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Sonntag, 26. September 2021

Gedankensplitter (1332)

In einem längeren Artikel stellt DIE WELT das Ergebnis von Studien vor, in denen 2021 die psychische Situation von Studenten während Corona untersucht wurde. Betitelt wurde der Artikel übrigens mit "Seelisches Trümmerfeld". Die Ergebnisse, so zitiert die Zeitung die Studienergebnisse, seien alarmierend. Zeigt sich die seelische Situation ohnehin aller jungen Menschen mit außerordentlicher Schieflage hin zu pathologischen Werten, ist sie unter Studenten (nimmt man die Heidelberger Studenten für alle) besonders schlimm. Dort werden ganze DREI VIERTEL mit Erscheinungen diagnostiziert, die eindeutig pathologische Bereiche erreichen.

Als aussagekräftigsten Wert sehe ich aber einen anderen. Den mit 2 (zwei) Prozent. Und das ist der Anteil unter den Studenten, die die Maßnahmen der Politik ablehnen. Auch wenn ich keine solcher Werte für geeignet (und schon gar nicht für "wissenschaftlich") halte (denn sie sind mit Gewißheit nicht reproduzierbar), um absolute Aussagen zu treffen (die Fragestellungen sind eigentlich immer semantisch extrem vielfältig zu interpretieren), sodaß sie also höchstens Stimmungsbarometer, Trendanzeiger sind (aus besagten Gründen; aber Stimmungen, gut, die kann man so ermitteln), so halte ich Zusammenhänge zwischen diesen beiden Trends für mehr als wahrscheinlich (und das sagt der Hausverstand, kein "Meßergebnis", ich hätte es also eigentlich schon vorher sagen können, nun nehme ich einfach eine "Studie" her, um das zu "belegen").

Wissen Sie, werter Leser, was von den Studenten angegeben wird, was sie am meisten deprimiert? Nicht der Umstand, daß sie soziale Kontakte einschränken müssen, oder Zukunftsängste. Das alles auch, ja, aber das, was die Studenten am meisten stört wird von ihnen so angegeben, daß sie das Gefühl haben, daß die Politik sie "nicht hört", nicht auf sie eingeht. Sie haben zunehmend das Gefühl, so die Studienautoren, nicht ausreichend berücksichtigt zu werden.

Wollen wir böse sein? Und das in einem Erwartungsbild begründet sehen, das Studierende vor sich her tragen, und in dem sie sich elitär und einfach so wichtig sehen, daß man (auf) sie hören müßte?

Deckt sich das nicht generell mit der Grundhaltung der Aufklärung, in der sich die "durch Bildung=Gewußtes Gescheiten und Klugen" nicht einfach nur als überlegen sehen, sondern sich in einer (ersatzreligiös-gnostischen) Haltung als "Propheten und Führer eines neuen Paradieses", als Erlösergestalten sehen? Deren Paradies sogar einen realen Ort kennt - Amerika.

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QR Stuht und Ganser
Es wird immer unerträglicher ... Höre ein Gespräch zwischen Kai Stuht und Daniele Ganser. Dasselbe Gefühl wie unlängst bei Roland Düringer und Gunnar Kaiser. Auch im privaten Rahmen, ständig ständig ständig, es wird immer ärger: Die Menschen reden nur noch um sich, dem anderen und der Welt zu beweisen, daß SIE GUT SIND, und kommt es zu einem Disput hat man es nur noch mit einem Gegenüber zu tun, das sich als BESSER darstellen will. 

Was gut? Was besser? Na die besseren Menschen, genau in dieser Verschwommenheit einer kaum definierbaren Moral, die trieft von Werten aus dem Katalog der Weltdinge. Und egal, von welcher Seite, egal aus welcher Weltanschauungsecke, die Krankheit ist der Schorf am Kollektiv. Am ganzen.

Wobei es innerhalb dessen selbstverständlich auch die schlauere Version gibt, in der der andere einem beweist, daß man SCHLECHTER ist. Als er, natürlich, aber das sagt man nicht dazu, das wäre unelegant.

Nirgendwo noch Sachlichkeit, Nüchternheit. Nirgendwo vor allem Distanz zu sich selbst - also: Gestorbenheit. Und alle halten sich dabei für so unendlich weise, und bescheiden, und klug, und erfahren, und voller Weltgeläufigkeit und Menschenkenntnis, halt einfach ... gut. Was für Quatscherei. Werter Leser, wenn er irgendwo jemanden von "Bewußtsein" zu reden anfangen hört, nehme er die Füße unter den Arm - es wird bitter. Stuht, der jeden Augenblick die Technik der Erlösungslehre des Buddha dem Zuschauer näherbringt, übertrifft hier Ganser sogar noch, der die Menschheitsfamilie als Generalmantra entdeckt hat, die durch Energie verbunden ist, indem er von "intuitivem Bewußtsein" spricht. 

Oh, pardon, natürlich, ich vergaß - ein paar Bücher haben sie natürlich auch gelesen, ihre Aussagen sind dann noch mit hochwissenschaftlichen Erkenntnissen dekoriert, und natürlich, natürlich muß alles völlig gewaltfrei sein. Ein Zustand, den wir physisch schon erreicht haben, klar, die Lehrer haben früher die Schüler geschlagen, das ist weg, Gottseidank, aber jetzt fehlt noch die verbale Gewaltfreiheit, damit Hitler und Gandhi in die Menschheitsfamilie dürfen. Denn nur die Tat soll man verurteilen, den Katalog der schlechten Taten hat er in der Gesäßtasche. Drum liebt auch Merkel und Drosten, werte Leser. Sicher, Merkel kann man nicht mit Hitler vergleichen, aber ohne Gesellschaft wäre Hitler nicht möglich gewesen. Aber richtig unschlagbar werden sie, wenn sie in die Tiefen der Psychologie gehen. Das Vorspiel dazu, daß es dann echt wissenschaftlich wird.

Schade, daß sie kein Bewußtsein davon haben, wie lächerlich sie sind. Dann könnte es so wunderbar heiter werden. Aber stattdessen zu erleben, wie Flachdümpelei aber zum "wahrlich Elitären" gehoben wird, macht nicht nur fassungslos staunen, sondern die Flüche auf die leichte Zugängigkeit zur Medienbeschickung sind kaum noch zu unterdrücken. 
Es macht nämlich auch Angst. Denn es gibt kein Vakuum der Substanzlosigkeit. Jede Leere des Seins wird sofort gefüllt. Was wird aber kommen, um solch ein Vakuum auszufüllen? Wie groß wird das sein, werter Leser? Denn groß - groß wird es sein. 
Wollen wir uns vorerst darauf einigen, daß wir eines nicht machen: Uns selber so ernst nehmen wie es die Menschen heute tun. Ich bin geneigt den Schnellschuß aus der Hüfte abzugeben, daß das der Ursprung allen Übels ist - sich selbst ernst nehmen. Wollen wir einen Pakt schließen? Den Pakt der "blamiere Dich täglich"-Idioten. Ohne Mut zur Blamage kann nämlich niemand seine Rolle auf der Bühne des Lebens spielen.

Denn es wird immer unerträglicher. Und man überlegt nur noch, wo ein Zipfel in dieser Welt bleibt, in den man fliehen könnte. Denn es fehlt die Luft zum Atmen. Wie ich sie gerade im Café erlebt habe. Als mich die Kellnerin völlig frank ansprach. Vom ersten Augenblick an schoß ein Gespräch in einer Freiheit hoch, in der sich die Lungen nach der Höhenluft blähten, die uns umgab als wäre sie immer dagewesen. Dabei ging es lediglich um Alltäglichkeiten, in die sich aber sogar Persönliches einmischen konnte, das keinen Augenblick vor Angst zitterte, und in dem kein Wort zuviel war.


*100921*