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Freitag, 26. Juni 2020

Nein, die Ideologiesuppe eß ich nicht (1)

Dieses kurze Video von Martin Sellner (das vor Widersprüchen strotzt, aber dennoch, ja genau deshalb - um die Wahrheit nämlich zu verschleiern - von einer klaren Linie getragen wird) soll hier deshalb positioniert werden, weil es ganz deutlich zeigt, wie sich die "Neue Rechte" verfranzt hat. Und in einem positivistischen, idealistischen und voluntaristischen Staats- und Volksbegriff landet, der nur auf eine Weise aufrecht zu halten ist, in der das menschliche Denken und Anschauen grundsätzlich zur Ideologie erklärt bzw. als solche gesehen wird. 

Dieser Grundsatz ist nicht neu, und er ist weit verbreitet, denn er ist Teil eines Menschenbildes, also einer Anthropologie, die bei Descartes begann - Cogito ergo sum - Ich denke, also bin ich - in der Aufklärung seine Blüte fand, und heute Teil des allgemeinen Narrativs geworden ist. Der Mensch sei nur, was er bewußt denke. 

Somit gibt es keine Substanz, die das Menschsein ausmacht, in der das Denken, das Bewußtsein (von dem überhaupt zu sagen, was es sei, einmal jemandem wirklich gelingen möge!) und die permanente Aktualisierung gewisser Gedankenstränge und -inhalte das Menschsein ausmacht. Etwas, das darüber hinaus geht oder dem Menschsein so vorausgeht, daß es unabhängig von seinen Gedanken und Sprachaktualisierungen Mensch sei, einfach durch sein Da- und Sosein, gibt es da nicht mehr. 

Diese Haltung führt direkt in die Eugenik, mit ihren Hörnern der Euthanasie und Abtreibung. Denn ab hier gibt es ein Menschsein, das von seiner Leistung abhängt. Vom Maß der Bewußtseins-Aktualisierung. 

Die aus anderer, umfassenderer Sicht eine Neurotisierung ist. Letztlich ist die Forderung dieser Gruppen also der Ruf nach einer Neurotisierung der Menschen. Nach einem Leben in einer Zweitwirklichkeit, die ständig am Tablett zu tragen, ständig auf Zunge und im Gehirn zu wälzen Notwendigkeit zu vollem Menschsein ist. Wo das nicht der Fall ist, jemand "nicht diese Gedanken denkt", ist er auch nicht mehr Mensch. 

Natürlich ist das diesen Leuten nicht bewußt, was hier in einem Sinn gemeint ist, daß sie diesen Gedanken nicht denken, nicht gedacht haben, oder gar nicht denken können. Denn Denken ist eine Emanation eines menschlichen Daseins, das von vielerlei Umständen abhängt, in keinem Fall aber das ausmacht, was Menschsein überhaupt ist.

Es hat vielmehr mit den Bedingungen seiner Existenz zu tun (wo also Marx durchaus und in gewissem Rahmen Recht hat, wenn er sagt, daß das Bewußtsein das Sein schafft), und ist wie ein Instrument vorstellbar, das je nach Aufgabe in einer Beziehung, in der der Mensch steht (denn menschliches So- und Dasein ist immer ein Stehen an einem Ort, der wiederum in zahllosen Beziehungen auf unterschiedlichsten Ebenen steht) aktiviert und präsent ("bewußt") wird oder nicht. 

Die wahre Denkaufgabe leistet, wenn man es besser begreifen will, der Mensch als Ganzes. In seiner Leiblichkeit, und in seinem Kontakt zum logos der Welt selbst. Also jener grammatikalischen Struktur, die alles Weltsein trägt und durchgeprägt hat, von der es mehr aber noch: stammt. Denn diese Struktur fußt in den Ideen des absoluten Geistes, und das heißt in Gott. Somit kann man sich den Menschen, der über seine Sinne mit diesem fleischlichen Logos (in allen Dingen, in allem Seienden) in permanenter Verbindung steht, der ihm gewissermaßen ständig logos "zuflüstert".

Mosebach umschreibt diesen Aspekt des Menschseins in seinem herrlichen Theaterstück "Rotkäppchen und der Wolf" mit einem Gleichnis: Wie ein Fisch, der im Wasser ist, den dieses Wasser lückenlos und permanent umschließt, und ohne das er nicht leben kann. Das heißt, daß der Mensch in seinem ganzheitlichen Sosein, Mensch als untrennbare, nicht auseinander denkbare Leib-Geist-Verbindung, mit der Welt auf all ihren Ebenen in Verbindung steht. 

Die auf eine Weise aufeinander wirkt, daß das Sein aller Dinge, das auf je unterschiedlichen Ebenen spricht, und zwar permanent spricht, sich dem je anderen mitteilt. Dieser nimmt es auf, und auf eine Weise auf (das ist das Wesen des Erkenntnisvorgangs), daß er von ihm durchformt wird. Was sich in der Konsumation Gottes in der Heiligsten Eucharistie, im durch ein Wunder in seiner Substanz umgewandelten Brotes, am großartigsten und vollkommensten ausdrückt. 

Die sinnliche Teilhabe an der Welt ist es also, die über Prägungsvorgänge jenen Boden, jenes Reservoir des Sprechens bildet, dessen sich im Wort, in der Sprache frei zu bedienen der Mensch als einziges Lebewesen fähig ist. Aus diesem Reservoir, das als fleischliche Formung Welt und präsent ist, schöpft der Mensch den Geist, der auf eine Weise in, immer aber hinter oder unter allen Dingen steht oder liegt. Somit ist das fleischliche Existieren dem geistigen Existieren auf eine Weise voraus. Es ist vom Menschsein nicht zu trennen. Auch wer nie gesprochen hätte, dem also nie etwas bewußt geworden wäre (wie in gewisser Weise bei manchen geistig Behinderten der Fall), der wäre und ist dennoch ganzer Mensch.

Zurück aber zu Sellner und seiner Klage, es wäre ein Skandal, wenn nun von einem "deutschen Volk" nur unter Anführungszeichen gesprochen würde. Diesem Herrn ist offenbar nicht klar, woher dieser Begriff überhaupt kommt. Er ist eine künstliche Schöpfung, die von Personen angestiftet (sozusagen) wurde, die selbst gar kein Volk mehr hatten. Deren Volksein also nur noch eine Idee gewesen war - und das sind die Preußen. Diese waren es auch, die sämtliche - und jetzt kommt's - DEUTSCHEN VÖLKER unter die Ägide EINES STAATES gestellt haben.

Weil diese Gründung in einer Idee aber nur denselben Personentypen zugängig (weil nützlich) war, den Entwurzelten, Volklosen, also den modernen Kapitalisten, um es simpel zu machen, weil es aber den eigentlichen deutschen Völkern (und deren gibt es viele, viele; von "deutsch" kann man sohin nur sprechen, weil diese Völker gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen, unter anderem den Kern der Sprache, die man als "germanisch" bezeichnen könnte) gar nicht verständlich war, was diese idealistischen Preußen (als jene, die diesen Gedanken einer alle Völker einbegreifenden Ordnungsidee hatten) da wollten, mußte auch dieses Deutschland, wie wir es grosso modo heute sehen, als REICH organisiert werden. 

Warum? Weil nicht die Staats-, sondern nur die Reichsidee in der Lage ist, die Organizität Volk-Staat zu integrieren. So, wie es im Jahre 800 durch Karl den Großen geschah, der wiederum das Römische Reich (das auf demselben Gedanken beruhte) wiederbelebte. Als alle Völker einende und befrieden sollende Idee. 
Was ein "deutsches Volk" also sein soll, das müßte Herr Sellner einmal erklären. Es einfach auf einen "Staat Deutschland" zu beziehen ist nicht nur zu einfach gemacht, sondern bräuchte die Aufklärung über den Hintergrund, der einer solchen Ideen-Grundlage innewohnt.

Morgen Teil 2) Das Handwerk der Selbstentfremdung 
als lügenhaftes Konzept der Identität



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