Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 5. Juni 2020

Als wir noch die Hände schüttelten (3)

Der Druck "von unten" war sicher kaum noch zu ertragen. Also hat die mannsfeste Regierung Kurz nachgegeben. Und nur deshalb hat die rein in Zahlen ausgedrückt gewiß nicht als Massenphänomen gelten zu sehende Innung der Tanzschulen durchgesetzt, daß die österreichischen Tanzschulen ab 15. Mai wieder öffnen dürfen. Freilich, nur unter Einhaltung strenger "Hygienestandards", und vor allem: Unter Einhaltung der Abstandsregel. Mundschutz sowieso, davon muß man gar nicht reden. 

Also bieten die Tanzschulen getrenntes Programm: Einmal Tanzkurse, wo beide Partner (seltsam, daß Tanz heute nur noch zwei oder gar einen Beteiligten kennt, nein, schade: Denn es gab mal eine Zeit, und es gibt auch heute noch Tänze und Kulturkreise mit solchen Choreographien, wo weit mehr Personen involviert sind, und ihre Rolle zu spielen haben).

Und dann Tanzkurse für Paare, die zusammenleben, also sozusagen "ein Paar" sind, damit nämlich als "Haushalt" gelten. Der immer schon aus jeder Abstandsregel ausgenommen war. Das ist ja der Grund, warum Familien seit je der "größte Herd" der Ansteckung waren, je abgesperrter, desto mehr sogar. Wir haben aber brav gelernt: Die Regierung hat immer Recht. Denn sie tut alles nach streng rationalen Maßstäben. Leider paßt zwar die Rationalität sehr oft nicht in dieselbe Schachtel. Aber mein Gott, tritt man sie halt hinein. So wie jeder sicher schon mal zu viel Inhalt in zu wenig Koffer gestopft hat.

Also gut. Tanzen die Singles halt Zumba und TschaTschaTscha und Twist, unter Auslassung mancher Figuren und unter Frustration des massivsten Motivs hinter dem Besuch einer Tanzschule - DER Partnerbörse schlechthin - weil immer mit einem Meter dazwischen. Während die Ehepaare (und bescheinigten Lebenspartner) endlich wieder Tango, Walzer und vor allem den L'Amour-Hatscher* aufwärmen können.


*"Hatschen"=österr.; schlaffen, schlurfenden Schritts oder generell ungemessen gehen, deshalb auch situationsbezogen in der Bedeutung von hinken oder mit Behinderung, aber schlicht auch einfach langsam gehen, wo es sich mit "owizahn" ("herunterziehen") zu überschneiden beginnt, was aber mehr willensbetont zu verstehen ist. Weshalb ein "owizahter L'Amour-Hatscher" zu den schlimmsten Erscheinungen auf der Tanzfläche zählt, weil schon recht wenig Begeisterung der Tanzpartner füreinander zum Ausdruck bringt. Was nicht unbedingt schöne Anblicke auf der Tanzfläche bietet, weshalb arrivierte Tanzschulen gewissen Wert auf den "erotischen Faktor" (eros, der Gott des Lockens und Anziehens) legen.

Der "L'Amour-Hatscher" selbst gehört zu den bekanntesten österreichischen Volkstänzen. Im berühmt-berüchtigten fünf-Vierterl-Takt (in manchen Gebieten des Alpenlandes auch ausgeweitet auf sieben- oder acht-Vierterl) gelingt er in seiner schleifenden, eleganten wie anschmiegsamen Rhythmik besonders gut, und kann meist zu jedem Musikstück getanzt werden, das einen gewissen Anspruch an Sentiment und Liebesrausch (und gewisser körperlicher Bedürfnisse einer hier aus Gründen der Diskretion nicht weiter spezifizierten Art) erfüllt. Als Beispiele seien hier die Grundmelodien von "I'm just a lonely boy" oder "Only You" angeführt, aber auch zu "Je t'aime" wird er gerne getanzt, was sich aber eher nur für Fortgeschrittene eignet.



*150520*