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Dienstag, 7. September 2021

Gedankensplitter (1091)

Am Schaufenster des zeitgeistigen "Kulturpresso" prangt die Aufschrift "Do more of what makes You happy", unter dem dann die Symbole von Facebook und drei weiteren Plattformen kleben, die ich aber nicht kenne.

Je freier alles in den letzten Jahrzehnten wurde, desto dichter, desto verzweifelter wurden die Sprüche, die als klug oder weise angesehen werden, die davon sprechen, das Glück sei als allererstes zu suchen, ja wichtiger als alles sonst. Vor allem - jede Bindung, das heißt jede Tradition als das Übernommene, Übergebene ablehnen. Das etwas ist, dem man sich fügen muß, um es im Wesen zu erhalten, denn Liebe, die ein Wollen des Wohls des anderen ist, ist als Liebe zum Wesen die Voraussetzung zum Bestand aller Dinge. 

Die Realität aber hat etwas anderes gezeigt. Wo immer ich hinsehe, sehe ich zerbrochenes Leben, Unglück, Trauer, Leid und verwundete Herzen, das im Gleichklang mit Bindungslosigkeit steht. 
Glück ist kein Lebensziel, das ist der Irrtum. Je mehr man danach greift, desto weiter zieht es sich sogar zurück. Glück ist etwas, das aus anderem herauswächst. Direkt kann man es nicht ansteuern. 
Das Seltsame ist sogar, daß es nicht einmal eine Überlegung gewesen ist, wenn es denn eintritt. Sondern nach einer Zeit kam, in der man Aufgaben und Pflichten, ja Kämpfen eingebunden war, und in dem man etwas ganz anderes erfüllt hat: Sinn. Und Sinn hat mit dem Gefühl von Glück nichts zu tun. 
Man hat mir oft unterstellt, ich hätte das Glück gesucht (und dann gefunden), indem ich getan habe, was ich getan habe. Daß man es mir ab und an zu neiden schien, war für mich umso befremdlicher, als ich diese Aussage immer als Unterstellung, ja als Verleumdung angesehen habe. 

Denn auch wenn man es mir nicht glauben mag, so habe ich nie etwas gemacht, weil ich "glücklich" werden wollte, sondern weil ich einen Sinn erfüllen wollte, den ich als mir aufgetragen erlebt habe. Die Unruhe, wenn sie denn eintrat, etwas zu verändern, kam nie aus einem "Glück wollen", sondern aus der durch Unglück angezeigten Unzutreffendheit meines Lebens mit dessen Aufgabe und Sinn. Aber es war nicht die Entscheidung FÜR etwas, sodaß die Geschehnisse etwas Schicksalhaftes hatten.

Zumindest war es lange so, hat sich mit der Zeit aber nach und nach verändert. Das Nicht-Passende wurde weniger, wie Leitplanken, die aus einer einst weiten Ferne von beiden Seiten näher und näher kamen, um auf einen immer engeren Wegstreifen zusammenlaufen, bis die Leitplanken der eigenen Kontur parallel laufen. 
Glück ist kein Aufweis von Wahrheit, Unglücksgefühle keiner von Irrtum. Dennoch wird "Glück" als Argument verwendet, das überhaupt die Grundlage eines Menschen.
Alles Trennen, Aufgeben zuvor war aber nie eine aktive Tat durch mich. Ich habe nur nachvollzogen, oft genug gezwungenermaßen Dinge getan, oder nur in dem sich auferlegenden Rahmen noch "gestaltet." Das Trennen und Aufgeben habe ich immer als Beraubung, als Diebstahl und - oft genug bösartige - Gewalt an mir erlebt, denn ich war den Bindungen gehorsam, solange die Kraft reichte. Nicht nur das, habe ich Bindungen sogar über diese Trennungen hinaus aufrechterhalten, obwohl sie nicht mehr zu erfüllen waren, mir aber manch hartes Joch auferlegt haben, von dem ich mich nicht mehr befreien konnte.

Die Reden allerdings, die dies der Suche nach Glück zuschreiben, haben dennoch nicht aufgehört. Das erfahrene Leid war offenbar niemandem genug. Und die Fähigkeit, die schöpferische Kraft und Treue, in der ich immer wieder mit Gottes Hilfe ein Leben schaffen konnte, in dem ich in stetigem Versuch alles zu finden und abzulegen, das mich am Gehorsam hindert, weiter dem Weg zur Sinnerfüllung  zu folgen, wird sogar zum Zeugnis dafür gedeutet, daß mir Zurückgebliebene - die eigentlich immer Abgewichene waren, sodaß die Trennung immer die Trennung der anderen war, die mich aber nicht dazu bewegen konnten, ihnen und nicht meinem fernen Stern zu folgen - durch meine Schuld das Glück, daß sie doch haben sollten, nicht erreicht haben. Oder nehmen ihr Glück (?) als Ausweis dafür, daß sie im Recht (gewesen) wären.
Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von glücklichen Tagen (J. W. v. Goethe)
Diese Hilfe Gottes war sogar der notwendige Ausweis der Anbindung meines Lebens an Seinen Willen. Denn nur den habe ich gesucht. Weil ich wußte und glaube und immer bestätigt gesehen habe, daß nur ein Leben in diesem seinem Willen den Sinn meines Lebens erfüllen kann. Die Frage nach dem Glück ist irrelevant, auch wenn ich immer wieder Glück erfahren habe, und mich sogar als glücklichen Menschen bezeichne.  

Was das aber sein soll, Dinge zu tun, die "mich glücklich machen", wozu der Spruch ermuntern will, weiß ich auch an diesem heutigen Tag nicht. Wo ich vor dem Straßencafé sitze, dem Stadtfest anläßlich des 100jährigen Volksentscheids der Soproner zum Verbleib bei Ungarn, und den Spruch im Schaufenster lese: Tue mehr von den Dingen, die Dich glücklich machen. Nachdem ich einige Notizen gemacht habe, stehe ich auf, und gehe nach Hause. 

Und ärgere mich ein wenig, daß ich für ein Cola 1000 Forint gezahlt habe, nur weil Fritz am Etikett steht. Von dem (mir fällt es erst jetzt auf) ebenfalls ein Glücksversprechen winkt, wenn man eine Lebensweise pflegt, die das regelmäßige Konsumieren dieses Getränks offenbar einschließt weil offenbar auf eine wohl nicht nur mir rational nicht nachvollziehbare Weise damit zu tun hat: Frieden Freiheit Demokratie - Du hast die Wahl. 
Also, werter Leser, welches von den drei Dingen würde er wählen? Oder bleibt er gar beim Fritz, diese geheime vierte Wahl?
Noch nie ist mir so deutlich geworden, wie sehr und wie leicht die Menschen völlig verschwommenen Begriffen nachjagen, einfach weil sie es irgendwie mit Glück verbinden. Sodaß ihr Hinaustreten in die Welt, ihr Tun, ihr Laufen, ihr Reden, ihr Denken zu einer sinnlosen Jagd wird, einerseits, und anderseits ihr ganzes Mühen und Trachten dann nur noch die Aufgabe hat, anderen (und deshalb: sich! denn das "Denken des Denkens" IST ein "anderer") das zu verbergen. 

QR Stern und Fritz
Als ich dann, um sicherzugehen, danach bei DuckDuck nachschlage ist die erste Nachricht, die mir entgegenspringt, eine aus 2016. Die davon berichtet, daß sich die beiden Gründer, die als Paar (wir vermuten wohl beide in dieselbe Richtung, werter Leser, was damit gemeint ist, und warum Fritz Kola von den Medien so rasch zu einem Kult-Produkt erklärt wurde) glücklich vom Logo lächeln, getrennt haben. Und zwar so getrennt, daß einer der beiden nach 14 Jahren die Firma verläßt und vorerst einmal, so der Stern, "reist". Immerhin stünden sie, so einer der beiden im Zitat des Magazins, "am Bergfest
ihres Lebens". Da überlege man schon einmal, ob man nicht etwas Neues mache. 


Er macht sich offenbar erneut auf die Suche nach dem Glück. Seltsam, daß man es anstrebt, aber nicht bewahren kann. Oder sucht der Aussteiger der beiden doch etwas anderes?



*180821*