder Mensch fühlt und weiß: Wir werden beurteilt. Das Grundschicksal der Welt hat mit unserem Gut- oder Bösesein zu tun. Und das wiederum ist das Kriterium, wie wir dem Sein selbst (und seiner Schöpfung, dem Seienden, das im Sein steht bzw. vom Sein abhängt - ohne Sein kein Seiendes) stehen, also vor Gott.
Damit sind wir beim wohl größten Schicksalsbild angelangt, das uns Menschen bekannt ist - es findet sich als letztes Buch der Bibel, zuvor aber bereits in vielen Schaubildern vorbereitet, der Apokalypse. Bei der wir meist den fatalen Fehler machen, sie in dieses Nacheinander umzulegen, von dem oben die Rede war. Aber das ist falsch. Vielmehr müssen wir begreifen, daß diese Apokalypse ein in allen Gegenwarten vorhandenes, das Gesamtschicksal des Menschen abrundendes Bild ist. Statt also von einer Apokalypse zu reden, die "morgen oder in drei Jahren kommt", als historisches Ereignis des Nacheinander also, eröffnet sich ein Zugang zu diesem Schicksalsbild erst, wenn wir begreifen, daß wir ständig in einer apokalyptischen Situation stehen!
Zwar können oder müssen wir davon ausgehen, daß es einen historischen Punkt geben wird, an dem diese Erde endet - das Jüngste Gericht - aber dieser Punkt ist auch das Ende jedes Nacheinander, wie wir es heute als "Zeit" kennen. Wann es dazu kommt, ist jedem vorenthalten, selbst dem Sohn Gottes war er unbekannt. Und es ist auch nicht relevant! Nicht, wenn wir sehen, daß wir im Alltag jede Stunde, jede Sekunde, jeden Tag mit einer apokalyptischen Situation zu tun haben: Nämlich dem Kampf um das Reich Gottes, die Kirche, die leuchtende Stadt auf dem Berg, das himmlische Jerusalem. Denn dieses Reich Gottes IST bereits angebrochen, wir müssen nicht mehr darauf warten! Und damit hat sich unser Lebenssinn im tiefsten Grunde erfüllt.
Diese Apokalypse in konkreten historischen Ereignissen festzumachen, sie damit zu identifizieren, ist die unzulässige Erstarrungsbewegung, in der wir ein schematisches, dynamisches Grundbild des Weltschicksals und unseres Lebens fixieren. Mit einem historischen Ereignis identifizieren. Das gibt uns die Illusion, diesen eigentlichsten Fragen um unser Leben auszuweichen, denn zum handfesten Objekt gemacht, ist dieses Schicksal scheinbar bewältigbar, liegt als Bauklotz vor uns, den wir beschnitzen und bewegen können.
Weicht man dieser Tatsache aus, weicht man diesem endzeitlichen Aspekt jedes Atemzuges aus - und wir tun es tendenziell sehr gerne, weil es uns angesichts unseres durch Neigung zur Schwäche ständigen Versagens - entsteht also das, was es immer gab und heute umso mehr gibt. Weil wir uns in einer regelrechten Global-Kultur der Vermeidung des Guten (Seinsverzicht, Seinsverlust, Seinsvergessenheit sind Hilfsworte dazu) befinden.
Als Teil dieser Vermeidungskultur ist also etwas zu beobachten, das aber auch nicht neu ist: Die Fixierung des apokalyptischen Gedankens in bestimmte "erwartete" Ereignisse. War es vor 150 Jahren die Angst vor dem Kometen, bei den Kelten die Angst daß uns der Himmel auf den Kopf fallen wird, so sind es heute laufend gelieferte, vorgestellte Endzeitkatastrophen. Die sich im Klima- und Ökologiewahn (die geistige, bildhafte, erstarrte Konstrukte im obigen Sinn sind) zu einer ziemlich umfassenden Theorie zusammengefaßt haben. Aber nicht einmal das ist neu. Es zeigt sich nur eben in zeitgemäßen Gestalten, in Gestalten, die aus Elementen zusammengesetzt sind, mit denen wir eben heute zu tun haben, die Teil des Gegenwartskonstrukts sind, die wir als Bilder- und Wahrnehmungslandschaften und -rahmen zur Verfügung haben. Die durchaus ein historisches, sich also mit der Zeit veränderndes Gepräge haben.
Alle diese Ereignisse haben ein ihnen zugrundeliegendes - aber außerhalb der irdischen Zeit stehendes, gewissermaßen abstrakt-ewiges - Schema, eine Matrix sozusagen: Sie sind Ersatzbilder für ein inneres Geschehen, das als Vermeidung des Seins Grundneigung jedes Menschen ist. Und sich als Angst vor dem Ende sozusagen äußert. Wie in einer Theatervorführung (oder deren vielen) werden diese Grundschemata in immer neuen Varianten auf die Bühne gehoben und abgespielt. Immer wieder und wieder. Und wenn eines davon abgegriffen, erledigt ist, kommt ein nächstes.
Morgen Teil 2)
*030818*