Der sogenannte Traditionalismus verweigert der eiugenen Elterngeneration die Übernahme DERER Tradition, um dabei nicht einmal auf die vorletzte Generation zurückzugreifen, sondern auf einen Fixpunkt irgendwann in der Vergangenheit. Man nennt das eigentlich nicht Traditionalismus, sonder Archäologismus.
Auch viele der sogenannten Traditionalisten (ich beziehe mich dabei auf viele prominente Namen, darunter honorigste Leute wie M. Mosebach, und der ist keine Ausnahme) und oft eifrige Verfechter der von ihnen nun übernommenen Gestalten, sind in Wahrheit Konvertiten. Die ihre Religion gar icht von den Eltern, sondern von irgendwoher übernommen haben. Was SIE SELBST ENTSCHIEDEN haben.
Ich sage nicht, daß sie falsch gehandelt haben! Ich sage auch nicht, daß sie sich geirrt oder sonstwas haben! Ich sage nur, daß der Widerspruch auffällig ist. Sie alle haben etwas NICHT übernommen, das zu übernehmen gewesen wäre, um auf etwas zurückzugreifen, das ihnen besser vorgekommen wäre.
Und ich sage, daß ich persönlich der Auffassung bin, daß dies NIEMALS zu einer Haltung der Tradition führen KANN, weil es in sich eine REVOLUTIONÄRE HALTUNG ist und war. Für alle diese ist und kann Tradition und Traditionalismus NUR EINE BEHAUPTUNG, wenn nicht eine Simulation sein, wenn nicht soga rnoch mehr - eine Art Magismus.
Denn sie erwarten von den Formen etwas, das sie nicht IN DER HALTUNG HABEN. Von den Formen soll sich TECHNISCH jenes Gut erschließen, das ihnen ihre EIGENE Tradition NICHT GEGEBEN HAT.
Noch einmal, ich verdamme das nicht, dazu sehe ich mir nicht das geringste Recht, schon gar nicht weil ich das Glück hatte, IN MEINER TRADITION aufgewachsen zu sein, und in meinem persönlichen Glaubensleben nie einen Bruch gehabt zu haben, von "einer zur anderen Richtung" springen hatte müssen.
Wogegen man gar nichts so recht zu sagen weiß. Denn darin hatte er wohl durchaus Recht.
Die Frage kann also nur sein, ob die Bekehrung, die Jesus Christus von allen Menschen verlangt - Kehrt um und glaubt an das Evangelium! - auf daß sie NUR SO gerettet werden könnten, so zu verstehen ist, daß sie auch einen Bruch in der Tradition des EIGENEN LEBENS bedeutet.
Und das unterscheidet sich völlig von der oft zu hörenden Aussage, daß mit der Tradition AUCH DIE ALTE, NICHT CHRISTENTUM SEIENDE RELIGION gemeint sei. Nicht einmal für das gilt das, was wir Konfessionen nennen, wie alle die Protestantismen oder die Orthodoxie im strengen Sinn. Die rein technisch gesehen nur einen "Vorteil" hat:
Sie schließt mit der Tatsache der Tradition als der UNGEBROCHENEN SUKZESSION DES PRIESTERTUMS bis hin zu den Aposteln, zu Jesus Christus, und von diesem sogar noch weiter an den Anfang der Menschheit, über Melchisedek dann zu Adam.
OHNE diesen Anschluß, ohne diese gehorsame Übernahme des Sakraments, wäre die Orthodoxie tatsächlich nichts anderes als ein dümmlicher Protestantismus, der "Kostüme anzieht und Vergangenheit spielt."
Und wir? Was haben wir zu tun, wir Katholischen, um es damit so richtig zu sagen. Denn Katholisch SEIN ist ja noch einmal etwas anderes - eine Ziel- und Wunschvorstellung, keine Aussage über den wahren Zustand in dem wir sind. Den kennt nur Gott, und wiel wir nicht heilig oder völlig sündenfrei sind, SIND wir eben nicht restlos KATHOLISCH, sondern wir sind nur DIE KATHOLISCHEN.
Wir haben am Ende unserer Jakobsleiter des Lebens die leuchtende Gestalt des Herrn und Gottes selbst stehen. Und dieses Licht leuchtet uns in jedem Fall, wenn wir zum NOM gehen. Der für so viele von uns überhaupt die einzige Form ist, die sie je noch kennengelernt haben. Und den wir zwar kritisieren können, weil er DIE GNADE DEFIZIÖS, also mangelhaft WEITERGIBT. Doch bleibt die Frage, ob das nicht einer (technisch, theoretisch gesehen) "besseren" Form (und: Was mcht sie dann besser?) Form vorzuziehen ist, die in sich bereits eine Haltung des Ungehorsams IST.
Ich bin nicht zufrieden mit der so mangelhaften Verehrung Gottes und kultischen Praxis des Opfers Christi. Überhaupt nicht. "Der Eifer für das Opfer verzehrt mich!" Aber ich habe mich in den letzten Jahren von einer "dichotomen Praxis" abgekehrt, und mache lediglich ab und zu Ausflüge in die Vergangenheit MEINES EIGENEN GOTTESDIENSTES, des NOM. Und das ist die Orthodoxie, und das ist die Traditionelle Messe im "Alten Ritus".
Den ich nur in seltenen Fällen insoweit für widerspruchslos TRADITIONALISTISCH halte, wo er ohne Unterbrechung und in strengem Gehorsam den Eltern - nicht den Großeltern! - gegenüber gefeiert ud gepflegt worden ist.
Sodaß er nie in die Verlegenheit kam, museal und starre, leere, ja magische Form zu werden. Was bedeutet, daß ich den allermeisten jener angeblichen "Hoffnung der Kirche", den angeblich "so vielen Jungen, die die Alte Messe besuchen," ihre wirkliche Traditionsbezogenheit gar nicht glaube.
Weil der NOM ihrer natürlichen kulturellen (und ja, gewiß, äußerst defiziösen!) kulturellen Prägung (die heute eine Nicht-mehr-Prägung ist, wenn niht eine Anti-Prägungs-Prägung, der man aus ganz anderen Gründen und in ganz anderen Formen widerstehen muß: WEIL man das Überlieferte als das Gute in einem! bewahrt und ehrt) weit mehr als der Kult ihrer Generation entspräche.
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Womit wir schon einmal zurück bei den Jesuiten sind. Und ihrer eigentlich haargenau gleichen Auffassung: Daß die Gnade nur an der Natur ansetzen könne - oder GAR NICHT. Denn dann ist alles Vermessenheit, in der ich mich Gott nähere: Ohne Schüssel in der Hand, ja ohne Hand, kann ich nichts empfangen.
Genau das haben die Jesuiten zu pflegen versucht, und genau damit hatten sie sensationelle Erfolge in ihrer Mission. Sie haben sich bis in die Haarwurzel in die Lebensweise ihres Gastlandes eingefügt.
Von den Indianermissionen in Kanada wird solches berichtet. Manche haben drei undmehr Jahre auf JEDE Missionsbemühung verzichtet, um Sprache und Lebensgewohnheiten (außer der Sünde, wie der Promiskuität oder des Inzest, alles altbekannte, schwere Unsitten vieler Indianerstämme, die leider bis heute weiterbesteht) anzugleichen. ERST DANN haben sie begonnen, von ihrem Glauben und von Jesus Christus zu sprechen: Wenn sie sich die volle natürliche Vertrauenswürdigeit ALS MENSCHEN erworben hatten, konnten sie ihnen Priester sein. Als Vollglieder des Gefüges der Tradition also.
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Und Mission war genau genommen eine französisch-jesuitische Angelegenheit, in der Nordamerikanischen Welt sowieso, speziell in Kanada. Das riesige, extrem dünn besiedelte (also in jedem Fall höchst individualistische, WEHR WENIG traditoinalistische Land, weil ja gar keine reale, soziale Kette da ist, in die man sich einfügen kann, wenn man in der einsamen Waldprärie eine Hütte baut, und irgendwann eine Indianersqaw an den Haaren herbeischleppt, wobei man freilich eine andere Tradition - überspringend! - aufgreift, die des Frauenraubs) diese so europäische, abendländische Prägung verdankt.
Die jedoch vom Puritanismus der Engländer, der die persönliche, historische Erbe total ablehnt, der also reolutionär ist bis aufs Arschgeweih (man nennt das so, das ist kein vulgärer Ausflug, werter Leser, Sie wissen das ja, ich sage es für die, die hier lesen und KEINE LESER sind), förmlich überflutet und in der aggressiven Flut verwüstet worden ist.
Die Indianermission der Jesuiten ist deshalb so lebendig und bekannt, weil sie in einer sensationall umfangreichen Dokumentation zugängig ist, die bis heute in Paris aufbewahrt wird. Weil alle Jesuiten-Missionare die Pflicht hatten, laufend, wenn nicht täglich Journale zu führen, und sie möglichst alle Monate nach Paris zu schicken. Wo sie ausgewertet und sofort in die weitere (und immens harte) Ausbildung der Missionare eingeflossen ist.
Als Beispiel: Manche mußten sieben Sprachen fließend zu sprechen lernen, ehe sie überhaupt in Bedacht kamen, in die oder eine bestimmte Mission geschickt zu werden, und wahrlich: Die Jesuiten in der Pariser Missionsschule BRANNTEN VOR EIFER WEIL LIEBE ZU DEN MENSCHEN, und wer nicht brannte, war sowieso als Missionar ungeeignet.
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Vielleicht hat die Kirche deshalb die Mission in den 1960ern eingestellt, und auf linksorientierte "Entwicklungshilfe" umgerüstet: Die Liebe in Europa war erloschen, wie sollte also das Feuer der Liebe Christi weitergegeben werden können? Was sollte überhaupt dann weitergegeben werden? Eine "Lehre"?)
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Der missionarische Ansatz der Franziskaner ist älter, natürlich, die Jesuiten wurden ja erst Mitte des 16. Jahrhundert gegründet. Ignatius von Loyola lebte in einer Zeit, wo an der einen Ecke Cervantes den Höhepunkt der europäischen Literatur (knapp vor dem 1000 Kilometer nördlich lebenden Shakespeare) Wirklichkeit werden ließ, während die größten Religionsreformer der Geschichte, wie die Hl. Theresia von Avila, ihre gigantischen Projekte in die Tat umsetzten. Der Hl. Ignatius starb am 31. Juli 1550. Man kann sich die kulturelle Atmosphäre, die Lebensweise der Spanier also nur in den schönsten Farben ausmalen. Was für ein Volk muß das einmal gewesen sein!
Die Franziskaner missionierten anders. Sie setzten mehr auf die Radikalmethode, so wie Franziskus ja auch die Lebensweise radikalisierte. Das hatte schon bei diesem Heiligen etwas Unnatürliches, und war als allgemeine Lebensform deshalb auch häretisch zu benennen. Man kann das Franziskanische nur als Ergänzung, als Facette sehen, die eine Kultur braucht, die sonst auf der Gegenseite vom Tisch kippt. Und in Gier und Neid und Lüge und Wollust zerfließt.
Das hat sich auch in der Mission gezeigt. Wo sie wenig Erfolg hatten, weil sie eine Art der Gottgefälligkeit verlangten, die als normale Lebensweise für die Menschen gar nicht möglich ist, und nichts taugt! Denn man kann den normalen Menschen nicht zum Fastenmönch erziehen wollen. Ihm bleiben nur die Fastenzeiten als die eigentlichen franziskanischen Zeiten seines Lebens, und sie sind ihm nicht wünschenswert. Sondern eben - Korrekturen. Vorbereitungen.
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Das eigentliche Leben beginnt erst, wenn sie abgeschlossen sind. Dann kommt Ostern. Und mit Ostern beginnt alles. (Deshalb auch der Sonntag als der neue Berginn, der erste Tag der "alten Woche" - auch er somit KEIN Traditionsbruch, sondern im Gegenteil, ein Anknüpfen an die Tradition, weil der Sonntag ALS ERSTER TAG DER WOCHE von genau diesem Lebensgefühl selber lebte: DER ERSTE TAG DES LEBENS ZU SEIN. Der gleich mit einer Feier und einem Fest beginnt.
Es ist nicht natürlich für den normalen Menschen, nurin der Fastenzeit leben zu wollen. ES SEI DENN eine ganze Kultur ist so abgerutscht, daß sie nur durch eine LANGE und möglichst kollektive FASTENZEIT zu heilen wäre. In der durch den Schmerz des Verzichts und der Kasteiung.
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Durchaus mit der Flagello und dem Dorn im Schuh, oder der trockenen Erbse, wie es noch meine Urstrumpftanten vor siebzig achtzig Jahr auf ihren Wallfahrten gemacht haben, was mir selbst bereits als VÖLLIG ÜBERZOGEN und widerwärtig, abstoßend bigott auszutreiben versucht worden ist. Freilich, ohne mir eine zeitgemäßere Alternative beizubringen.
Diese Anknüpfung mußte ich mir also selbst suchen. Denn auch hier wurde die Gesamtkultur verarmt, INDEM man die eigene Kultur nicht mehr weitergegeben hat. Und das würde ich als die größte Versämnis meiner Elterngeneration sehen: Sie hat sich selbst versteckt, das war ihr "Vergehen".
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Der Kranke ist von der Fastenpflicht insofern ausgenommen, als er ohnehin bereits mehr leidet als lebt, sozusagen, sein Sühneüberhang über den Lebensgenuß auch so besteht. Und ich tue mir auch schwer, hier ein Maß zu finden, in dem ich wüßte, ob ein "Gusto", ein Appetit auf etwas eine notwendige Zufuhr bedeutet, oder "überschießende Maßlosigkeit" ist. Im Zweifelsfall entscheide ich eher dafür, das Gewünschte auch zu "essen", möglichst aber in strenge Maßen.
Morgen im selben Atem weiter: UKRAINE als Schnittlauch auf jeder Suppe. Architektur, der Heilige Raum als Grammatik von Beziehungen. Die geraubte Zeit.