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Sonntag, 19. September 2021

Fingerübung (2)

Auf der Suche nach einem "neuen Schreiben". Verdammnis und Seele. Von der Geburt, von der Acedia, und von der Hölle - (Siehe Einschub "Zur schriftstellerischen Arbeit 2") Weil der Mensch Abbild Gottes ist, kann man auch von ihm auf seinen Schöpfer schließen, wenngleich der Mensch auch nur indirekt von Gott erzählt, eben als Analogie. Und das heißt, daß wir uns aus dem Gesagten vorstellen können, wie es "für Gott" ist: So muß es also Gott gehen. Während wir Menschen es nur "hintereinander" können. Aber Gott, der reine Geist, der Geist nicht "hat", sondern IST, ist alles zugleich gegenwärtig, sodaß er über seine (geschaffenen) Geister (die Engel) alles zugleich und parallel "betreibt". Die Maß und Form ihres Handelns wiederum aus dem Geist - Gott - beziehen. 

So schafft Gott unendlich und ununterbrochen. (Was unbedingt! erfordert, zu begreifen, daß es für Gott unsere Denk- und Erkennensbedingungen, das Hintereinander, die Zeit also, nicht gibt. Gott, das Sein, ist zeitlos.) Weil er im Schaffen auch erhält. Es ist ja der gleiche Akt, wenn auch nicht derselbe - schaffen (ex nihilo, also aus dem Nichts) und erhalten. Man muß aber sogar begreifen lernen, daß das Erhalten der Schöpfung, dieses Wollen (als Liebe, ein und dasselbe: nur wer liebt will, und wer will liebt, ich will hier gar nicht erst "das Gute" hinzufügen, es ist dem Akt immanent), daß Dinge sind und bleiben, ein und derselbe schöpferische Akt sind. Der NUR EINMAL freilich begonnen hat weil haben muß, denn die Schöpfung ist aus sich heraus endlich, wir sehen es täglich, sie ist nicht aus sich heraus ewig, wenn auch auf Ewigkeit angelegt. Und dieses Initium war, als Gott die Schöpfung ins Leben rief, wie die Genesis berichtet.

Wenngleich wiederum ... in der Person Jesus (mit dem Vater und dem Hl. Geist EIN Gott, so ähnlich vorstellbar wie sich "Der Mensch" in sieben Milliarden Menschen - Personen, also für sich stehend - splittet aufteilt) dieses Schaffen, diese Schöpfung seit je und immer schon in Gott da waren. Weil Jesus als Gott ohne Anfang, also immer schon - also im Unendlichen (und das ist nun wirklich unbegreifliches Geheimnis für den Menschen) - als göttliche Person des Sohnes war. Und in ihm die Dimension der Schöpfung, die Welt, der Kosmos, als FORM da war und ist. Sodaß alles, was Welt und Kosmos ist, aus und (über die Teilhabe, deshalb NUR) in ihm ist. 

"Da" war ist jedoch schon gar nicht mehr sagbar. Es soll damit nur darauf verwiesen werden, daß in Jesus auch die Schöpfung da war und ist. Denn Jesus IST diese Dimension der (in der Schöpfung seienden) Inkarnation Gottes, IST das Fleisch, IST der Mensch, und in diesem die gesamte Schöpfung. Denn die Wirklichkeit als Ort, als Beziehungsdynamik, als "einfache" Form, ist jeder Käfer, jedes Maiglöckchen, jeder Donarhirsch in Jesus und damit in der Gesamtdynamik des Menschen "enthalten."

Sodaß das Erkennen des Menschen ein Herausgreifen aus dem Insgesamt ist, dessen "Lernen" (auch Jesus mußte, weil er Gott UND ganz Mensch war, lernen - Siehe Anmerkungen und Einschübe: "Was wäre Jesus heute") ein "Lernen" des historisch-relativen Spezifizierens ist. In dem sich das große Ganze, das der Mensch "ist", in einer diminuierten Form zum Einzelnen spezifiziert - als Käfer, als Maiglöckchen, als Donarhirsch.

Das ist also bereits das Gute selbst: Ein Ding schaffend und damit schaffen wollen und erhalten. Das Böse ist mit dem Willen der Liebe nicht vergleichbar "als/ein Wille", ja es ist sogar die Abwesenheit von Liebe. Kann man sich das Böse nicht so vorstellen - und man nehme dazu einen wirklich bösen Menschen! der ist ruhig, alles was er tut ist wie selbstverständlich und auf eine Weise klar - daß es das bloße Abwenden vom Sein (=Gott) ist?

Wie viele Menschen werden (das "weiß" ich recht sicher) einfach in die Hölle gehen, weil sie sich NICHT ZU-gewandt, sondern einfach ABgewandt haben. Wie viele, weil sie einfach das Schöpferische abgelehnt haben, wenngleich (meist sogar) "viel gemacht" haben. 

Man nennt das übrigens Acedia, die christliche Seelen- und damit Tugendlehre kennt es gut. Es gab Zeitalter wie das späte Mittelalter, also das Zeitalter, in dem diese Kultur in ihrer Höhe kollabiert ist; seither ist ihre Geschichte nur noch ein Kampf gegen den Zerfall, in denen sie die Herzen und Köpfe der Denker und Heiligen massiv bewegt hat. Der Hl. Bonaventura, ein Franziskaner, hat schließlich eines seiner Hauptwerke genau dazu verfaßt.

Das Tun ohne dieses (im Sterben) öffnende Zulassen des schöpferisch-liebenden Willens Gottes (der in diesem Akt des Todes "kommt", so er denn will) ist eben sehr sehr leicht. Nicht aber das Schaffen, selbst wenn es durch viele mit der Zeit entstehende Haltungen (man nennt das dann Tugend, oder Tugendgrad) unterstützt wird, verlangt es immer wieder eine gewisse Anstrengung. Denn das Sterben IST anstrengend. 

Interessant, daß viele Menschen heute ein ganz gegenteiliges Bild davon haben. Sie rechnen nicht mit dem Schmerz des Sterbens, wo im Nachlassen der körperlichen Kräfte der Leib die Seele gewissermaßen "im Stich läßt", einfach so "zurückläßt". 

Sodaß sich die Seele immer weniger bis schließlich gar nicht mehr helfen kann. Denn sie kann nicht mehr handeln, sie kann nicht mehr an sich selbst arbeiten, ja sie kann sich nicht mehr durch das Handeln (als Schritt in die Maschine der Geschichte hinein, als Maschine der Läuterung im Handeln, diesem Zerriebenwerden zwischen den Seins-Steinen der Welt, in der man steht) reinigen. Denn nun, ganz Geist geworden, steht sie dem Geist selbst - Gott, das Sein - gegenüber. 

Und plötzlich wird, was an der Seele durch die leibliche Arbeit nicht besteht, als "Loch", als Wunde, als Mangel vor diesem Sein, das die Wahrheit ist. Und plötzlich schmerzt es wie verrückt.

Denken wir an den Phantomschmerz, von dem Betroffene berichten - ungefähr so ist das vorzustellen. Menschen, die Amputationen erlitten haben, berichten von diesem Schmerz des Abwesenden. Das in seiner geistig-seelischen Form weiter, aber nicht mehr als inkarnierter (nur in/als Fleisch seiender) Leib besteht. Sodaß nicht mehr leiblich (dinglich) daran "gearbeitet" werden kann.  

Morgen Teil 3 der Fingerübungen) Dante sah sie ziemlich ähnlich, die Hölle. Das ist möglich, weil sie nicht primär ein "Glaubensgegenstand" ist, sondern weil das Böse in seinem Sein aus der Vernunft ableitbar "vorgestellt" werden kann. Das belegt sich schon daraus, daß wir im Jahre 2021 zu Schlüssen kommen, die sich mit den Bildern Dantes vor 700 Jahren decken. Das Böse ist aber kein Wollen. Es ist der Raum - weil Raum die Folge von Beziehung ist (weshalb die Hölle auch als "Ort" bezeichnet werden kann, wenn man "Ort" so versteht, wie es hier längst eingeführt worden ist) - der Absenz des Wollens, eine Richtung, die man nicht einschlägt, sondern die man "hat", wenn man keine Richtung einschlägt. Die es nur als "richtige" gibt. Damit sind wir bei der Acedia, die zwar vor 700 Jahren als Melancholei bezeichnet wurde, aber doch weit mehr ist als Melancholie.



*280821*