Es gibt einen Effekt aus der Corona-Panik, der zwar ein kleines Pflänzlein in der Ecke ist, das dort still vor sich hin blüht und grünt, der aber so beachtlich ist und ein so wichtiger Markstein wäre, daß man die Thematik groß herausstreichen sollte. Und dieser Effekt ist ein kaum zu glaubendes Erblühen einer Eigenschaft, die dem Bürokratismus, der wie die Gesetzesflut in einer Gegenläufigkeit zum Zerfall des Sozialen steht, und das heißt: Vertrauen.
Wie das? Wo und bei welcher Gelegenheit soll das Vertrauen wachsen? Ist nicht das Gegenteil zu beobachten, und wir werden es gleich auch behandeln, die Zunahme von Vernaderertum und Moralismus, die jedem Edelhirsch das Gewöll den Hals hinauf und in die Landschaft hinaustreibt?
Nein, sagt der VdZ. Plötzlich sind Dinge möglich, die noch vor wenigen Monaten sogar immer weiter verschärft und an genauestens einzuhaltende Prozeduren geklammert worden sind. Man nehme nur die Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenkassen bzw. bei Ärzten.
Aus Angst, einen sogenannten Corona-Virus zu "verbreiten", wird auf hoch formalisierte Abläufe verzichtet, und eine Handhabung gestattet, die an alte Zeiten erinnert. Wo man einander einfach vertraut hat. Und das, wie man hört, nicht nur bei Ärzten und Krankenkassen, sondern in Unternehmen, in Personalangelegenheiten, bei Bewerbungen, oder generell im Umgang mit Ämtern. Sogar die Apotheke verschickt plötzlich - ins Ausland! - ohne Problem Medikamentenmengen, die sie vorher in Tropfenform und erst nach dreifach abgelesenem Scanner über den Tisch geschoben hat - und alles nur mit einem Mail organisiert.
Oder denke man an Lieferungen durch Pakete, in diesen Monaten von so großer Bedeutung. Wie ruhig man wochenlange Verzögerungen hinnimmt, weil jeder weiß: Corona. Dennoch vertrauen wir dem Absender, daß der alles richtig gemacht, den Fehler jemand anderer gemacht hat. Dem VdZ ist ein Fall begegnet, wo der indische Lieferant (von Spazierstöcken, Anm.) seine angeblich - und wie sehr alle vertrauend wissen: DURCH CORONA - eine verschwundene erste Lieferung ein zweites Mal (von der Versicherung, die ebenfalls jedem vertraut, der einen Corona-Schadensfall meldet, alles nur per Mail abgewickelt) bezahlt bekommen hat.
So groß muß doch das Vertrauen sämtlicher an solchen Lieferketten Beteiligter sein, daß das alles IRGENDJEMAND bezahlt, daß es nur noch mit VERTRAUEN in einen allmächtigen und wunderwirkenden Gott zu vergleichen ist. Noch dazu, wo das endlich einlangende Paket dem VdZ erst ausgehändigt wurde, nachdem die Lagergebühren für zwei Monate samt Kosten einer "neuerlichen Zustellung" bezahlt worden waren.
Dem Leser wird gewiß noch jede Menge sonst einfallen, wenn er seinen Alltag anschaut. Genieße er diese kleinen Pflänzlein, koste er ausgiebig vom Zibet floralen Lebens, und verdrücke er die Träne der Trauer über die Gewißheit, daß diese Genüsse nur transitorisch sein werden. Aber rekognosziere er: Sie zeigen etwas Grundsätzliches, das er nie mehr so leicht vergessen sollte wie in seiner Vergangenheit.
Sie zeigen nämlich, wie viele Vorgänge vollkommen unnötig verkompliziert und an formale Bedingungen geknüpft worden sind. Die aber zumindest in unseren Völkern gar nicht notwendig sind, weil immer noch ein moralischer Bodensatz vorhanden ist, der es rechtfertigt, sich ZUERST EINMAL zu vertrauen, und jeden Mißbrauch für sich zu sehen, und dann zu bekämpfen, sofern es sinnvoll ist. Es wäre interessant, diese Angelegenheit einmal näher zu untersuchen, und daraus zu errechnen, wie hoch der Prozentsatz jener Kosten verursacht (mitgerechnet die Kosten für deren Handhabung) am Gesamttopf des Bruttoinlandsprodukts ist. Der VdZ hat den Verdacht, daß er - tatsächlich! - gegen ein Drittel tendiert.
Ein Drittel? Also ... das ist doch sicher zuviel. Ein Drittel unserer Zeit arbeiten wir nur dafür, daß wir jene Kosten erwirtschaften, die aus Abläufen entstehen, die lediglich den Mangel an Vertrauen anzeigen, der vermutet wird? Nein, glaubt der VdZ, das ist nicht zu hoch, wahrscheinlich sogar deutlich zu niedrig. Denn man muß dazu nur seine Phantasie etwas bemühen, um zu sehen, in welchen Dimensionen wir uns hier bewegen.
Und diese Phantasie soll sich jenes Bild ausmalen, als die Menschheit in der Wahrheit und im Wissen um dessen Realität in der Grammatik der Welt, vor allem im bei jedermann gewußten Gehorsam diesem Wissen gegenüber, in dem "alles gut war" (denn so war die Schöpfung konzipiert: "Gott sah, daß es sehr gut war"), sodaß bei jedem Menschen ein Ja ein ja, und ein Nein ein Nein war.
Wo jeder Mensch Einblick in die Gesamthorizonte hatte, die er zugleich innig liebte, und so über jedes Detail hinaus die Ordnung erkannte, in der sich alles bewegt, und in der alles überhaupt erst zur Welt wird. Diesen Traum, werte Leser, sollten wir aber überhaupt von Zeit zu Zeit aus den Schubladen hervorkramen, um ihn dann vor uns hinzustellen, und ein stilles Stündlein zu betrachten. Eine Zeit, in der jeder jedem und allem vertraut hat ... wäre das nicht auch als Zukunft schön?