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Freitag, 18. März 2022

Als die Luft verschwand, zerbrach die Welt

Fällt Ihnen auch auf, werter Leser, daß wir erstaunlich wenige Aufnahmen von Luftbewegungen in der Ukraine sehen? Das hat seinen guten Grund - weil es sie nicht gibt. Militärtaktisch bietet der Ukraine-Konflikt somit einen Einblick in die Kriegsführung der nächsten und mittleren Zukunft. Worüber wir hier schon vor etlichen Jahren aus amerikanischen Militärmagazinen heraus berichtet haben, ist in der Ukraine nun offensichtlich geworden: Die LUFTWAFFE (in der Form von Flugzeugen) spielt als Kampfwaffe nicht mehr die Rolle, die sie seit dem 2. Weltkrieg und noch bis vor zwanzig Jahren hatte. 

Denn Flugzeuge sind stark verwundbar. Die Technik, die bei Abwehrwaffen entwickelt wurde, macht sie zu leicht zu treffenden Zielen. Durch Raketen, durch Lenksystfeme für konventionelle Geschoße, oder sogar durch Waffen, die die Elektronik außer Kraft setzen, wird sich die Rolle der Luftwaffe völlig verändern. War seit dem 2. Weltkrieg die Bedingung für Landstreitkräfte, Erfolg zu haben, die Lufthoheit, so haben vor allem Raketenwaffen diese Rolle übernommen.
Versuchen wir doch, diese Entwicklung symbolisch zu deuten. Denn nun kommen wir zu einer Aussage, die im Herzen zu erwägen lohnen könnte. 
Denn die Vertreibung der Flubzeuge vom Himmel ist keineswegs eine simple "Purifikation". Mit der Rakete wird vielmehr die Luft zu einem generellen Bedrohungsraum, wandelt sich vom Element der Freiheit zur Mauer des irdischen Gefängnisses. 
Die Luft wird damit als eines der vier Elemente der Erde dem menschlichen Herrschafts- und Handlungsraum entzogen, wird damit auch nicht mehr zu RAUM. Sie "verschwindet" damit. 
Und läßt nur noch eine Beziehung unter den Elementen der Erde zu, eiters zum Feuer (das aber ohne Luft nicht sein kann) und Wasser (das gleichfalls die Luft braucht, um zu sein.) Denn die Rakete istlediglich  bodengebunden. Sie fliegt von Erde zu Erde, und "holt jeden Flieger zu Boden."
Die Luft wird als Raum eliminiert, und als Herrschaftsbereich und potentieller Raum des Menschen fast völlig ausgelöscht.  Damit wird auch dem Geist der Raum entzogen, die Angst drückt den Menschen noch mehr an den Boden.
Dies gilt nicht einmal für gut gerüstete Gegner. Sondern effektive Luftabwehrsysteme wie Einmann-Stinger-Raketen sind schon so billig zu erwerben, uns so einfach zu transportieren, daß diese Tatsache selbst für asymmetrische Kriege gilt. Das hat Afghanistan erstmals gezeigt, udn das zeigt sich seither laufend. Und ist jetzt im Krieg Rußland - Ukraine offensichtlich und Grundsatz geworden. Flugzeuge sind einfach zu teuer, um weiter in den bisherigen Funktionen als Teil der kombinierten Waffengattung mit Land- und Seewaffe eingesetzt zu werden.
Aber Luft ist das erste Element des Geistes. Mehr als nur Ähnlichkeit, ist die Luft Ausdruck. Und sie zu atmen wird zur Emanation der Kommunikation mit dem Geist, durch das Atmen. Nun wird sie nur noch "blitzschnell" durchquert, und alles, was sie beitragen kann ist - zu stören. 
Was ist also von solch einer menschlichen Handlung zu halten? Wo der Mensch sich nicht mehr in der Luft aufhalten, sich von ihr nicht mehr tragen lassen kann, um auch dieses Element in sein Handeln einzubeziehen? 
Ja, angesichts der kaum noch berechenbaren Ankunft (einer Rakete) wird die Luft zur ausschließlichen Bedrohung. Vor der sich der Mensch durch den Bunker schützen muß.
Sinngemäß gilt dies auch für Hubschrauber. Einzig die Drohne wird nicht nur noch eine geraume Zeit im Kampf zu sehen sein - sie ist relativ billig und durch Infanteriewaffen ohne Verfolgungsautomatismen viel schwerer zu treffen - sondern (automatisiert) einstweilen dem Menschen die Luft als Bewegungsraum entziehen. 

Stattdessen wird die Luftwaffe zwar noch geraume Zeit logistische Aufgaben übernehmen, und zwar in der Form von Transportflugzeugen und -hubschraubern, aber nur in befriedeten Zonen oder Zeiten. Denn selbst Luftlandeoperationen, wie sie die russische Armee etwa in Kiew versucht hat, sind kaum noch effektiv durchzuführen. Die meisten dieser Angriffe sind in der Ukraine gescheitert, obwohl die ukratinische Armee relativ gesehen nur einen Teil ihrer Nominalstärke aufbringen konnte.

Btw. - nimmt man diese Tatsache, so war die erste Angriffswelle der Russen gar nicht so erfloglos, wie man gemeiniglich meint. Denn die Taktik des "sanften Schocks" (wir haben darüber berichtet), die durch ein erstes Anklopfe die Abwehrbereitschaft des Gegners abtasten soll und, bei Erfolg, Aufwand und Opfer für einen Angreifer minimiert, hat immerhin bewirkt, daß sich die ukrainische Armee in diesem großen Land (flächenmäßig ist die Ukraine größer als Frankreich) verzetteln mußte, und nie große Streitkraft auf einen Punkt konzentrieren konnte.

Taktisch heißt das, daß ein Angreifer in seinem zweiten Schritt aus der Hinterhand heraus mit Überlegenheitstaktik agieren kann. Indem er punktuell Armeeschwerpunkte setzt, und so relativ leicht eine Front durchbrechen, damit aufsplittern, einkreisen und ausschalten kann. Diese Taktik ist zuerst von Napoleon so systematisiert worden, daß seine Armee damit regelrecht berechenbar wurde. Was dann zum allmählichen Verlust der "Unschlagbarkeit" führte, weil die Gegner allmählich darauf reagieren lernten. 
Denken wir diese kühnen Gedanken zu Ende, die wir parallel zum bloße Sachstandsbericht geführt haben, müßte man zu dem Schluß kommen, daß diese Entwicklung nicht nur etwas anzeigt, sondern auch etwas bewirken wird. Das sich entsprechend zu dem verhält und zeigt, was mit der Luft durch die menschliche Gewalt geschieht.
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Eine Geschichte der Konsequenzen einer Taktik - Dieselbe Taktik hat auch die Wehrmacht 1941 in ihren Angriffen auf die Sowjetuion angewandt. Aber diese Taktik setzt voraus, daß sie rasch zu einer Entscheidungsschlacht führt, die den Gegner endgültig besiegt. Kann der Gegner die Vorwärtsbewegung des Angreifers stoppen, indem er dessen Hinterhand gefährdet und deren Flexibilität zerstört - und dafür sorgten einerseits die russischen Partisanen, anderseits die furchtbare Infrastruktur (befestigte Straßen und Eisenbahnen, teils auch durch die "Verbrannte Erde"-Taktik der Sowjets zerstört) - und bringt er sogar seinerseits offensive Bewegungen zustande, ist die Taktik gescheitert, und läßt sich nicht mehr für die Verteidigung anwenden. Denn die erste Voraussetzung, die Mobilität, fehlt.

Die Rote Armee hat nach 1941 aber auch enorm schnell gelernt, und die deutschen Feldmarschälle und Generäle waren verblüfft, wie rasch sich die Abwehrkraft der Russen verbesserte. Sodaß die Rote Armee schon 1943 nicht nur erfolgreich kontern konnte, sondern noch effektiver anwandte, um die Wehrmachtsfronten zu zerschlagen. 
Es ist eine Taktik der Bewegung, die keinen Augenblick des Stillstands mehr erlaubt, sondern der Automatik, der Mechanik gehorcht, die als Beginn angestoßen wurde. 
Denken aber ist ein Nach-Denken, ein Zurückziehen aus der Zeit, um die Vergangenheit auf ihre Wirklichkeit zu untersuchen. Und so das zukünftige Handeln wieder in vollem Ausmaß der menschlichen Sphäre zu geben. 
Denn man denkt nach, BIS man etwas besitzt, um dann auf dem Boden einer (wieder-)gewonnenen Gegenwart weiter zu schreiten. 
Nur wer also nachdenkt, wer das Handeln unterbrechen kann, um sich und seine (Persönlichkeits-)Sphäre wieder zu besitzen, kann Mensch sein. Der ständig atemlose Mensch wird zur entselbsteten Bestie. 
Denn alleine durch die schwerer gewordene Beherrschung der Logistik war diese Taktik viel empfindlicher bei Fronteinbrüchen. Die vom Kaukasus bis an den Ladogasee und Leningrad reichte, und an keinem Punkt dieser 3.000 Kilometer löchrig werden durfte, sollte nicht das Ganze zusammenbrechen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das nicht merh gelingen konnte. 

Schon zu Anfang 1943 gelang dann auch der Roten Armee dieser Durchbruch, und zwar bei bzw. nach Stalingrad.  nur noch dem Zweck diensten (selbst Stalingrad war bereits durch diese Taktik "entstanden", denn die Stadt mußte schon deshalb gehalten werden, weil sonst der gesamte rechte Flügel der Wehrmacht abgeschnitten, eingekesselt und vernichtet werden konnte. Innerhalb weniger Wochen mußte die Wehrmacht zu den verlustreichen Rückzugsschlachten wechseln. Zwar konnte für einige Monate die Front durch "Begradigungen" (als Aufgabe bereits eroberter Gebiete) und Heranführung von Kräften aus Italienund Frankreich wieder stabilisiert werden. 

Aber schon der Kaukasus-Armee gelang der Rückzug nur noch durch fluchtartigen Rückzug über Maikop (Donbas!) und Krim, unter Zurücklassung gigantischer Materialmengen. Der Rest ist bekannt. Der Generaldurchbruch in der Heeresgruppe Mitte im Sommer 1944 brachte die von vielen schon seit Moskau Ende 1941 vorhergesehene ultimative Katastrophe. In der die Rote Armee schneller vordrang, als die Wehrmacht sich zurückziehen konnte. Bis Berlin erreicht war.

Die Rote Armee hatte der Wehrmacht durch die Herrschaft über die Geschwindigkeit, die zum Diktat wurde, die Luft abgeschnürt.

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Noch in der Renaissance, im Duell sogar noch bis ins 19., ja 20. Jahrhundert, wurde dem Gegner immer eine Pause gewährt, wenn dieser sie wünschte. Damit er sich wieder finden, sich wieder gewinnen konnte. Denn nur dann war die Beziehung zueinander in die Kultur gehoben. Was dieses Prädikat nicht genießen konnte, was nicht Kultur war, wurde von allen verachtet und aus dem Leben wo immer möglich eliminiert.

Übrigens - diese Praxis der Pause und des Luftholens ist in manchen Sportarten immer noch üblich. Im Basketball oder beim Handball explizites Teil des Regelwerks, aber zum Teil in gewissen Sondersituationen wie Verletzungen, oder wie im Video-Beweis, der ebenfalls ein Heraustreten aus der Zeit, ein Nach-Denken und Wiedergewinnen ist, auch im Fußball. 
Ja, als Wille zur kultivierten Begegnung sogar in nahezu allen Sportarten eine Geste der Fairness. Und Fairness meint, auf die Bedrängnis der Atemlosigkeit zu verzichten. 
Mit der Fairness ist ausdrücklich, buchstäblich [fair=(u. a.) schön] der Bogen vom Guten zum Schönen gezeichnet, und mit der Sehne der Wahrheit wieder verbunden. 
Um eben genau das nicht zu tun, was den Krieg mehr und mehr gekennzeichnet hat. Denn es war keineswegs "im Anfang" so, sondern ist eine Erscheinung der Moderne. Parallel zur Skrupellosigkeit des Kapitalismus, verschwand auch aus dem Kampf und aus dem Krieg die Kultur, wurde dieser zum bloßen Instrument der Gier und des a-moralischen Wuchers - der Atemlosigkeit, des Luftenzugs, des Eliminierens der Luft als menschlichem Handlungsraum, der von der Erde abfliegen, abstehen läßt.