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Mittwoch, 30. März 2022

Die Teddybären sind diesmal für die Ukraine

Angesichts der ausgerufenen Not- und Hilfewelle den "Menschen in der Ukraine" gegenüber hat ich das seltsame Gefühl, als handele es sich dabei um eine perfide, bösartige und heimtückische Beihilfe zu einer Anti-Kultur derselben Lebensvernichtung, die den Westen zu Tode plagt. Besonders wenn man sich diese "Solidaritätsbekundungen" in einer Verbindung mit der "Verteidigung der Westlichen Werte" darstellt erscheint mit alles an diesen Hilfeaufrufen und -leistungen wie eine Fratze der Häme und der Schadenfreude. 

Zugleich wenn einem deutlich wird, wie sehr die Ukraine in den letzten zehn Jahren von dieser Verwestlichung der Lebensweise erfaßt worden ist. Ob nun jemand in Kiew oder Odessa lebt ist damit komplett gleichgültig, er könnte auch in Wiesbaden oder Bad Ischl seinen Alltag verbringen, ohne auch nur irgendetwas zu verändern. 

Gar lachen aber mußte ich bei einem Spendenaufruf des Österreichischen Schrifstellerberbandes, der unter dem Titel Literatur hilft. Spenden für die Ukraine zusammen mit irgendwelchen Verlags- und Buchhandelsorganisationen einen LKW durch Spenden befüllen will, und in seinem Anschreiben an mich beschreibt, womit dieser Lastwagen (den eine Innsbrucker Spedition beistellt) befüllt werde soll: Kindernahrung, Hygieneprodukte, Medikamente, Verbandsmaterial, haltbare Lebensmittel etc. 

Medikamente? Aha. Ohne Rezept? Blutdrucksenker auf Verdacht? Verbandsmaterial. Mhm. Hansaplast aus dem Supermarkt? Hygieneprodukte. Fünf Kartons Damenbinden, ultra+ und extra-klein? Oder sollte man so etwas nicht Befugteren überlassen, und sich diese lächerliche Inszenierung der eigenen Gutheit ersparen, die doch längst zur Belästigung wurde. Nicht einmal mehr seine Kontomaske kann man am Bildschirm öffnen, ohne über einen Spendenaufruf mit rührender Kinderzeichnung zu stolpern.

Ansonsten erinnert das doch recht stark an die Empfangskommitées am Wiener Westbahnhof, wo 2015 hunderte, wenn nicht tausende Wiener standen und die einlangenden Züge unter Johlen und Beifall bewillkommnete. Es war geradezu ein Gesellschaftshappening, an den Westbahnhof zu fahren "um zu helfen", und "Ich war am Westbahnhof" oder "Warst Du schon am Westbahnhof?" waren geflügelte Worte mit schwerem, bekenntnisträchtigem Bedeutungsinhalt. Im gleichen Atemzug packten die Leute zusammen, womit sie meinten, "zu helfen". Teddybären, altes Kinderspielzeug, Wasserflaschen im griffigen Sechserpack, getragene Kleidung etc. 

  QR Jeder Frau ihren Flüchtling
Wie groß war dann die Enttäuschung (und die ersten begriffen da schon etwas), als sich niemand dieser "Ärmsten der Armen", dieser bombengetriebenen "syrischen Flüchtlinge", denen "alles genommen" ward, die "nichts mehr hatten als das was sie am Körper trugen", für diese Dinge interessierte. Die arme syrische Flüchtlingsfamilie fand sich in Waggon 16B, zusammengedrückt von Massen an strammen afghanischen und sudanesischen Mittzwanzigern, die (wie Reinhard Fendrich es in "Macho" ausdrückt) sogar jede Klostefrau nervös machten. Und wie dann erst Wiener Helferinnen, die auf ihre Portion an Dankbarkeit hofften, trotz 20-Kilo-Bauchspeck und Feministinnen-Bürstenschnitt zwischen den Ohren. (Einen ausgezeichneten Artikel dazu finden Sie unter diesem Link auf mitteleuropa.com)

Die Geleise waren abends voll mit achtlos Weggeworfenem, vor allem mit noch vollenn, oder nur für einen kurzen Schluck angebrochenen Wasserflaschen. Nicht einmal diese mitzunehmen schien den Ärmsten der Armen lohnenswert, was doch einmal als Gebot der Höflichkeit galt. Ein höflicher Mensch überläßt seinen Müll nicht dem Bahnsteig und geht frech davon aus, daß ihn ein integrierter makedonischer Flüchtling in orangenem Bahndress frühmorgends wieder zusammenfegt und wegräumt.

Und ich erinnere mich an die hilfsbereiten Menschen an der Grenze zu Ungarn, die dort Kartons mit noch vor kurzem von ihnen selbst getragener Kleidung aufgestellt hatten. So ein Flüchtling - der hat ja nichts?! Und dann völlig konsterniert in die Kamera blickten. Niemand, wirklich niemand hatte etwas davon "gebraucht". (Wobei ich selber im Zuge der Rumänienkrise 1990 ähnliche Erfahrungen gemacht habe.) Auch keine Mütter und schon gar keine Kinder wollten unmodische, abgetragene Kleidung oder frischgewaschene Teddybären ohne Markenetikett, und Fläschchen mußte man ihnen regelrecht aufdrängen.

Ist das jetzt anders? Vielleicht hätte jemand der nun Hereinströmenden am neuesten Update von "Warlord VII" mehr Interesse, denn das ist selbst am Kiewer Schwarzmarkt nicht unter 80 Euro zu kriegen. Wenigstens hält sich der Anteil an schwarzhäutigen oder afghanisch-sprechenden jungen Männern unter den Ukrainerinnen (die tunlichst Kontakte vermeiden, weil sie damit durchaus schlechte Erfahrungen machen, und das hat sich rasend schnell herumgesprochen: Don't talk to Sudanese Young Men! They will misinterprete Your smile, under guarantee!) in Grenzen. Und mehr als 10 Prozent Ukrainer mit afrikanischen Wurzeln oder afghanischem Zungenschlag  mit eindeutigem Zug zu ewigen Sozialleistungen dürfte es nicht einmal in Kiews berüchtigter Schwarzmarktszene für Crack geben.

Aber das, was die Ukraine braucht, ist nicht durch die Spende von Hygieneartikeln zu lösen. Das sind strukturelle Probleme, Probleme eines failed state. Am klarsten erkennbar in der irrwitzigen Korruption. Ohne einen fetten Euroschein in der Einweisung wird in Lwjow (russ.; Lwiev ukr.) oder Kiew/Kijiw kein Blinddarm operiert, ehe er nicht herausgefault ist. Kein Wunder, meinte ein Caritas-Mitarbeiter einmal, bei den niedrigen Gehältern, die die Ärzte bekommen. Kein Wunder, aha. Gut, es gibt ja noch eine Caritas, die westeuropäische Werte verfolgt. Aber ohne Schmiergeld wird nicht einmal ihr auf den Behörden ein Aktenvorgang betrieben. Westliche Werte wurzeln schwer. 

An eine Gratismentalität, bei der man den oben schwimmenden Fettschaum so herrlich abschöpfen kann, haben sich Ukrainer dafür rasch gewöhnt. Hier hat das Lernen westlicher Werte noch schneller geklappt, als in der Internet-Buchungsseite für Pauschalreisen nach Ägypten. Und der Nachschub scheint unerschöpflich. Die Caritas liefert noch nach Lemberg wie in ein Entwicklungsland, während Kiew lange schon Pariser Lebensart proklamiert, um sich von Rußland abzuheben. Na gut, die Abtreibung hat ja auch schon unter den Kommunisten bestens funktioniert, nur kriegt man jetzt mehr dafür bezahlt. 

Zelensky hat ja die Ukraine zum fortgeschrittensten Internet- und social-media-Land Europas erklärt. Nirgendwo funktioniert auch die Corona-App so vorbildlich, und bis ins letzte Klo werden Ukrainer bei ihren Bewegungen überwacht. Dafür können sie Sozialhilfe mit zwei Tasten am SmartPhone bestellen, noch bevor man die Pizza auswählt. Westliche Lebensart braucht totale Digitialisierung, um die nötige europäisoche Wertsteigerung zu erfüllen, Sie verstehen?

Was nun kurzfristig und speziell gebraucht wird liefern aber die staatlichen Organisationen schon recht gut. Wie im Osten Ungarns oder Polens, wo es Zeltstädte, Hallen mit Liegen und Militärküchen gibt. Anders als in Wien und anderen Städten mit Flüchtlingseinrichtungen, werden die Ukrainer ja wohl auch die lokale Küche ihrer Nachbarländer schätzen. Oder hat es dort bessere Köche?

Ob wir nicht in einer Zeit leben, in denen den Menschen in Europa, Amerika oder Zentralasien mit materiellen Dingen gar nicht mehr geholfen werden kann. Nicht einmal mehr Krieg vermag sie hier aus ihren inneren Käfigen zu holen. Die Welt in der sie leben ist zu einer prä- und poststabilisierten Simulationswelt geworden, in der das wirklich Wirkliche gar nicht mehr bis in die Seelenkerne gelangt. Leben wird darin zu einem Happening eingeschrumpft. 

Bis die Menschen wirkliche und das heißt auch wirkliche materielle Not wieder erfahren und empfinden können, müssen noch zwei Jahrzehnte (schätze ich) vergehen. Nur in Ausnahmen ist sie real. So lange können wir unsere Speicher gefüllt lassen, um das Geld, das wir deshalb zu viel haben, weil wir es gestohlen haben, wieder an seinen gerechten Ort zurückzuführen, etwa indem wir Staatssschulden zurückzahlen.

Aber mein Mitleid mit Menschen, die die WESTLICHE LEBENSWEISE verteidigen oder anstreben wollen und sollen (!) hält sich sehr in Grenzen. Und Herren wie Zelensky, die ich als frech, unverfroren und schamlos empfinde, habe ich noch nie geholfen. Wer um Hilfe nicht einmal mehr bitten kann, hat sie ganz sicher nicht verdient. Und braucht sie auch gar nicht. 

Aber ich weiß schon - westliche Werte. Zu denen auch gehört, daß man um Hilfe nicht mehr bitten muß. Denn im Dienste des autonomen, freischwebenden Menschen soll alles vermieden werden, das Soziales überhaupt noch konstituieren könnte - Verbindlichkeit. Wer das Pech hat so gelebt zu haben, daß er verwurzelt ist, hat Prechgehabt. Seine Eigenschaften und Wertelandschaften sind unerwünscht weil einem modernen Europa hinderlich. 

So kommt es dann, daß ich den Eindruck habe, daß "die Ukraine" um Mittel bietet, die sie eine Rolle spielen lassen, die ihrer wahren Rolle, ihrem wahren Ort gar nicht angemessen ist, sondern diesen weit überschreitet. Dafür fühlt sich offenbar die Ukraine aus jeder lokalen Einbindung losgelöst. Als nächster Luftballon, der über Europa schwebt - weil er "westliche Werte lebt".

So nebenbei: Weiß der Durchschnittsmedienkonsument, daß in den letzten zehn Jahren alleine nach Polen (mindestens!) 2 Millionen Ukrainer ausgewandert sind, die dort Arbeit und Auskommen haben, weil sie vor allem im Osten des Landes jene Polen ersetzen, die nach England oder Deutschland ausgewandert sind? Daß in Ungarn schon seit Jahren enorme Wanderungsprozesse in Gang sind, wo hnderttausende (vor allem West-)Ungarn in den Westen gegangen sind, deren Plätze nun nachrückende Ostungarn ausfüllen, während Ostungarn händeringend Ukrainer anwarb, um die nun dort wiederum fehlenden Arbeitskräfte zu ersetzen? Hat irgend jemand die dazupassenden Stimmen gehört, die da - ganz zu Anfang der militärischen Auseinandersetzung - davon sprachen, daß sehr viele Ukrainer in den Westen führen, WEIL sie dort bereits Verwandte oder Anlaufstellen hätten, um die Ereignisse abzuwarten?