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Sonntag, 6. März 2022

Die neue ÖVP-Methode - Verhinderung des Überblicks (2)

Die Strategie der Lüge als Legitimationsgrund, der Ausnahmezustand als Normalzustand der Politik einer Partei. Und was Marx dazu gesagt hätte - Die ÖVP ist sozusagen mein familiärer und traditioneller Herkunftsstall, ich wüßte nicht warum ich mich dessen schämen sollte. So, wie sie der Herkunftsstall all der aufgeklärten Bürgerlichen ist, die sich in Liberale (nicht zu verwechseln mit "Freiheitlichen") und Grüne weiter aufgesplittert haben. Was nur eine Spaltung mehr war, denn alles Volk stammt letztlich aus dem Bauernstand.

Die ÖVP mit ihrem Bezug auf die christliche Soziallehre ist aber sogar mehr. Sie ist sogar als "Ursuppe" des Volkes und seiner "politischen Präferenzen" zu verstehen. Anders ist diese Weltanschauung nicht zu begründen, als durch ihren Anspruch auf das naturrechtlich definierte "Volk". Als Ursuppe.

Sämtliche Stände und Weltanschauungen entstammen somit der amorphen, sicher nicht parteipolitischen Ursuppe, und haben sich dort heraus entwickelt. Geschichtlich gesehen kann man das ungefähr mit dem Ende des Mittelalters festmachen, jener Zeit, als die Kultur zu zerfallen begann. Angezündet wurde es allerdings schon früher, nämlich ... von der Kirche. Im Investiturstreit 11./12. Jhd. 
In dieser erzwungenen Parteiung entstand die erste große Spaltung des Volkes, in Ghibellinen und Guelfen, in Papst- oder Kaisertreue, liegt also diese dramatische, unverzeihbare und katastrophale Ursünde der Trennung von Staat und Kirche begründet. Die es auch war, die dieser Kultur bereits vor 900 bis 1000 Jahren den letalen Stich versetzt hat. Alles seither waren nur noch Versuche, die Blutung dieser Wunde zu stoppen.
Die ÖVP, die sich in der Tradition der Christlichsozialen der postmonarchischen Zeit des Verfalls der Weltordnung sieht, die sich also als Schwester der Kirche verstand, versteht sich aber seit 1945 als Partei. Deren Lehre in der Vermittlung der Lehrautorität und Wahrheit zentral gebacken, deren Organisation zentralistisch ausgerichtet ist. Das ist die Realität, wie sie von Anfang die Parteistatuten zur Makulatur machte.  Und viele sehen ja sogar das Christentum unter dieser Notwendigkeit der "Anpassung an die Realität."

An diesem gewollt unerfüllten inhaltlichen Anspruch hat sich schon mein Vater, christlichsozial aus der ersten Wurzel heraus, die Zähne ausgebissen. Er mußte schmerzhaft erkennen, daß nur eine verschwindende Minderheit in der Partei daran dachte (auch Leopold Figl nicht), sich ernsthaft an diese wahrlich christlich-sozialen Prinzipien einer Staatsordnung zu halten. Die ÖVP log und war von Anfang an eine Lüge, das war seine bittere Erkenntnis. Sie war weltanschaulich "Ursuppe", die in Wahrheit gar kein Kamprezept GEGEN die anderen Weltanschauungen hatte, das politisch berechenbar war, und zur Macht führen konnte. Das ist das Dilemma jeder "christlichen" Partei.

Im in seiner Grammatik immer noch sehr katholisch geprägten (wenn auch - vom Gelde verdorben - nur noch rudimentär frommen) ÖVP-Tirol, diesem Herz Jesu-Land, äußert sich diese Anknüpfung an eine gottgewollte Ordnung sogar bis heute noch sehr direkt. Es gibt eine große Anzahl von Gemeinden, wo es sogar bis heute  noch NUR EINE PARTEI zu wählen gibt - die ÖVP. UND DIE LEUTE GEHEN TATSÄCHLICH ZUR WAHLURNE, jedesmal, und bestätigen dort die gottgegebene Ordnung. Denn was sonst wäre die Pflicht des gottgefälligen Bürgers? Die Wahl ist also in Tirol weithin tatsächlich ein Gebet: Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf Erden.
Deshalb gibt es in der ÖVP nach 1945 einen Grundsatz, der von Anfang an ihre Existenz als Partei, die um Wählergunst buhlen muß, überhaupt erst BEGRÜNDET UND (vor Gott) LEGITIMIERT HAT. Und dieser Grundsatz heißt AUSNAHMEZUZSTAND, heißt NOTSTAND, heißt jene Sonderbedingung, die der Verhinderung des größeren Übels wegen jedes Mittel heiligt. 
Mit Ausnahmenotwendigkeit begründet wurde der Prinzipienbetrug aber schon viel früher. Sowohl 1869 (als es erstmals und ebenfalls im Zuge der immer mächtiger gewordenen revolutionären und nationalistischen Strömungen zu einem "demokratisch gewählten Parlament" und damit zusammenhängenden Parteiengründungen kam), als auch 1932, und erst recht nach 1945. Immer stand das Böse kurz davor, die Welt zu übernehmen - das mußte verhindert werden. 
DIESEM Prinzip ist die ÖVP also im wahrsten Sinn NOTWENDIG treu. Denn die Anforderungen an eine Partei, die sich Wahlen stellt, widersprechen dem frommen Gebot, sich im Namen der Wahrheit und als deren Verfechter in Gottes Hand zu begeben, und zu tragen, WAS IMMER kommt weil von diesem Gott vorgesehen ist. 
Eine Partei muß in der Demokratie "besser als Gott wissen", was zu tun ist. Denn ihr Hauptgebot MUSZ die Herrschaftsmacht sein. ERST DIESE MACHT macht dann eine gottgefällige Politik möglich. Und diese Macht zu erlangen ist deshalb erste Pflicht. Erst dann kann versucht werden, eine gottgefällige Politik umzusetzen. Die dann aber gar nicht mehr möglich ist. 
Das ist Tragik und Aporie der ÖVP. Sie muß als Partei mit "gleichen Waffen" wie die Gegner kämpfen, will sie ihre Aufgabe als Partei erfüllen. Diese Mittel aber widersprechen ihrer innersten Sendung. 
Die ÖVP als Partei handelt somit schon in ihrem ersten Ansatz gegen die Wahrheit, daß der Zweck niemals die Mittel heiligt, und daß kein Gut mit einem falschen Mittel angestrebt werden darf. Und das gilt sinngemäß natürlich auch für die ausländischen Schwesterparteien, wie die CDU und - noch mehr - wie die CSU.
DAS IST ER NUN, DER GRUND, warum diese "christlichen Parteien" in den letzten Jahrzehnten und in gesteigertem Tempo eine Politik und vor allem eine Gesellschaftspolitik betrieben haben, wie sie kulturzersetzender nicht sein könnte. 
Heute sind sie von den Linken nicht einmal mehr zu unterscheiden, ja sind die Linken aus katholischer Sicht oft sogar schon das geringere Übel. Und aus heutiger Sicht möglicherweise immer schon das geringere Übel gewesen. 
Denn keine marxistische Partei hätte es gewagt und hätte die Mittel dazu gehabt, das Volk - vor allem die Ursuppe, siehe oben - derartig zu täuschen. Deren politischer Parteiung die Lüge eben das "zu ertragende geringere Übel ist, um die Macht der Bösen zu verhindern." 
Eine "christliche Politik" gibt es nicht, das wird einmal mehr und auch von dieser Seite her mehr bestätigt. Es gibt bestenfalls christliche Politiker. Aber denen ist es unmöglich, den faktischen Anforderungen der Demokratie zu entsprechen. Das ist die Aporie, an der die ÖVP zugrunde gehen mußte, und das zeigt die Naturwidrigkeit der Parteien-Demokratie, wie wir sie haben. 
Somit wissen wir nun, warum bis hin zur Kurz'schen Scharade die Wählertäuschung Grundprinzip jeder realen ÖVP-Politik ist. Weil sie ALS PARTEI die Täuschung "als notwendig und als das geringere Übel" zum Grundsatz gemacht hat, UM SCHLIMMERES ZU VERHINDERN, WESHALB SIE SOGAR PARTEI WURDE. 

Aber das wirkt immer. Notfälle, Notgesetze, Notmaßnahmen, oder die besondere Situation, daß sich sämtliche Politiker der ersten (übrigens nie gewollten; H. Portisch hat völlig richtig sein Buch über die 1. Republik mit "Der Staat, den niemand wollte" untertitelt) Republik Österreich nach 1938 im KZ Dacheu wiederfanden.
Sodaß sich die Politik nach 1945 überhaupt als der Not geschuldete Schicksalsgemeinschaft zu begreifen meinte, in der GANZ ÖSTERREICH "in einem Boot saß", und ... der ÖVP, die Ursuppe also, zugeneigt war. Was die ersten Wahlen ganz exakt (und diese Thesen weiter bestätigend) bewiesen haben. 
Die SPÖ mußte bis zu den letzten Mitteln - Mord* - gehen, um das ab 1971 und definitiv ab 1975 zu ändern. Im selben Maß hat sich das Christlichsoziale der ÖVP aufgelöst, und die Partei ist in den Marxismus getaumelt. 
Nicht natürlich explizit, aber in der Werthaltung. Bis dahin war ganz Österreich "Ursuppe". Sieht man von einigen KP-Gruppen ab, sowie von der post-nazistischen VdU - Verband der Unabhängigen - die sich wie die NSDAP (!) dem bürgerlichen Revolutionsprinzip von 1789 und 1848 verpflichtet sah. Aus der dann sowohl die SPÖ - Akademikerbund! - als auch die FPÖ hervorgingen. 

Nicht anders aber faßt die ÖVP ihre Mission auf. Und der Zweck heiligt ihr alle Mittel. Landesvarianten bestätigen nur diese Regel. Die Landesebene kann lediglich ein wenig auf Bundesebene mitmischen, weil eine gewisse föderale und sogar ständische Strutur (in den gesamtstaatlichen Bauern- Angestellten/Arbeiter- und Selbständigen-Bünden) die ÖVP bis heute prägt. Die Bünde braucht sie ja, um die Bundesebene überhaupt aufstellen zu können. Eine ÖVP als Bundespartei gibt es nämlich gar nicht (oder erst seit kurzem), es gibt nur die Bünde als Organisationen, denen beigetreten werden kann. Tatsächlich waren sie von Anfang an bundespolitisch verstanden.

Sodaß sie auch das - im dem Namen folgt die ÖVP programmatisch festgeschrieben nach wie vor der christlichen Soziallehre, aber das ist seit je nur Makulatur - diesen handlungsbezogenen Grundsatz der Christlichkeit regelrecht konstuierende Subsidiaritätsprinzip kaum noch Beachtung schenkt. Sie beachtet es nicht, und verwendet es lediglich aus Nutzengesichtspunkten.

Nach wie vor sieht sich die ÖVP nur zur (demokratischen) Politik legitimiert, wenn sie sich in einer NOTFALLS- UND AUSNAHMESITUATION erkennen kann. Sei es im Kampf gegen den Kommunismus (SPÖ), sei es im Kampf um ein Neonazi-Regime zu verhindern (FPÖ), sei es im Kampf gegen eine förchterlöche Pandemie (Corona), sei es - wie nun im Aufbau - im Kampf gegen eine russische Bedrohung. 

Wie bei jeder Ursuppen-Haltung, die immer von einer vorgegebenen Ordnung ausgeht, die unumstößlich ist, kann die ÖVP sonst keine Motivation aufstellen, warum die Menschen überhaupt zu einer Wahl gehen sollten. Weil die Demokratie eben als dauerhafte Volksorganisation naturwidrig ist. 

Von der sogenannten "Mitbestimmung" wollen wir hier deshalb nicht reden, WEIL das ständische Volk IMMER nur unter hoher, ja sehr hoher Selbst- und Mitbestimmung gesehen werden kann. Das war NIE anders, und wenn das heute anders behauptet wird, so ist es lediglich Frucht der revolutionären Aufklärungs- und Bürgerrevolutionsideologie von 1789 und 1848, die sich nur legitimieren konnte, wenn sie die Vergangenheit verleumdete. Aber nie hatten die Bürger mehr an relevanter Mitbestimmung, als unter den feudalen Systemen, um es kurz zu machen (denn begründet und historisch dargestellt haben wir es hier ja längst.)

Damit kommen wir wieder zurück zum Ausgangspunkt. Zur Gegenwart, in der sowohl die Ursuppen-Partei ÖVP wie auch die von ihr beherrschten Massenmedien nun auf eine Taktik der Verwirrung umgeschwenkt haben. Nur so kann sie dem Vorwurf der Verlogenheit und Manipulationsabsicht ausweichen, der der Partei wie ihren Medien vor fünf Jahren fast das Genick gebrochen hat. Um durch die neue Methode der Lüge das Rationale selbst zu lähmen. Indem sie "nur Wahres" berichtet.** 

Ohne darauf einzugehen, daß sich das Wahre des Einzelnen ERST AUS DER GESAMTORDNUNG DES SEINS erschließt. Nur von dort, nur von Gott selbst also, kann jenes Licht ausgehen, das auch das Kleinste erhellt und erkennen läßt. Während der Rationalismus der Aufklärung ja das Gegenteil erklärt. Daß sich das Ganze nämlich aus der Summierung und dem Endprodukt des Einzelnen ergeben soll. Und das ist schlicht und ergreifend falsch und ein Irrtum, in der Hauptsache aber eine (nützliche) Lüge.

Somit haben also die Medien als Träger einer Durchdringung des Aktuellen wie Aktualistischen in der Suche nach dem Dauernden, Ewigen, Bleibenden des Insgesamt (das erst DIE Wahrheit ist) selbst aus dem Spiel genommen. Plausibel gemacht durch die dem Volke leicht zu verkaufende Mär, daß die Welt so komplex ist, daß sie sich nicht wirklich verstehen und ordnen lasse. Ein Insgesamt wird somit zu einem "immer überraschenden, nie vorhersehbaren Resultat", das die Zeit ergibt. 

Darf ich dazu das wirkliche Fazit sagen? Es ist die Taktik, mit der die Menschen insofern getäuscht werden sollen, als das (sehr wohl vorhersehbare, und sogar bewußt und aktiv angestrebte) Ergebnis des Handelns zu einer perfiden Taktik der Übertölpelung wird. In dem die Menschen schließlich tatsächlich überrascht feststellen werden, daß es JETZT SCHON ZU SPÄT IST.

Weil dann das behauptet wird, was ja auch gerne mal herangezogen wird. Der Satz, den Karl Marx gerne verwendet hat. Daß die wirkliche Macht die des Faktischen ist. Daß die Geschichte der Menschheit zu einer Geschichte als "normative Kraft des Faktischen" gesehen werden muß. 

Angeblich. Denn was schon Hegel gerne gehabt hätte, um aus der Weltautomatik Gott draußen halten zu können, der ihn sonst (wie er meinte, aber nie zugab) aus moralischen Gründen verurteilt hätte - es stimmt ganz einfach nicht.



*Ich bin aus mehreren Gründen (darunter der Berufung auf Augenzeugen der innersten Vorgänge der Politik in Österreich) und keineswegs alleine der Überzeugung, daß der Unfalltod des ÖVP-Ministers und Kanzlerkandidaten Karl Schleinzer am 19. Juli 1975 (dem Geburtstag meines Vaters, siehe oben, gleichfalls Bauernbündler), nur elf Wochen vor der Nationalratswahl, ein Auftragsmord an diesem letzten wirklich christlichsozial denkenden Poltiker Österreichs war.

**Sogar die Kirche, extrem ÖVP-dominiert - siehe die Häresie des Amerikanismus, um das prinzipielle Problem darin als Problem der IDEOLOGIE ALS UNKATHOLISCH zu zeigen - mischt kräftig mit, und besitzt gut ein Drittel der Massenmedien im Land. Das ist in Deutschland nicht anders.