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Sonntag, 9. September 2018

Zerrüttung unserer Fundamente

Was das größte Problem unserer Kultur ist? Es drückt sich in einer immer umfassenderen Verkennung der Menschen aus. Damit ist gar nicht so sehr das Verkennen von Größe gemeint, die nicht geachtet wird, sondern vor allem das Vollstellen des Raumes mit Figuren, die dort nicht hingehören und DADURCH das kulturelle Mosaik scheinbar füllen, aber nur zum Scheingebilde machen.

Der heutige Mensch ist nicht mehr in der Lage - die Zusammenhänge sind mannigfaltig, aber eindeutig - der Wirklichkeit im Geiste zu begegnen und damit ihre Herausforderungen, ihre Anfragen zu beantworten. Er ist nicht mehr in der Lage, die Gestalten zu erblicken, die immer Wirklichkeiten (also zugleich Forderungen nach Ort und daraus Beziehungen, und daraus: Raum) hinter den Dingen sind.

Diese Tatsache hängt direkt mit einem gesellschaftspolitischen Vorgang zusammen, der sich auf die geistig-seelischen Grundlagen der Menschen verheerend ausgewirkt hat - es geht um die Verhütung beim sexuellen Akt, um das Auseinanderreißen der Ganzheit der körperlichen Begegnung in subjektiv empfundene Sexualität und Empfängnis. 

Damit rauben sich die Menschen gegenseitig ihr Mann- und Frausein, als ihre grundlegende Identität, die erst als Vater und Mutter real wird. Aus dieser Auflösung der Identität ist in direkter Weise die Auflösung der Geschlechtsidentitäten erwachsen, in der wir die Folgen dieser Mentalität als gesellschaftliche Allgemeinstimmung erleben. Die in den 1960er-Jahren allgegenwärtig und durch die Stärkung des subjektiven erotischen Erlebens durch die sexuelle Revolution (die diese sterile körperliche Agenda zur eigen beständigen Kraft aufgebaut hat) und nach und nach begonnen hat, unsere geistige Verfaßtheit zu erschüttern. Weil das Grundverständnis der Welt angegriffen wurde, aus dem alle weiteren Verwirrungen, wie wir sie heute erleben, erfolgt sind.

Denn diese Spaltung unserer ersten Fundamente - "als Mann und Frau schuf er ihn", schuf Gott den Menschen "nach seinem Abbilde" - setzt sich in alle weiteren Momente unseres Daseins fort. So daß wir im wahrsten Sinn des Wortes zu einer schizophrenen Gesellschaft wurden. Schizophren in seinem eigentlichen Sinn, der nämlich bedeutet, daß der Mensch keine Basis mehr findet, auf der er wirklich zu stehen kommt und die ihn ins Ich durch das Selbst eint.

Daraus erfolgt zwangsläufig eine psychogene Fehlbeurteilung jedes anderen Menschen in der Begegnung. Die Begegnung spricht keine Identität mehr zu, sie wird volatil, ja mehr noch: Aus der folgenden Unsicherheit wird der andere zur Gefährdung des eigenen Selbst, der eigenen Identität in der Welt. Aus dem Logos gerissen, der in der ersten Begegnung Adams mit Eva in aller Tiefe erkennbar wird ("Fleisch von meinem Fleisch, Bein von meinem Bein"), beginnt dem Menschen der Boden unter den Füßen zu verschwimmen. Das zeigt sich in der Verflüchtigung sämtlicher Begriffe, die zu reinen Wortkonstrukten wurden, aber die Wirklichkeit nicht mehr zu tragen, zu bergen vermögen. Mit einem Wort: Das Liturgische des menschlichen Lebens hat sich zu einem Schattentheater verflüchtigt, das niemandem mehr Halt gibt, weil die Ordnung der Welt (Logos) nicht mehr in sich trägt.

Selbst die heute manchmal zu beobachtende scheinbare Reaktion - in der Gegenwehr gegen den Genderismus - ist keine adäquate Gegenbewegung, weil sie bereits aus dieser Dichotomie unseres Menschseins (der Spaltung in Welt und Geist, in Leib und Wort) erstanden ist und selbst eine voluntaristische, also rein bewußt-willentliche Denkbewegung ist. Die nicht mehr dem Sein folgt, sondern selbst bereits dieses Sein in das Scheintheater rationaler Gestalt - in die Pseudologie also - auflöst. So daß auch das "richtige Verhalten" zu einem Rollenspiel nach Drehbuch wird, dem es an der entscheidenden Lebendigkeit, der Offenheit der Gestalt des Logos, fehlt.

Man greift nicht zu weit, wenn man deshalb sagt, daß diese allumfassende, allseitige Verkennung, die für jeden Menschen die vielleicht größte Verwundung darstellt, weil sie bereits an den Fersen ansetzt, als Strafe Gottes gesehen wird. Weil sie ein Gefängnis darstellt, aus dem es kein Entkommen, weil keine direkte Antwort gibt. Was sich darin anzeigt, daß heute Fragen der Identität von einer ungeheuren Aggressivität begleitet werden, an deren Beginn wir freilich erst stehen.






*170818*