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Montag, 3. September 2018

Warum der Erzbischof alles erzählte (2)

Teil 2) Übertragung eines Berichts auf OnePeterFive, in dem der italienische Journalist und Publizist Aldo Maria Valli darstellt, wie und warum ihn Erzbischof Viganò kontaktierte, um seinen Skandal-Bericht über Zustände in Vatikan und Weltkirche an die Öffentlichkeit zu geben.


Wie mir Erzbischof Viganò seine Erinnerungen übergab. Und warum ich mich entschied, sie zu veröffentlichen.  

Übertragung in die deutsche Sprache von Eberhard J. Ambrosius Wagner
Fortsetzung von gestern

Es verging mehr als ein Monat, da rief er mich wieder an. Die Frage war die gleiche wie beim ersten Mal: "Können wir uns treffen?"

"Ja natürlich! Wollen Sie wieder zu mir nach Hause kommen?" Aber ich warnte ihn, denn dieses Mal würde eine weitere Tochter anwesend sein, meine älteste, und außerdem deren beide Söhne, meine beiden Enkelkinder.
"Das macht mir nichts," sagt Viganò. "Wichtig ist nur, daß wir an einem bestimmten Punkt einen Ort haben, wo wir unter vier Augen sprechen können. Nur Sie und ich."
Und also kam Seine Exzellenz, der frühere Nuntius in den Vereinigten Staaten, neuerlich in mein Heim. Man könnte fast meinen, er war darüber glücklich, bei dieser großen, ein wenig wilden Familie sein zu können. An einem bestimmten Zeitpunkt läutete sein Handy. Es war ein Video-Anruf aus den USA. Sein Neffe. "Oh, es tut mir leid, Onkel, ich wollte Dich nicht stören." Viganò lächelt amüsiert und zeigt über sein Handy die ganze Meute, die sich um den Tisch versammelt hatte, einschließlich meiner Enkel. "Welch wunderbare Gesellschaft!" meinte sein Neffe. Und dann wendet Viganò sich an mich. "Ich möchte diese Gelegenheit nützen um Ihnen zu sagen, daß ich großen Respekt vor Ihnen habe."

Die Spannung hat sich vollständig aufgelöst. Unser drei Jahre alter Enkel schwirrt rund um den Erzbischof und nennt ihn Carlo Maria. Viganò quittiert dies mit einem Lächeln, und es sieht fast so aus, als vergäße er für einen Augenblick alle seine Sorgen. 
Aber wieder, nachdem er den Tischsegen gesprochen hatte, wird er zum überströmenden Fluß. So viele Geschichten, so viele Situationen, so viele Namen. Aber dieses Mal konzentriert er sich mehr auf seine Jahre in Amerika. Er spricht über den Fall McCarrick, den Ex-Kardinal, der dafür bekannt ist, daß er sich unablässig der ernsthaftesten Mißbräuche schuldig gemacht hat, und Viganò macht klar, daß jeder, sowohl in den USA wie auch im Vatikan, davon wußte. Und zwar schon lange, und zwar schon viele Jahre. Aber alle haben es vertuscht. 
Ich frage: "Wirklich alle?"

Mit einem Kopfnicken bestätigt der Erzbischof. Ja, wirklich alle.

Ich möchte andere Fragen stellen, aber es fällt mir gar nicht leicht, mich damit zwischen den ununterbrochenen Strom von Daten, Memoranden, Treffen, Namen einzuschieben.

Der Kern der Sache ist, daß Papst Franziskus es auch wußte, behauptet Viganò. Und trotzdem hat er McCarrick gestattet, ungestört herumzureisen und sich über die Sanktionen, die Benedict XVI. über ihn verhängt hatte, lustig zu machen. Franziskus wußte zumindest seit März 2013 davon, als Viganò selber es ihm sagte, als er während eines Vieraugengesprächs auf eine entsprechende Frage des Papstes antwortete. Er teilte ihm mit, daß es im Vatikan ein dickes Dossier über McCarrick gibt, das er unbedingt lesen sollte.
Bei allem Respekt vor unserer derzeitigen Begegnung, aber es gibt doch eine neue Entwicklung hinsichtlich der Entdeckungen, die durch eine Untersuchung des Obersten Gerichts in Pennsylvania ans Tageslicht kamen. Viganò bestätigt, daß das Bild, das durch diese Entdeckungen entstanden ist, korrekt ist. Die sexuellen Mißbräuche sind ein Phänomen, das extensiver ist, als sich das irgendjemand vorstellen kann. Aber es ist falsch, von Pädophilie zu sprechen, denn in der überwältigenden Mehrheit der Fälle geht es um homosexuelle Priester, die jungen Männern nachstellten. Es ist deshalb zutreffender, meint der Erzbischof, von Ephebophilia (die Liebe zu adoleszenten Männern im Alter von 15-19 Jahren, Anm.) zu sprechen, wenn schon. Aber der Hauptpunkt ist, daß das Netz der Mittäterschaft, des Schweigens, des Vertuschens und der wechselseitigen Gefallen sich schon so weit ausgedehnt hat, daß es jeder Beschreibung spottet. Und alle sind darin verwickelt, selbst in höchsten Kreisen der Hierarchie, sowohl in Amerika als auch in Rom.

Neuerlich sitzen wir da und sind schockiert. Klar, schon durch meine Arbeit hatten wir eine schlimme Ahnung, daß es so etwas gibt. Dennoch ist es für Katholiken wie uns, die im Schoß der Mutter Kirche geboren und aufgewachsen sind, schwer, solche Happen zu verdauen. 

Deshalb fällt mir auch nur eine höchst naive Frage ein: "Warum?"
Die Antwort des Erzbischofs läßt mir das Blut in den Adern gefrieren. "Weil die Risse, von denen Paul VI. sprach, durch die der Rauch Satans in das Haus Gottes eingedrungen sind, zu Abgründen geworden sind. Der Teufel macht Überstunden. Das nicht zur Kenntnis zu nehmen, unser Gesicht davon abzuwenden, wäre unsere größte Sünde."
Ich bemerke, daß wir noch nicht einen Moment hatten, wo wir alleine sprechen konnten, von Angesicht zu Angesicht, wie es der Erzbischof ja gewünscht hatte. Er hat vor uns allen gesprochen. Ich frage ihn, ob wir in ein anderes Zimmer gehen sollen, um ohne meine Frau, ohne die Töchter, die Enkel zu sprechen. Aber er verneint das. Es ist schon gut so wie es ist. Es ist selbstverständlich, daß wir genau so diskret sind wie er es ist. Für uns ist das alles ja als würden wir unserem Großvater zuhören, der uns Geschichten von fernen Welten erzählt, und irgendwie wünschen wir uns, daß der Punkt kommt an dem er sagt, daß das alles nicht eine erfundene Geschichte ist. Aber zum Gegenteil. Die Welt von der er spricht ist tatsächlich unsere Welt. Er spricht von unserer Kirche. Er spricht von unseren obersten Hirten.
Freilich bleibt noch eine grundlegende Frage - warum erzählt uns der Erzbischof das alles? Was will er von mir?
Dieses Mal komme ich mit meiner Frage durch. Auf die er antwortet. Er hat ein Memorandum verfaßt, in welchem er alle Details zu dem anführt, was wir bei unserem letzten Treffen angesprochen hatten - einschließlich des Treffens mit dem Papst vom 23. Juni 2013. Als er, Viganò, Franziskus über das Dossier von McCarrick informiert hatte.
"Und nun?"
"Und nun," sagt er zu mir gewandt, "wenn Sie mir gestatten, dann würde ich Ihnen dieses Memorandum gerne aushändigen. Es belegt, daß der Papst alles wußte, aber nichts unternahm. So daß Sie, wenn Sie sich ein eigenes Urteil darüber gebildet haben, es auf ihrem Blog veröffentlichen können, oder nicht, wie Sie möchten. So daß es von vielen gelesen werden kann. Ich möchte dabei, daß Sie eines wissen: Ich mache das nicht mit leichtem Herzen. Aber ich glaube, daß es der einzige Versuch ist, der mir noch bleibt, einen Kurswechsel, eine authentische Umkehr zu bewirken."
"Ich verstehe. Und Sie werden es nur mir geben?"
"Nein, ich werde es noch einem anderen Blogger in Italien geben, einem in England, einem in Amerika, und einem in Kanada. Es wird ins Englische und Spanische übersetzt werden."
Neuerlich bittet mich der Erzbischof nicht um Vertraulichkeit, ich begreife, daß er mir vertraut. Wir stimmen darin überein, als er nachfragt, daß wir uns wieder treffen werden, und dann wird er mir dieses Memorandum übergeben. 
Nach ein paar Tagen ruft er auch zurück, und wir verabreden uns. Ich werde diesmal aber nicht sagen, wo wir uns trafen, denn ich habe ihm diesbezüglich mein Wort gegeben.


Morgen Teil 3)



*290818*