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Montag, 20. September 2021

Fingerübung (3)

Dante sah sie ziemlich ähnlich, die Hölle. Das ist möglich, weil sie nicht primär ein "Glaubensgegenstand" ist, sondern weil das Böse in seinem Sein aus der Vernunft ableitbar "vorgestellt" werden kann. Das belegt sich schon daraus, daß wir im Jahre 2021 zu Schlüssen kommen, die sich mit den Bildern Dantes vor 700 Jahren decken. 

Das Böse ist aber kein Wollen. Es ist der Raum - weil Raum die Folge von Beziehung ist (weshalb die Hölle auch als "Ort" bezeichnet werden kann, wenn man "Ort" so versteht, wie es hier längst eingeführt worden ist) - der Absenz des Wollens, eine Richtung, die man nicht einschlägt, sondern die man "hat", wenn man keine Richtung einschlägt. Die es nur als "richtige" gibt. Damit sind wir bei der Acedia, die zwar vor 700 Jahren als Melancholei bezeichnet wurde, aber doch weit mehr ist als Melancholie.  - In diese Richtung ist das Böse vorzustellen. Es ist das Abwenden vom Sein, sodaß die Seele mehr und mehr dem Nicht-Leiblichen anheimfällt, weil am Sein nicht mehr teilhat, also auch nicht mehr Leib zeitigt, das Seiende als Mensch wird. 

Solange die Seele noch mit dem Leib lebt, also im eigentlichen Sinn "als Mensch" lebt (denn die Seele IST NICHT DER MENSCH, sie ist nur sein Prinzip, und darin geistig), kann sie sich an den Schmerz irgendwie gewöhnen. Und sei es, daß sie den Leib ablenkt, oder betäubt.

Der Einfluß von Drogen auf böse Werke ist gut vorstellbar. Ich habe oft erlebt, welche Beklemmung einen befällt, wenn man ins Drogen- und schon gar ins Verbrechermilieu eintaucht - und das schon, wenn man nur "Besucher" ist. Man spürt das Anwallen eines eigenartigen Chaos, und man "weiß", daß das mit dem Bösen zu tun hat. Die explizit böse Tat (auf die wir das Böse meist reduzieren) ist nur noch eine Folge davon. 

Der Mensch fällt in die Hölle, weil er "liegen bleibt". Sie ist damit als die Abwesenheit des Lichts, des Seins, als Stätte völliger Dunkelheit erkennbar. 

So beschreibt es auch Theresia von Avila, die die Hölle in einer Vision, also bildlich gesehen hat. Was alleine man sich so vorstellen kann, daß diese Dynamik "die Hölle" (als Beziehungsknotenpunkt "Ort") über die eigene faktische "Apparatur" aus Erinnerungen usw. zum Bild "herunter übersetzt" wird: Eine Wirklichkeit, aber in verschiedener Ebene des Seienden. (Weshalb Visionen immer ein Problem sind. Weil sie auch die Schwächen eines Menschen "umsetzen". Jeder Mystiker mißtraut ihnen deshalb, ja ohne dieses Mißtrauen sich selbst gegenüber, der damit unweigerlich auch die Visionen "färbt", wird niemand Mystiker. Weshalb die Esoterik, die ständig von Mystik spricht, mit ihr ungefähr so viel zu tun hat wie Disney World mit dem morgigen Gang ins Büro oder an die Werkbank.

Und sie schreibt, daß sie das nicht noch einmal erleben möchte. Aber sie schreibt auch, wie leicht man dorthin gelangt, und wie viele deshalb dorthin gelangen. Sie ist TOTALES Dunkelin dem man, an jeder Bewegung gehindert, feststeckt. So, als steckte man in einer Erdhöhle und könne sich nicht mehr rühren. Ich denke da immer an etwas, das ich schon mehrmals erlebt, wenn auch nie als Bedrohung (als Horizont, in dem das, was man erlebt, dieses oder jenes IST, also wahrgenommen, nicht nur über die Sinne erfahren wird. Denn die Sinne liefern keine Erfahrung, sie machen sie nur möglich.) Dieses Erleben war, als ich in einen Teppich eingerollt wurde. Auch da kann man sich nicht mehr rühren.* Siehe Anmerkungen und Einschübe.

Diese Bilder werden manchmal noch erschreckender weil plötzlich irgendwie "real". Erinnern Sie sich, werter Leser, an den Fall eines Buben, der (in Spanien, glaube ich) in ein Brunnenbohrloch gefallen ist, das sich nach unten zu verengte? Dem muß es so gegangen sein. Totales Dunkel, völlige Bewegungslosigkeit. Mein Gott ... 

Als man ihn nach acht oder zehn Tagen endlich (von einem Hilfstunnel von der Seite her) ausgraben konnte, war er längst tot. Schon nach den ersten drei Tagen, als man ihn endlich gefunden hatte, denn er war ja schlicht "verschwunden" (und wer denkt da an so etwas?) war kein Lebenszeichen von ihm festzustellen. Dennoch grub man unter Höchsteinsatz nach ihm.


In diesem thematischen Kreis und Bezug eingeschlossen ist das Wesen dessen, was ich "Invertiertheit" nenne. Denn in dieser "in-sich-Wendung", in diesem Zuwenden zu dem, was in mir geschieht, um es dann aufzugreifen, vor mich hinzustellen, und in konventionellen (also: vorgestellten, übernommenen) "Leiden" zu bewerten - denn eine wirkliche "eigene" Erlebensgrenze gibt es da gar nicht mehr, sie hat sich aufgelöst (was alles eben dieser "Wehleidigkeit" entspricht) - wende ich mich von der Welt AB. Und damit vom Handeln an ihr als dem eigentlichen Handeln. Der Mensch beschäftigt sich mit der Zeit nur noch damit, wie er der Welt ihr Weltsein als Begegnung wegnehmen kann.

Deshalb ist die Invertiertheit (die beileibe nicht nur "als" Homosexualität auftritt, sondern ein sehr breites, graduell abgestuftes Spektrum an Realisierungen hat) ein prinzipieller (aber damit realer) Weg zum Bösen. Und auch das hat vielleicht der Leser bereits erlebt: Wie sehr bei solchen Menschen, die sich in sich gewendet haben, das Böse oft spürbar wird. Und wer Homosexuellenmilieus oder Drogenmilieus, wer aber Milieus völliger sexueller Haltlosigkeit ("Swingerszene") kennt, weiß wovon die Rede ist. Man sieht diesen Menschen die Schäden an, die sie sich durch ihre Lebensweise zugefügt haben. Manchmal meinte ich dann, man könnte sie dauerhaft weinen sehen. Als wären sie bereits in der Hölle.

Wobei dort Dämonen (schon gar der Chef Satan persönlich) meist nicht "anwesend" ist. Denn das muß er nicht mehr. Diese Menschen gehören ohnehin ihm, nicht mehr der Welt, und damit nicht mehr Gott. Sie haben sich von außen ab- und sich selbst zugewendet. Damit entgleiten sie der Welt und ihren Gefügen, denn die sind es, die uns halten, auch wenn wir einsinken könnten. Womit einmal mehr die Bedeutung der Kultur einer Gesellschaft deutlich wird. 

Die Vorstellung von Satanismus und Satanskult möchte ich weder mir noch dem Leser zumuten. Sie haben nichts mit dem Gesagten zu tun. Aber ich "rieche" den Zusammenhang bei Menschen, die gerne Bücher wie jene von Stephen King lesen, Horrorfilme sehen, und eine uferlose Sexualität haben. Diese Dinge gehören nicht nur immer zusammen, sondern sie zeigen, daß jemand an der Tür zur Hölle steht.



*280821*