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Montag, 7. März 2022

Zwischen hier und anderswo (4)

             Symbolphoto - Dieselgenerator auf LKW          
Man darf mit Heiterkeit quittieren, was allenthalten zu lesen stand. Wer ein paar Hintergründe zur Energiewende kennt, und diese dann mit dem Inkompetenzkoeffizienten des in die Hohe Politik abgewanderten, sonst arbeitslosen Akademikerproletariats multipliziert, wird noch herzlicher über das lachen, was sich in Lyon in diesen Wochen zugetragen hat. Dort, in der Auvergne, hielten nämlich die EU-Außen- und Gesundheitsminister ein Tagungspläuschchen ab.

Um allen diese noblichthen Härrn und Deemchen aber die Zukunft der energiegewendeten, grimmiggrünen Welt schön g'schmackig zu machen, wurden sie vor, nach und während der Veranstaltung mit Elektro-Autos gefahren. Also vom Flughafen zur Kongresshalte, später wieder zurück, mancher (der noch zwei Tage Ferien anhängte - man gönnt sich ja sonst nichts) gleich mal zum Hotel, ein anderer direkt zum Cocktailempfang. 

Wieder einer, der für einen Zoobesuch mit seinem Enkerl ein paar Stündchen Tagung schwänzte. Oder einer, der einfach und schnöde zum Shoppen in ein Öko-Vorstadtzentrum der 500.000 Einwohner-Stadt oder wo auch immer hin gebracht werden wollte, um seiner Mizzi in Strömbachenleiten ein echt französisches Andenken zu besorgen. 

Zu solchen kleinen Selbststreicheleiheiten (wobei manche Existenzen sind ohnehin nur noch zu solchen geworden, als Faustregel gilt sogar: Je mehr Elite, desto mehr) wurde seitens des Veranstalters indirekt ermutigt. Denn der eigentliche Zweck der Sache lag ja darin - im "Fühlen", wie großartig eine solcherartg mobilisierte Zukunft sein würde, Heiligung inclusive. 

Man schickt ja auch Ärzte nicht auf Kongresse nach Hawaii, weil sie "klüger" werden sollen. Wer will den sowas? Wo doch ohnehin die Patienten schon klüger sind als jeder Arzt. Und jeder Akademiker mit dem Diplom fortan unbelehrbar ist. Was alles und für beide Seiten lustigerweise dieselben organisieren, die solche Kongresse in Ärzteleben drapieren. 

Nah mußten die Ziele halt sein, denn weit konnten alle diese Fahren nicht gehen, schon vergessen? E-Autos! Da ist Bescheidung aufs Nötigste (es sei denn, man hat ohnendlich viel Zeit) bereits im Preis inkludiert, das vom Käufer Nicht-zu-Benötigende, seine Zukunftsersparnis, bereits heute auf den Preis draufgeschlagen, sonst wären die - dafür zum Gutmenschen dekorierten - Käufer ja nicht in der Lage, derartig teure Kisten zu kaufen. 

Die nicht nur nicht mehr, sondern (schon gar, rechnet man aufs gleiche Geld) extrem viel weniger konnten, als alle die Diesel und Super verbrennenden Autos vorher. 

Sodaß man eigentlich die Chuzpe bewundern muß, mit der manche es geschafft haben, immer wenige zu immer höheren Preisen zu verscherbeln, während die Kunden Orden für die Tapferkeit verdienen, das nicht sehen zu wollen, weil sich sonst die Vernunft endgültig melden würde.

Aber der Höhepunkt dieser Demonstration grünschmissiger Futurologie - VORBILDER VORAN! - und der wirkliche Einblick in die Zukunft der Mobilität fand sich sowieso am Parkplatz, nicht bei den Autos.

Denn dort standen angemietete Riesendinger, die sich beim näheren Hingucken als Dieselgeneratoren auf LKWs entpuppten. Die ständig liefen, um nämlich folgendes Problem zu lösen: 50 ökologisch weltrettende E-Autos in der Großstadt Lyon überfordern das dortige ökologisch weltrettende E-Tankstellennetz. 

Aufladen, wie nach Luft schnappende auftauchen, um einen kräftigen Schluck vom E-Netz zu saufen, wäre den Chaffeuren woanders auch kaum möglich gewesen. Denn es gibt in Lyon und Umgebung nur eine Handvoll E-Schnelllade-Tankstellen, weil offenbar nicht gar so viele E-Autos. Aber selbst wenn es mehr gäbe, auch dann wäre es zu kompliziert gewesen. 

Außerdem sind diese Autos nicht einmal zuverlässig, was die Reichweite angeht. Zu viele Faktoren können sie verändern (soll heißen: begrenzen), allesamt unvorhergesehen. Zu kalt, zu warm, zu trocken, zu feucht ... Damit diese Ökoblechkisten aber immer fahrfähig blieben, wurden sie regelmäßig an der Steckdose des Dieselgenerators aufgeladen. Noch gibt es ja den Strom nicht im Ersatzkanister

Was blieb einem denn übrig, wo doch die Autos PERMANENT verfügbar sein sollten. Und das ist halt eine Sonderbedingung, das muß man doch berücksichtigen. Ein Auto, das immer verfügbar ist - so etwas braucht man doch normalerweise nicht? (Hm, kauft man nicht deshalb ein Auto, weil es genau das ist - jederzeit verfügbare Mobilität? Oder denke ich das zu verkehrt?)

Jedenfalls, sagen Sie das alles einem E-Auto. Abrakadabra, sei jederzeit verfügbar! Man kann auch nicht (noch; E-Phantasie stachelt ja die Innovationskraft an, wie wir wissen, der Satz "Das kriegen wir auch noch gelöst" hat bei der Weltrettung ohnehin seine besondere Bedeutung, ja man könnte fast sagen, daß die gesamte Weltrettng als Teil der Philosphie der letzten 200 Jahre auf diesem Satz aufgebaut ist) nur die Hälfte der Wagen quer durch die Stadt schicken, während die andere lädt. 

Auf welcher Reise diese nämlich leider auch gleich mal wieder ein Gutteil des aufgekofferten Stroms durch unvorhergesehene Umstände verglühen. Sprich, die Sache ist insgesamt viel zu unzuverlässig, um einen guten Eindruck zu erzeugen. 

Stellen Sie sich dazu doch einmal vor, was passieren kann, während der Außenminister (sagen wir: von Österreich) einen wichtigen Termin in der City hat. Wer rechnet dann bitte damit, daß man fünfzehn Minuten hinter einem Müllwagen nachschleichen muß? Eben. 

So eine als einfach vorgestellte Fahrt kann zum wahren Testextrem werden, wie es im Alltag gar nie vorkommt, wie wir wissen. Dieser Hinweis, das gerade Geschehende auszublenden weil es nicht zum normalen Belastungsprofil gehört, blinkt jedenfalls in orangegefärbter Aufschrift am Armaturenbildschirm, den Grüne meist sogar ständig vor die Augen gespannt haben.

Auch mit einer anders gedachten Planung kommt man da nicht weiter. Wer sollte dann etwa verwalten, welcher Wagen grad für wie viele Kilometer noch genug Saft hat, und deshalb für die und die Strecke gerade zur Verfügung steht? (Wobei: Das kriegen wir irgendwie gelöst, sobald 5G auch in Lyon lückenlos läuft.) Die Tagungsverwaltung? 

Also griff diese zur - ausnahmesweisigen, natürlich, alles ausnahmesweise! - Radikallösung: Und stellte ein paar Dieselgeneratoren hin, die hinten verqualmen, was vorne an der grünen Steckdose an "100 % Öko-Strom" wieder in die Autoakkus reingepfriemelt wird.  

Hauptsache ist ohnehin, daß die Grünbegeisterung für die Herren und Damen Außen- und Gesundheitsminister geweckt oder gesteigert wird, einen Blick auf die glänzende Zukunft eröffnet. Sodaß diese dann ihren Regierungen mitteilen, daß sie in Lyon schon VOLL UND GANZ MIT E-AUTOS UNTERWEGS gewesen seien - ES FUNKTIONIERT, wie sie dann in die Kameras murmeln, wenn sie in der Sonntags-Talk-Show überlegen die Kritiker richtigstellen. 

Weil das doch auch in ihrem Land möglich sein sollte, was andere längst hinkriegen - ich war dabei!? Und wie der Wähler erst anspringen wird, wenn man ihm diese freudige Mitteilung macht, daß die Welt doch noch gerettet werden kann, jetzt, zwei vor zwölf. Durch den Verzicht des einfachen Volkes auf diese bösen bösen Verbrennermotorenautos. Ich habe doch gesehen, daß es funktioniert, also sperren Sie sich doch nicht so irrational rechtsradikal abdominal.

Dieselgeneratoren für die Politik wird es übrigens vorerst in genügender Anzahl geben. Denn stellen Sie sich vor, es gibt Stromausfall wegen Terror-Cyberattacken, absichtlich weil in terroristischer Absicht gedrosseltem Wind in der Puszta, und gleichzeitig terrorinduziert-blindgescheuerten Solarpaneelen im Nachtbetrieb. Wie soll dann eine Regierung weiter regieren, und in einem Land, in dem alles auf Strom gestellt ist, ihre Erlässe zum Lockdown wegen von Terror verursachtem Energienotstand WEGEN DER KLIMAERWÄRMUNG DURCH KOHLENDIOXYD der Bevölkerung kund- und zu wissen geben? Durch Brieftauben und Pferdekuriere? Grün und voll modern, das ist die Zukunft!

Dennoch warte ich auf eine nächste Dieselgeneratoren-Generation. Die es dann auf einem Anhängergestell gibt, sodaß man ihn an ein 100 % Öko-E-Auto in wenigen Handgriffen ankoppelt. Starterkurbel herumgeworfen, Kabel angeschlossen, und schon fährt man und fährt man und fährt man völlig CO2-neutral, bis der Dieseltank leer ist. Und Diesel gibt es ja überall zum Nachkaufen. Leider. Noch.

Aber zu früh gefreut, werte Zyniker. Denn längst sind überall Gesetze erlassen, daß mehr E-Autos produziert und natürlich dann auch verkauft werden MÜSSEN. Dafürt werden erst ein paar Fördermilliarden an die Produzenten, und noch mal ein paar Fördermilliarden "an die Kunden" vergeben. Geschenke an die Kunden. Daß man das immer noch so sehen kann, muß einmal jemand verstehen. Aber das ist er eben, der neue soziale Kapitalismus. Man steuert und lenkt, und der Oligarch denkt.

Dann werden aber die Städte noch einmal aufgegraben, Kabel verlegt, und schon werden auch die E-Tankstellen blühen und grünen. Was für ein Erfolg der freien Marktwirtschaft. Wär doch gelacht, wenn wir die Welt nicht auch gleich mit retten könnten. 

Auch wenn 2021 den nächsten Rekord an Kohleverbrauch durch die rasant steigende Zahl von Kohlekraftwerken in Indien und China brachte. Dort, und natürlich auch anderswo.


Erstellung 28. Februar 2022 - Ein Beitrag zur