Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 7. September 2018

Die Antwort ist doch viel einfacher (2)

**Kleiner Exkurs über das Zerreißen von Zusammenhängen im Sozialstaat Österreich

Das gilt zumindest für Österreich, wo diese Werdeprozesse ganz klar nachvollziehbar sind. Für Deutschland gab es diese Solidarleistung nur in höchst eingeschränkter Form, wie der VdZ den Klagen seiner Schwester, die nach Berlin geheiratet hatte und dort Kinder gebar, entnahm. Es wurde erst in den letzten Jahrzehnten in vergleichbarer Höhe eingeführt. Aber es steht zu vermuten: Aus gleichen Überlegungen wie in Österreich. Nur gab es in Deutschland das nicht, was in Österreich "Sozialpartnerschaft" genannt wurde. 

Die war ein permanentes Gremium, in dem sich sämtliche Volksschichten und Interessensgruppierungen zusammensetzten und Konsens suchten. Sodaß zu vermuten steht, daß die Entscheidungsfindung in Deutschland mehr den politischen Parteienprozessen unterlag und deshalb in diesem Punkt länger brauchte. Wobei die Einkommen in Deutschland weit höher lagen, zumindest damals, während die Preise deutlich niedriger waren, die Deutschen also dennoch besser lebten als die Österreicher. Das blieb noch bis in die 1990er Jahren so. 

Zum Zeitpunkt der Einführung des Kindergelds in der Alpenrepublik freilich, so unmittelbar nach dem Krieg, hatten die Gewerkschaften noch nicht die spätere revolutionierende Absicht, und alle Seiten wollten nur eines: Eine funktionierende Republik aufbauen. Zur revolutionierenden Macht wurden sie erst allmählich von den Sozialisten aufgebaut, die die Gewerkschaften über die Staatsbetriebe als Instrument begriffen, Wahlen zu gewinnen. Was 1971 endgültig gelang. Ab da wurde Österreich ein sozialistischer Staat, der eine "freie Wirtschaft" nur insofern duldete weil benützte, um seine Politik zu bezahlen und vor allem für die Schulden zu bürgen, die nun aufgebaut wurden.

Aber auch Österreich hatte seine Wende. Denn ungefähr zeitgleich mit dem Mauerfall in Berlin brach auch in Wien vieles auf. Was sich heute die meisten nicht mehr vorstellen können: Bis in die späten 1980er Jahre regelte diese (sozialistisch dominierte) Sozialpartnerschaft wie eine Schattenregierung sogar einen guten Teil der Marktpreise, zumindest für Waren des alltäglichen Bedarfs. (Stichwort "Paritätische Preiskommission") Manche meinen, daß diese Sozialpartnerschaft mehr Macht hatte als die Regierung, so daß letzten Endes nur die sozialistisch dominierten Gewerkschaften die heimliche Regierung waren. Was definitiv erst Ende der 1990er sein Ende fand, als die Gewerkschaft ihren Streikfonds über die damals noch in ihrem Eigentum befindliche, nun in den Bankrott gerutschte Bank BAWAG verspekuliert hatte. 

Freilich, diese Sozialpartnerschaft besteht prinzipiell bis heute, aber sie spielt eine deutlich geringere Rolle. Auch, weil viele Staatsbetriebe privatisiert wurden. Bis zu dem Zeitpunkt war der Staat Österreich für ein gutes Drittel der Arbeitnehmer sogar Arbeitgeber! Über das Ausmaß der Verfilzungen Politik und Wirtschaft in Österreich heute kann man nur noch spekulieren, es hat sich gewiß manches verändert. Oder haben die Oligarchen die Gewerkschaften nur ersetzt?




*110818*