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Samstag, 4. September 2021

Virale Betrachtungen (3)

Die Weltrettung, die eine Selbstrettung ist, ist ein Ersatzleben ohne Opfer. Das war gemeint, als in Fatima von der "Abschaffung des Opfers" gesprochen wurde: Die Verkleinbürgerlichung selbst des Kultes, die ihn abschaffen will, weil er ihrem (Un-)Geist widerspricht. Denn nichts ist großzügiger, verschwenderischer, nutzloser als der Altar. 

Durch den Kleinbürger. Der die Gegenwart in der Hoffnung spart, in der Zukunft zu leben, ist im Wesen a-religiös. Es ist eine Prüfliste, die durchzugehen einen selbst examiniert: Ist man einer? Ist man keiner? Oder, was uns wohl alle betrifft: Ist man AUCH einer? - Ihre Kleinbürgerlichkeit zeigen alle diese Bewegtheiten (denn Bewegungen, wie behauptet, sind viele ja gar nicht: Ohne ständiges Anstoßen bleibt das allermeiste sofort stehen) durch die Maßlosigkeit. Die sie mit dem Emporkömmling teilen. Während jener aber mit Gütern um sich wirft, um die Weite seiner Grenzen zu zeigen, die er selbst nicht einmal kennt, haben die Kleinbürger Angst, zu früh an ihre zu stoßen. Deshalb zielen sie zwar auf Unendlichkeit - was immer sie tun ist Maßstab für die ganze Welt, und sollte auch die ganze Welt prägen, und den Himmel obendrein - haben aber Angst, daß sie früher austrocknen. 

Deshalb sparen sie, uferlos, deshalb "können sie alles brauchen". Aber der Mensch des Schöpferischen, der der Mensch des Opfers ist, gibt "obwohl er es brauchen kann". Während die Tat der Nächstenliebe genau dort beginnt: In der Gabe "weil er es brauchen kann." Am besten also beides kombiniert: Geben, OBWOHL ich es auch brauchen könnte.

Das Leben, zu dem man den Mut gar nicht hat, wird dafür auf die Zukunft geschoben. Erst wird die Welt oder die (die ganze? ja, die ganze) Umwelt gerettet - denn was nützt das Leben, wenn es nichts gibt wo man ... usw. - oder erst die Arbeit auch noch, dieses Haus auch noch, und auch noch dieser Garten. Erst wird der Müll getrennt (jetzt? ja, jetzt) und der Teller blankgeleckt und der Topf mit dem Geizhals bia suf den letzten Tropfen "genützt", denn "wozu hat man denn"?

Etwas nicht zu tun, obwohl man es könnte, etwas nicht zu konsumieren, obwohl man es hätte, ist aber der Beginn des Religiösen. Der "Rest am Teller", mit welcher Metapher man das zusammenfassen könnte, ist dann das Opfer für die Götter, ist das Opfer für die Ahnen, von dem sie somit im wahrsten (geistigen) Sinn "mitessen" können (denn mein Opfer kommt ihnen zugut)

Man gibt sein Leben aus der Hand, OBWOHL man das hätte, das es "sichern" könnte, und gibt sich so in die Hand der Götter. Erst damit macht man das Tor der Welt auf zum Himmel, zum Jenseitigen, Geistigen, sattelt dem Engel das Pferd. 

Es ist das hier zuletzt als "Leben der offenen Wunde" Beschriebene, es ist der Verzicht auf den letzten Ziegel am Dach, sodaß es nach wie vor reinregnen könnte - weil man ihn von den Göttern möchte, sie deshalb erst einlädt, sich in der Welt einzuhausen. Erst durch das Opfer wird Platz für sie, das Opfer umzirkelt ihnen somit Raum, indem er dem menschlichen Rechnen und Planen die Tür zum Unendlichen aufmacht.

Auch der Gesundheitsminister, pikanterweise ein Parteiglied der Grünen (ebenso wie der Präsident der Donaurepublik, übrigens auch der ein Kettenraucher, der allerdings gewiß keinen E-Scooter mehr benutzt, sondern sich lieber - einhändig - an einer Flasche Toskana-Roten festhält und so seine Wege steuert) schädigt also auf gräßlichste Weise die Welt. Und gibt damit (was ihm überhaupt nicht zu verzeihen ist) ein furchtbares Beispiel.

Und so viel Wissen, überall, man erschaudert vor Ehrfurcht. Was gut ist, was schlecht ist, was alles zugleich immer ein "was besser ist" bedeutet. Nicht anders als das Wissen, was schadet, was nützt, und alles so sicher, und so neu, und so wissenschaftlich obendrein, von Autoritäten garantiert gewissermaßen. Autoritäten? Alte, weise Frauen, natürlich von noch älteren neidischen Männern genozidartig ausgerottet, oder von verlorenem Wissen überhäufte (sanfte) Männer früherer Aeonen tun es auch, vor allem in Fragen dessen, was fürs Leben gut ist und was nicht, was heilt und was kränkt, was aufbaut und was tötet, was vergiftet und was befreit. Hauptsache vergessen, Hauptsache von der tumben Masse ungewußt, aber zu wissen.

Aber auch an denen kleben die Schalenreste der embryonalen Lebensverweigerungswindel, die das Wahre-Gute-Schöne zwischen drei und fünf am Kalender haben, die Kindern Grenzen setzen, nur mit Holztraktoren spielen lassen, die mit garantiert giftfreien, pastelligen Farben bemalt sind, und am Wochenende Familienkonferenz halten, weil man allen eine gesunde Psyche schuldet. Die wissen, daß man nur mit Sicherheitsgurt fahren sollte, weil es statistisch gesehen sicherer ist und hunderte (andere) Leben rettet, während man die paar Opfer, die WEGEN der Gurte sterben, ruhig ignorieren kann. Die ihr Leben mit Dingen eingerichtet haben, die sie wissen, wissen und wissen. Und natürlich auch an Gott glauben. Denn zeigt nicht die Wissenschaft sogar, daß Menschen mit Glauben länger leben, und im Winter weniger frieren? Sodaß eine gewisse Konservativität - gerade recht, nicht zu viel, nicht zu wenig - doch die bessere Wahl ist.

Und hier halten wir inne, halten wir still, beenden jeden Furor. Denn nun können wir noch mehr an dieser Kontur des Schreckens aus unserer eigenen Erinnerung absehen, wie sie sich aus dem Kleinbürgertum aufgebaut hat. (Und wo sie an uns klebt wie müffeliger Kleber.) Das in diesem "bis ins Letzte konsequent sein" genau dem widerspricht, was wir oben als "Rest am Teller" bezeichnet haben. Es bleibt kein Raum mehr für die Götter. Götter stören jede Kalkulation.

Aber, werte Leser, was wir daraus lernen sollten, ist anders, und es ist viel viel mehr. Wir sollten endlich begreifen, daß es in unserer Hand liegt, diese Welt zu retten, diese Welt ökologischer, grüner, freundlicher und vor allem geordneter zu machen.**** Wir sollten endlich lernen, daß die größte Erfüllung eines sinnvollen Lebens in einer Kleinbürgerlichkeit liegt, an deren Gestalt die vereinten Weltretter aller Länder mit aller Kraft arbeiten. Auf daß diese Welt nicht nur grüner, sondern moralischer werde. Und hier sollten wir aufeinander achtgeben, sollten wir uns daran erinnern, wo wir unser Verhalten ändern sollten, um nicht mehr alles mit Gift zu durchseuchen, um jeden Regenwurm und jeden Zitronenfalter und jeden Waschbären in eine Welt zu begleiten, die ihm zulächelt.

Dann, wenn alles gut ist, dann wenn alles sauber ist, dann wenn niemand - und darum geht es vor allem - etwas unsauber macht, DANN, werte Leser, wird jene Zeit anbrechen, in der wir alle glüclich sind. In der nichts mehr stinkt und nichts mehr qualmt, in der niemand mehr gesundheitsschädigende Gewohnheiten kultiviert (der Mann im Fernsehen hat es ja vorgezeigt: Man KANN aufhören zu rauchen, und daraus dann sogar jene Tugend machen, die man braucht, wenn man der Welt vorschreibt, daß sie aufhören muß mit dem Rauchen) 

Und wo schon gar niemand mehr die Allgemeinheit gefährdend einhändig auf seinem weltrettenden E-Scooter am Straßenverkehr teilnimmt, und an der Kreuzung seinen NOCHT QUALMENDEN Tschickstummel mirnixdirnix auf die Straße wirft. Von wo er durch den nächsten Regen ins Abwassersystem der Stadt (und damit einer ganz großen Allgemeinheit) geschwemmt wird, und die 4.000 Gifte, die er enthält, ihr gräßliches Handwerk erledigen.

Von so einer Welt träumen wir doch gerne, oder? Frage an den Leser: War das auch jene Welt, die er sich - siehe oben - vorgestellt hat? Wenn nicht: Worin unterscheiden sich diese Welten?

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Übrigens: Die Beliebtheitswerte des österreichischen Gesundheitsministers sind in der letzten Woche, als der "Tschickskandal" bekannt wurde, um vier Prozentpunkte gefallen. Experten fragen sich nun: Bestehen da Zusammenhänge mit dem Tschick-Skandal? Genieße der Leser die geballte Stoßkraft der Logorrhoe.

Daß sich da niemand schämt. Das zeigt, wo wir leben: Es fehlt der Bezugspunkt, der Vergleichsmaßstab in dieser Kleinbürgerlichkeit, die jede Grenze des Erträglichen überschritten hat, weil darin die Dummheit, diese Zwillingsschwester/-in der Häßlichkeit, zur Norm wird.

Anmerkungen

*200821*