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Mittwoch, 2. März 2022

Warum es keine beherrschte Atombombe gibt (2)

Aber Reagan fand es witzig, damit zu spielen, und er war sicher nicht der einzige Präsident mit dieser Art von Humor - Dazu muß man wissen, daß die Amerikaner mit solch einer Situation unter Reagan ganz gezielt gespielt haben. Reagan ließ nämlich die Flotte der Atombomber immer wieder - über Nordeuropa und die Ostsee - bis kurz vor die Grenzen des russischen Luftraumes anfliegen, wo sie dann jedesmal wieder kehrt machten. 

Reagan erzählte davon immer mit der Selbstgefälligkeit jemandes, dem ein besonderer Streich geglückt wäre, denn jedesmal hätten dann die russischen Abwehrkräfte, die Flugzeugflotten, die Atombomber, die Abfangjäger, die See- und Landstreitkräfte, voll mobil machen müssen. Um dann unverrichteter Dinge den Alarm wieder abblasen und zu den Heimatstützpunkten zurückkehren zu müssen. (Den umgekehrten Fall müssen die Amis nicht fürchten, weil die Anflugzeiten der russischen Flugkräfte wesentlich länger sind. St. Petersburg kann von der NATO in fünf Minuten angegriffen werden. Die Großstädte der USA nicht unter 60 Minuten, die strategischen Zentren nicht unter Stunden.)

Aber die Wahrheit ist, daß Reagan mit Unglaublichem gespielt hat. Und ein Risiko heraufbeschwor, daß diesem ungebildeten Stohkopf sicher nicht bewußt war.

Die strategische Absicht war nämlich dabei, die Russen in einem permanenten Alarmzustand zu halten. Das würde das taktische System der UdSSR mitder Zeit überfordern, denn kein System kann pausenlos im Alarm verharren. Gleichzeitig aber kann die Rote Armee nicht nachlassen, weil es ja theoretisch tatsächlich sein könnte, daß die Atombomben Amerikas auf dem Weg ins Herz Rußlands wären. Diesen Ernstfall einmal zu übersehen hätte geheißen zu riskieren, daß ein Krieg verloren gehe, nur weil man einmal zu wenig aufgepaßt hätte. Das aber heißt, das Risiko einer Fehleinschätzung herauszubeschwören, weil die Wahrscheinlichkeit, daß aus irgendeinem Grund diese komplexen Systeme zu einem Fehlurteil kommen enorm hoch ist.
Der vor einigen Jahrzehnten aus seinem Amt scheidende Chef des amerikanischen Strategischen Bomberwaffe hat bei seiner Abschiedsrede es deshalb einmal so formuliert: Wir alle haben den Kalten Krieg überstanden. Zum Teil aus Vernunft, zum Teil aber nur aus Glück. Zum allerüberwiegenden Teil aber haben wir den Kalten Krieg ohne Atomkrieg überlebt, weil in einem gigantischen Ausmaß Gott eingegriffen und verhindert hat, daß aus Fehlern Schlimmes entsteht.
Vielleicht sollten wir dazu noch einen Punkt anschließen, er wird seltsamerweise meist übersehen. Es ist die Frage, ob nicht die Atomwaffen des Westens NOTWENDIG gewesen sind, um eine Ausbreitung des kommunistischen Systems zu verhindern. Nicht nur, daß es dazu sehr viel zu sagen gäbe, das diese Problemstellung als Scheinproblemstellung erkennen läßt, ist es moralisch niemals zulässig, ein Gutes durch ein in sich Schlechtes erreichen zu wollen
Einer bösen Ideologie und Macht mit der Auslöschung Millionen unschuldiger Menschen zu drohen, und dazu auch bereit und fähig zu sein, ist niemals gerechtfertigt! Das macht also den Amerikanismus, der uns im Kalten Krieg so gehirngelähmt hat, auch von dieser Seite her - mit der aber so viel an Kulturzerstörung und social engineering gerechtfertigt wurde! - völlig fragwürdig.
Was ist daraus zu schließen? Daß Atomwaffen nicht in des Menschen Hand gehören. Daß es sie tatsächlich nicht geben dürfte, udn daß schon ihre Herstellung, ihr Besitz unmoralisch ist. Sie sind schlimmstens unethisch, weil die Kollateralschäden, die auf jeden Fall eintreten, völlig unbeteiligte, unschuldige Menschen mit in die Schädigung einbeziehen, die nie auf reine Kriegshandlungen beschränkt werden kann. Sie sind keine bloßen Kriegswaffen, die militärischen Zwecken dienen, sondern reine Vernichtungswaffen, die nicht einer feindlichen Armee und Waffe, sondern einem anderen Volk schwerste Schädigungen zufügen sollen.

Niemals aber darf auch der Mensch eine Technik konstruieren, die an die Grenzen komplexer Systeme gelangt. Denn es ist eine Frage der Vernunft, und es ist eine Antwort der völligen Gewißheit, daß bei solchen Systemen irgendein Punkt eintritt, dessen Folgen und dessen Zeitpunkt niemand vorhersehen kann. Der morgen, der aber auch erst in zweihundert Jahren eintreten kann, und eine Katastrophe auslösen kann, die nicht mehr auf Zwecke oder Absichten beschränkt werden kann, deren Auslösung sich aber auch jeder Frage nach Zweck- und Sinnhaftigkeit entzieht, also die Natur eines "leichtsinnig provozierten Unfalls" hat.  

Niemals darf es einen Krieg geben, der Mittel einsetzt, die die Vernichtung oder auch nur die vitale Schädigung eines anderen Volkes zum Ziel haben. Die nicht auf militärische Kriegszwecke beschränkt bleiben. Krieg darf nur stattfinden (und dann gibt es dazu sogar ein Recht), wenn er die Unterwerfung der militärischen Kraft eines Gegners um Ziel hat, sodaß ein politischer Wille zur Durchsetzung kommt.*

Deshalb ist nicht der Krieg das, wovor wir uns in erster Linie zu fürchten haben, so schrecklich er auch ist, keine Frage. Diesen Schrecken aber hat der Krieg erst ab dem Zeitpunkt erhalten (und den können wir so irgendwieam Augang des Mittelalters festmachen, ja er WAR irgendwie das Ende des Mittelalters und der Beginn der Neuzeit) zu dem eben der Feind nicht mehr der Mann am Schlachtfeld war, sondern Volk gegen Volk stand, Bevölkerungsgruppe gegen Bevölkerungsgruppe focht, und Frau und Kind und Hund nicht mehr schonte. Ab dem Moment, in dem es nicht ums Besiegen, sondern ums Vernichten des gehaßten Anderen ging, und zwar ein- für allemal. Ab dem Augenblick, in dem die Zwecke alle Mittel geheiligt haben. Ab da, wo der Krieg also seinen Ort in einer Kultur verloren hat.

Aber ganz sicher auch ab dem Moment, in dem Waffensysteme aufgebaut werden, die mit wissenschaftlicher Sicherheit (und hier kann man tatsächlich einmal davon sprechen, weil eines ganz sicher NICHT besteht: VÖLLIGE Beherrschbarkeit, die aber hier zwischen Krieg und Verbrechen steht, und zwar schon in der bloße Vorhaltung der Waffen, also nicht erst beim Einsatz) NICHT MORALISCH ZU RECHTFERTIGEN sind. 

Was aber wäre ein Sieg wert,  der mit verbrecherischen Mitteln errungen ist? Auf welchen Frieden soll dann gehofft werden, ohne den es doch sinnlos ist, einen Krieg überhaupt erst zu fechten? Oder ist nicht genau das die Konsequenz daraus: Daß es gar nicht mehr um Frieden geht, sondern nur noch um das Annihilieren des anderen, auf daß dann die Welt mir gehöre? 

Worauf will so ein Mensch aber dann noch hoffen? Auf Glück? Oder muß er nicht stattdessen dann - wie Kain - ständig auf der Flucht vor Gott sein.



*Selbstverständlich ist deshalb die Katastrophe der geplanten Zerstörung deutscher Städte eine schweres Kriegsverbrechen gewesen (so, wie es deutsche Bombenangriffe auf englische Wohnviertel in London oder Coventry waren, keine Frage, die aber größenmäßig und in der Systematik mit der alliierten "Antwort" in keinem Verhältnis stehen. Was sie nicht besser macht, was aber als Rechtfertigung ebenfalls nicht taugt, weil es sich um andere Ereigniskategorien handelt. In sechs Jahren Krieg hatte England 35.000 Tote durch Bombenabwürfe der Deutschen Luftwaffe. Alleine die Auslöschung Essens, in einem Angriff geschehen, der zwei Stunden dauerte, bewirkte eine vergleichbare Zahl an Opfern. Und richtete sich wie ab 1943 alle Bombenangriffe der Allierten ganz gezielt gegen die Zivilbevölkerung, die durch makabre technische Perfektionierung erst schutzlos gemacht, und dann vernichtet werden sollteWährend die rüstungsrelevante Industrie des Dritten Reiches noch 1944 einen nächsten Produktionshöchststand erreichte, weil durch diese Waffe nicht substantiell zu treffen war.

Über Hiroshima und Nagasaki brauchen wir ohnehin kein Wort zu verlieren. Sie waren lupenreine Verbrechen.