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Mittwoch, 23. März 2022

Die Geschichte ist voll davon (3)

Da zeigte sich die Vollgestalt eines Schemas des Schreckens. Oh mein Gott - so also nehmen die Dinge ihren Lauf!? Dinge, die uns so wohl bekannt sind, und vor 150, 120 Jahren einen Sub-Kontinent in Chaos und Verwirrung stürzten. Hat das aber gar etwas mit uns zu tun? Jetzt meine ich, jetzt gerade? Trösten wir uns mit Schönem aus der Schatzkiste eines meiner größten Vorbilder - Also: Das kolumbianische Parlament hatte den dummen Einfall, diesen Vertrag mit den USA, den man nun doch als die staatliche Souveränität regelrecht zertrümmernd einschätzte, sodaß man nicht mehr Herr im eigenen Haus sein durfte, doch nicht zu ratifizieren. 

Man wollte diesen Kanal nun doch nicht, besann sich, daß er fürs eigene Land gar nicht viel bringen würde, ja es könnten sich in der Zukunft sogar Nachteile zeigen, die man jetzt noch gar nicht sehen konnte. Um dabei aber Risiken einzugehen, dazu traute man den Amis viel zu wenig über den Weg. Die sich mit so einem einbindenden Vertrag doch recht kräftig in heimische Angelegenheiten einmischen könnten. Sodaß es im schlhimmsten Fall  überhaupt keine innerstaatlichen Angelegenheiten mehr geben könnte, die die USA nicht zu ihren machten, WEIL diese nun praktisch immer US-INTERESSEN berühren könnten. NO, sagte also das kolumbianische Parlament, NADA.
Da entstand etwas Seltsames, etwas, das bislang noch nie jemandem aufgefallen war. Plötzlich gab es in der Provinz Panama große Unzufriedenheit mit der Regierung in Bogota. So groß war die offenbar, daß erst eine rebellische Bewegugn entstand, die ganz rasch zu einer aufständigen Bewegung wurde, und schließlich in einer SEPARATISTISCHEN BEWEGUNG überging. 
Plötzlich wollten also die Einwohner der Provinz Panama ein SELBSTÄNDIGER STAAT werden. LOS VON BOGOTA, hieß es mit einem mal, FREIHEIT VON KOLUMBIEN, wurde in Demonstrationen skandiert, PANAMA DEN PANAMESEN, brüllten die Schlagzeilen der Tagblätter. 
Und Washington nickte verständnisvoll. Denn Washington war immer schon auf der Seite freiheitsliebender Völker gestanden.
Was jetzt in der Provinz Panama passierte, läßt sich also in wenigen Sätzen beschreiben, Denn die Tangenten sind angelegt, und Ihre Phantasie, werter Leser, erkennt den Zielpunkt sicher längst. Denn wir kennen diese Geschichte, wir haben sie immer wieder und wieder erzählt bekommen. Auch natürlich von Nicht-Amerikanern, denn die Taktiken garantierten Erfolgs sind keine Erfindung der Amis. Die entstammen allgemein den Schattenseiten der gefallenen und je weitervererbten menschlichen Natur. 

Von den Amis stammt lediglich die Skrupellosigkeit, in der sie diese Schwäche zur Heilshaltung umwandelten, ja zur Staatsphilosophie machten, als Zuckerröslein auf der Kapitalismustorte, die unter der Flagge der Freiheit die Welt umsegelte. Wobei sie ihre Grundtechniken ja aus England mitgebracht haben, so ist es ja nicht. Diese konnten sich aber dann in dieser überdimensionalen, mit Resourcen übervollen, grenzelosen Neuen Welt viel freier entfalten, und haben sich sofort gegen die Engländer selbst gewendet. Denn was war und ist in der südlicheren Hälfte Nordamerikas NICHT gigantisch, was NICHT besser und schrankenloser?!

In Panama brach kaum, daß die Parlamentsangehörigen in Bogota zufrieden in ihre Häuser heimgekehrt waren, weil sie sich gegen die Amerikaner vermeintlich zur Wehr gesetzt hatten, urplötzlich eine Revolte aus, die das erst noch recht vorsichtig agierende kolumbianische Militär - man mußte doch mit den Menschen dort auch wieder einmal zusammenleben können, bitte, da konnte man nicht große Wunden reißen! - nicht unter Kontrolle brachte. 

Am 3. November 1903 erklärte sich Panama für unabhängig. Erst jetzt reagierte Bogota. Aber nun war es zu spät. Ein amerikanisches Kanonenschiff verhinderte sogar die Landung kolumbianischer Truppen, die den Unruhen endlich ein Ende machen wollten. DREI TAGE SPÄTER, also am 6. November, anerkannte der amerikanische Kongress die REPUBLIK PANAMA. 

ZWÖLF TAGE SPÄTER unterzeichnete die neue Regierung des neuen Staates Panama ein Abkommen mit den USA, das diesen das Recht einräumte, einen Kanal durch den Isthmus zu bauen. Und luftige fünf Jahre später übergab man den Amerikanern in einem feierlichen Akt offiziell die Kanalzone, während man im selben Abkommen Kuba okkupierte. 
Denn mit dem nun amerikanischen Kanal in seiner weltpolitischen und ökonomischen Bedeutung war natrlich auch die "Verantwortung" der USA gewachsen. Mit einem Schlag war der gesamte Kontinent zum Vorhof des amerikanischen Staates geworden. Was immer dort passierte, tangierte hinfort auch die Interessen der amerikanischen Regierung sowie seiner Bürger bzw. umgekehrt.
Ganz Südamerika kochte. Aber es war bereits machtlos gegen das, was nun alles kam. Eingesperrt in liberalistische Abkommen, für deren Durchsetzung sich nicht nur eine neue Militärmacht aus dem Norden konstituiert hatte, sondern für die auch höchst amerikafreundliche Regierungen installiert und "beschützt" worden waren, geriet der Kontinent in die Hände des "Freien Marktes", sprich: Amerikanischer Großkonzerne. Die bald mehr Macht akkumulierten, als es sich sämtliche Regierungen zusammen je hätten erträumen können. 

Der Zorn der südamerikanischen Völker aber, die regelrecht vorgeführt worden waren, mußte sich vorerst noch im Keller verbergen. Erst nach und nach wagte er sich an die Sonne, und hatte meist bitter dafür zu bezahlen.
Der Rest der Geschichte ist bekannt. Der Weg Südamerkas in seine Wirren des 20. Jahrhunderts war eröffnet. 
Aus dereinst blühenden, kleinbäuerlich geprägten Landschaften und Städten (man denke nur an Buenos Aires, das schöner und wohlhabender als Paris gewesen sein soll), aus wohl fundierter Lebensweise und gemächlichem Wohlstand für (fast) alle, 
wurden kleine Zirkel von Superreichen, Mordbrigaden, Drogenbarone, Privatarmeen, Hungersnöte, Megastädte (die immer ein Zeichen für das Auseinanderklaffen von Reich und Arm weil einer schleichenden Enteignung der Kleinbauern sowie einer Auslöschung des Mittelstandes sind, die alle in die Städte strömen, weil sie sich dort ein Überleben erhoffen - siehe England im 16. Jhd., siehe Rom in der Kaiserzeit, siehe ... siehe ... siehe ...), Skandalregierungen, Staatsbankrotte, Korruption, Favelas und der wohlbekannte revolutionäre Sozialismus. 
Und ist uns das nicht alles wohlbekannt? Findet das nicht auch heute wieder und wieder statt? Könnte das nicht sogar 1000 km weiter östlich eine gewisse Rolle spielen, und zwar jetzt gerade? 

Werte Leser, werte Herren, liebreizende Damen, Gruß auch den Studiosi in ihren Kammern! Ich endige hier. 

Indem ich eine Wendung eines meiner großen schriftstellerischen Vorbilder entführe, des im Rufe der Heiligkeit erst vor wenigen Jahrzehnten im zarten Alter von 104 Jahren verstorbenen Dominikanerabtes Suger von Brabant aus dessen Analectae: Historiae Anticce (Leyden, 1923-28; Bd. II-p.55 §§7ff.) In der er das Folgende sagt, ich zitiere: 

"In der wildromantischen Hoffnung, das Glimmen, das ich hier mit einem groben Kienspahn weiterzugegeben versucht habe, und in der wildmütigen Hoffnung, es möge am Wege zu Ihrem Herzensherd nicht schon zwischen diesen Seiten verglommen sein, wenn Sie das lederbundne Bändchen eines Tages zur Hand nehmen, und entzünde ihn ihnen jenes eygen Geistesstürmen, daß sie an der Hand der sanften Geisteslüfte ein Licht gewahren, das in ihre eigene Gegenwart so stark leuchte, daß sie die Welt zu betrachten vemöchten, und so entdecken, dass nicht die Zeit bleibt und die Geschehenss vorübergehn, sondern die Geschehenss die Achse sind, um die sich diese Illusion der Zeit dreht. Weil sich alles nicht einfach nur widerholt, nein, weil die tragenden Säulen der Geschehnisse immer am selben Platz stehen."

Oder, mit meinen eigenen viel unbeholfeneren Worten: Schauen Sie doch, ob nicht das, was vor hundert und hunderte Jahren geschah, dasselbe ist, wie es heute geschieht. Nur an anderem Ort, und fein ausstaffiert und dekoriert mit einer anderen Jahreszahl.

Alsdann!


Erstellung 15. März 2022 - Ein Beitrag zur