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Mittwoch, 31. Oktober 2012

Kunst als persönliches Müssen (II)

2. Teil) Geburt nur in Schmerzen



Paul Celan meint einmal: "Der Dichter wird aus seiner ursprünglichen Mitwisserschaft wieder entlassen, sobald das Gedicht wirklich da sei." Anschließend wird er zum mehr oder weniger ungelenken Elefanten im Porzellanladen Welt, deren Handhabung ihn oft nicht vom Befolger einer Bedienungsanleitung bleibt. So, wie der Schauspieler nur in der Rolle "er" selbst ist, auch als Mensch, der Sänger im Lied, der Geiger in der Sonate, der Maler im Bild sich selbst erkennt, und staunt. Und in der Tätigkeit endlich er selbst ist, im Werk als fragilem Gefäß, das bei jeder Behandlung in Gefahr gerät, zu zerfallen, weil er selbst nur Scherben hat, das Werk aus dem Dazwischen nur hält.

Der "Könner des Verfassens von Gedichten", der Beherscher von Gesangstechniken oder Publikumswirkung oder Maltechnik, er bleibt immer er. Er handhabt nur. Ihm bleibt deshalb nur Technik, bewegt von der Zweckorientiertheit seines Tuns. Denn es ist der Zweck, auf den er abzielt. Sein Werk wird immer Weltwerk, er selber wird immer Außenstehender, Laie bleiben. Sein Medium bleibt die Welt in ihrer Verwobenheit, er bleibt Scherbenhändler, der nur mit Leim der Welt verkleben kann, um ein Gefäß vorzugeben. Ihm fehlt das Dazwischen, das nicht mehr Aussagbare, das Ganze hat sich aufgelöst, ihm bleibt nur das Gemeinte. Er bringt den Sinn nicht - in seiner Sprache, übersetzt - hervor, der bleibt ihm im Dunkel. Sein Wille ist nur ein Wille der Handhabung der Scherben, seine Form entstammt dem Figurenspiel der Welt oben, seine Bedeutungen Bruchstücke, die er nie in ihrem Platz im Ganzen sah.

Das Herbringen des "Könners" hat keine Geburtsschmerzen, ohne die Werk gar nicht möglich ist. Es kennt nur Kriterien eines definierbaren Gelungenen.

Ein Zeichen sind wir, deutungslos
Schmerzlos sind wir, und haben fast
Die Sprache in der Fremde verloren 
(Mnemosyne; Hölderlin)  



Denn der Schmerz kommt mit dem Umsetzen in Sprache (Darstellung als Symbol), aus der Differenz des Bodens mit dem Oben. Der (bloße) Könner hat keinen Schmerz, sein Können IST Schmerzvermeidung, Flucht vor der immer einzigartigen Urgeburt. Sein Darstellen ist das Verwenden des schon Vorhandenen, wie Heidegger es nennt, sein Ausdruck Henkel bestehenden Inventars der Welt.

Kunst kommt nicht (primär) vom Können, wie der Verfasser dieser Zeilen einmal in einem Interview gefragt wurde. Es kommt vielmehr tatsächlich von "Müssen", aus persönlicher Not des Künstlers, der wirklich "muß", weil er in seiner historischen Einzigartigkeit zu sich kommen muß, wie jeder Mensch, in der ihm angemessenen Tätigkeit, in der er sich aus sich selber herausstellt, zu dem ihm nur ein Material zur Verfügung steht - dem die figurale Verwendbarkeit fehlt. Und in ihm zusammengefaßt, aus ihm herausgestellt, stößt er deshalb immer an die Grenze des Sag- und Darstellbaren. Was er eigentlich sagt steht unsichtbar hinter den Scherben.

Vielmehr also speist sich das Können des Künstlers, das aus seiner Wesenserfassung kommt, sich mit dem (natürlich für ein Werk notwendigen) handwerklichen Beherrschen der Materie in einem geheimnisvollen Wechselspiel durchdringt,* aus seiner ersten Eigenschaft zur Welthaftigkeit herausgetrieben: dem Öffnen zum Wesen der Welt hin, das nur im poetischen Werk darstellbar, nicht erklärbar, nicht einmal intellektuelle Deutung ist. "Wer etwas kann," sagte einmal Fritz Muliar in bekannter Launigkeit, "der soll in den Zirkus gehen." Aber nicht auf die Bühne, nicht ans Verfassen von Gedichten, nicht in den "Kunstbetrieb".



*Gütersloh spricht deshalb einmal sogar davon, daß die Talentfrage nur eine Frage des "Glücks" des Künstlers ist, seiner Befähigung zum Glück, weil es auch talentlose Künstler gibt. Umgekehrt Talent nicht unbedingt etwas über Künstlertum aussagt. Der Rhetor ist nicht automatisch ein Dichter, der Entertainer nicht automatisch ein Schauspieler, der Beherrscher von Maltechniken und -effekten nicht automatisch ein Maler. Umgekehrt kann es sein, ja ist es so, daß der wirkliche Künstler oft einen langen Weg zu gehen hat, um aus der Verhängung in die Weltabläufe frei zu werden, um dieses ihm so fremde Wollen der gesellschaftlichen Normen und Imperative ablegen zu können. Gütersloh meint gar, es sei aus der Dichte und Blind- und Taubheit der heutigen Zivilisation heraus in den meisten Fällen eine Psychotherapie angebracht.




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Welt der "alternativlosen Abläufe"

Während also auf der einen Seite die Politik nur noch von "Alternativlosigkeiten" spricht, alles Denken und Handeln nur noch ein rationales Lösen von entstandenen Ablaufproblemen ist, automatisiert sich endgültig auch der Krieg.

In einem Interview mit der NZZ sagt anläßlich der Schweizer Entscheidung, Saab "Gripen E" als Luftverteidigungsgeräte anzuschaffen, der Schwede Lennart Sindahl:

Was ist der Gripen E genau?

Es ist ein neu entwickeltes Flugzeug, das auf erprobten Modellen aufbaut. Wichtige Teile, wie Triebwerk, Radar und Bewaffnung, sind neu. Sie machen das Flugzeug intelligenter und ausdauernder. Der Gripen E wird 2018 zwar nicht der stärkste oder schnellste Jet auf dem Markt sein, aber der modernste. Ohnehin sind in der modernen Militäraviatik nicht mehr Endgeschwindigkeit und Beschleunigung entscheidend, sondern der Radar, die Sensoren, die Kommunikation und die Waffen. Der Kampf Pilot gegen Pilot ist Geschichte.

Es gibt tatsächlich das Argument, daß die neue Kriegsführung eine neue Stufe in der Humanisierung des Krieges sei, in der es bestenfalls um die Ausschaltung von Schlüsselfiguren gehe, die Zahl der Toten aber niedrig gehalten werden kann. So, wie die Bevölkerungen eine Weltwirtschaftskrise erleben, die sie gar nicht mehr erleben*, erleben sie zukünftig Kriege, die sie nicht mehr mitbekommen.

Nur - bezahlen, das bleibt ihnen noch, in der ganzen Bandbreite dieses Begriffs. Indem Sie ihr Leben in allen Bereichen an objektive, rationale, mechanisierte Prozesse abtreten. Der Mensch ist zum Sklaven der Maschinerien geworden. Er dient nur noch ihrer Aufrechterhaltung. Dann schenken sie ihm sein Sklavenleben.

Halt, nicht einmal zum Sklaven. Denn der Sklave hat immer die Distanz zu dem, was er tut, er kann darin seine letzte Würde als Person wahren. 

Der neue Mensch der Gegenwart WILL hingegen, was ihn irrelevant macht. Er besitzt nicht einmal mehr sein Denken.




*Umfragen haben ergeben, daß die Bevölkerungen Europas von der Weltwirtschaftskrise NICHTS mitbekommen haben. Sie hat ihr Leben nicht tangiert.



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Geschwüre der Kunst

aus 2007) "... ein Kunstwerk, dessen Ganzes in großen, einfachen, harmonischen Teilen begriffen wird, macht wohl einen edlen und würdigen Eindruck, aber der eigentiche Genuß, den das Gefallen erzeugt, kann nur bei Übereinstimmung aller entwickelten Einzelheiten stattfinden ... wir sehen jede Zieraten jedem Teil, den sie schmücken, völlig angemessen, sie sind ihm untergeordnet, sie scheinen aus ihm entsprungen ..." (Goethe in "Dichtung und Wahrheit" über das Straßburger Münster)

Kaum eine Theaterinszenierung mehr, wo nicht die einzelnen Elemente zuungunsten eines meist fehlenden, sinngruppierenden, ja die Glieder erst schaffenden, deren Maß und Form bestimmen sollenden Ganzen herausgestrichen werden, wie wuchernde Krebsgeschwüre, und zwar von allen Beteiligten, seien es die Darsteller, die Regisseure, die Bühnenbildner ... oder gar die Autoren weil "Sprachkünstler", oder die Graphiker, die die Plakate machen.

Nirgendwo gibt es soviele "Künstler" wie am Theater.


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Dienstag, 30. Oktober 2012

Keine Antwort auf das WAS

Der Astrophysiker Norbert Pailer im Fernsehinterview: "Ich bin Physiker. Sie dürfen mich nicht fragen, WAS eine Kraft, WAS der Raum ist, dafür bin ich nicht zuständig. Die Naturwissenschaft kann Ihnen niemals sagen, was eine Ansammlung von Farben von einem Kunstwerk, was eine Aneinanderreihung von Schallwellen von einer Bachsonate unterscheidet. Sie dürfen überhaupt an die Naturwissenschaft keine WAS IST-Frage stellen. Dazu kann die Wissenschaft nicht einmal eine Meinung bilden, es überschreitet sie und ist wissenschaftlich nicht korrekt. Deshalb ist es auch unsinnig wenn man hört, daß der Spielraum für einen Schöpfer immer kleiner werde, je mehr man erforsche - das sind zwei völlig verschiedene Kategorien. 

Der Blick zum Himmel als Physiker war allerdings meinem Glauben zuträglicher, als meinem Wissen."


*301012*

Andersrum

Dieses Photo an dieser Stelle hat einen bestimmten Grund, den man selten besprochen findet. Es handelt sich um eine Statue, deren Herkunft "mysteriös" ist. Angeblich  haben deutsche Ethnologen, darunter SS-Leute, die Ende der 1930er Jahre in Tibet nach den Urquellen der Arier gesucht haben, sie ebendort gefunden. 

Es scheint festzustehen, daß das Material, aus dem sie besteht, von dem Meteoriten Chinga stammt, der vor etwa 15.000 Jahren auf Sibirien und die Mongolei niedergegangen ist. Und an dessen anderweitig aufgetauchten Bruchstücken man dies feststellen kann. Die 25 cm hohe und 10 Kilogramm schwere Statue tauchte 2009 bei einer Auktion wieder auf, nachdem sie Jahrzehnte verschollen bzw. in einer Münchner Privatsammlung untergetaucht war. Nun wird gerätselt, ob sie echt, also dem Stil folgend im 11. Jhd. entstanden ist. Dann wäre sie von unschätzbarem Wert.

Swastika aus der kretisch-minoischen Zeit
Aber auffallend ist Folgendes: der sitzende Mann trägt auf der Brust ein Swastika, was als Analogie zu den Nazis gesehen wird. Aber dieses Heilszeichen, weltweit seit Urzeiten bekannt und verwendet, entspricht dem meist vorzufindenden ursprünglicheren Symbol - es ist "links" gewinkelt. In dieser Form bedeutet es Beständigkeit, Festigkeit, ja ist ein Lebenssymbol, Symbol für die Ewigkeit des Lebens steht für die Sonne, oder auch den Sonnenaufgang, wie in China und Japan. Anderen Deutungen zufolge, aber im Grunde aus derselben Wurzel, steht das Symbol für die Weitergabe des "Buddha" selbst. Schon als dem 5. Jahrtausend vor Christus entstammend taucht es aber selbst auf Tonscherben auf, die der damaligen Donaukultur, dem mittel-südosteuropäischen Raum also, zugeordnet werden.
Aber sogar in alten christlichen Kirchen taucht es auf - links gewinkelt. Als Symbol für Christus, das Licht und Leben, lebte die Symbolik des Swastika als "Herz der Welt" weiter.

Das Zeichen der Nationalsozialisten hingegen war rechts gewinkelt, also zum Gegenteil obiger Deutungen geformt. In dieser Form allerdings kommt es vor allem im Hinduismus vor, auch diesmal genau mit oben angeführter Bedeutung. Dort bedeutetet es nämlich - links gewinkelt - Niedergang, Sonnenuntergang, Tod. In dieser Form ist es auch nach wie vor Bestandteil der Flagge des finnischen Staatspräsidenten.

Eine Doppelnatur, in der Deutung abhängig von dem, wovon man sich das Heil erwartet? Ein Symbol, dessen Bedeutung verloren ging, sodaß man es profaniert mehr und mehr zu reinen Dekorzwecken verwendet hatte? Auch für die Kelten war das rechtsgewinkelte Hakenkreuz noch das Zeichen für Tod. Für die Wikinger war die Richtung der Winkel aber schon bedeutungslos, das Swastika reines Dekor.

Als Symbol selbst aber kann es nur einen Inhalt pro Richtung geben, und zwar für alle gleich. Der Mensch sucht sich seine Entsprechungen, sieht die Analogien der Welt, die er wahrnimmt, als Erfassen des Wesens der Dinge. Selbst auf der Bühne ist das alte Gesetz bekannt, daß die Bewegung von rechts nach links "Ende" bedeutet, Tod, Vergangenheit - von links nach rechts: Zukunft, Hoffnung, Leben. Das Auftauchen der Swastika im Nationalsozialismus macht also die Festlegung der Deutung recht eindeutig. Das Hakenkreuz als Sonnenrad, das sich von rechts  nach links dreht, wurde von Hitler selbst (1920) ausgewählt. Indem er mit Zeichnungen herumprobiert hat, wie Fest es beschreibt, bis es ... ihm gefiel. Bis sein ästhetisches Gefühl sich befriedigt hatte.

Er wählte das Todeszeichen. Klarer geht's nicht.




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Kunst als persönliches Müssen (I)

Was den Dichter vom Verfasser von Gedichten unterscheidet? Was den Künstler vom "in der Kunst Tätigen", vom Beherrscher eines "Kunstbetriebs"? Was (sogar) den schöpferischen Tischler oder Maurer oder ... vom handwerkenden Arbeiter?

Dem einen IST das was er tut, sein Medium, in dem er erst überhaupt zu sich kommt, zur Persöniichkeit wird. Das in dieser Zeit Verfertigte erinnert ihn dann an sein wahres Ich, dem er eigentlich fremd gegenübersteht, in dem er sich selbst findet. Weshalb jeder Künstler in Wahrheit nur immer an einem und demselben Werk arbeitet, das er in "seinen Werken" als je neuen Ansatz zu finden sucht.

Dem anderen ist sein Tun Instrument, um seine in der Welt bzw. nicht im Materialen der Kunst selbst verankerte Persönlichkeit auszugestalten, zu schmücken, einen Zweck zu erreichen.

Der Dichter IST deshalb Sprachhervorbringer, sie ist ihm mehr als Mittel, sie ist ihm in ihren Entstehungwurzeln Lebensboden und -element. Ja noch mehr: er ist er selbst nur in dem Augenblick, wo er dichtet. Alles andere, auch was er sonst schreibt, ist epigrammatisch, wie Heimito v. Doderer richtig geschrieben hat, erzählt nur von seinem Weg zur dichterischen Sprache. Taucht wie der Blauwal aus den Tiefen der Meere auf, um Kraft zu finden, wieder abzutauchen. Um Zeugnis zu geben von seiner Existenz, seiner Entwicklung - so er überhaupt will. Damit, in seinem Werk aber allen den Ursprung zu weisen, aus dem sie selbst letztlich leben, und aus dem heraus ihr Leben schöpferisch wird. An dem Platz, an dem sie stehen. Denn er ist getaucht, er weiß vom Grund.

Und erzählt in seinem Sosein von diesem Boden der Welt, auf dem alle stehen, den aber nur er kennt, weil ihn nie verläßt. Und wie er selbst gebaut ist, erzählt von den Bedingungen des Hinabtauchens. Und was er getan hat und nun sichtbar wird - denn alles Werk erzählt von seinem Hervorbringer - stellt den Grund dar, zu dem er getaucht ist. Auf dem letztlich alle stehen. Aber sie können nicht hinabtauchen, wie er. Sie können aus ihm nur als Analogon auf sich schließen. Und aus ihm ihre eigenen Getragenheiten erkennen, aus seinen Emporbringungen, seinen Verlassenschaften, den Boden der Welt im Symbol sehen, und damit sich selbst erkennen, um neu in die Welt hinein aufzubrechen. Während der Wal längst wieder abgetaucht ist, die Luft von oben in der Tiefe zu sich selbst aufbricht und verwandelt.



2. Teil morgen: Geburt nur in Schmerzen





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Montag, 29. Oktober 2012

Kapitalismus

Das Bild zeigt eine amerikanische Familie in der Zeit der großen Depression in den USA in den 1930er Jahren, die von Südtexas aus aufgebrochen ist, um nach Arkansas zu wandern, in der Hoffnung, auf den dortigen Baumwollfeldern Arbeit zu finden.

Die Wirtschaft als in Geldproduktion abstrahierter Mechanismus, den zu bedienen die Menschen jeden Anspruch auf Erfüllung in der Arbeit, damit auf Selbstwerdung, aufgeben müssen - das ist das Wesen der Technisierung der Welt. Wenn also auch bei uns immer noch geklagt wird, daß die Menschen "zu wenig flexibel" seien, so steht genau diese Forderung dahinter: Sich um eines an nichts als an Kapitalvermehrung orientierten Funktionierens aufzugeben, ja genau das wollen zu sollen. Das Individuum wird unbedeutend, gebraucht wird nur die Erledigung von Einzelvorgängen. Produktion wird nicht mehr durch Bedarf definiert, sondern umgelegt in theoretisch unbegrenzte Kapitalvermehrung. Sie ist nicht mehr die individuelle Antwort auf einen herangetragenen Bedarf, der innerhalb subjektiver Bezüge steht - sodaß Arbeit die Erfüllung eines Weltauftrags wird, innerhalb eines Geflechts persönlicher Beziehungen. Lebendige Bezüge zur Welt werden hingegen zum lästigen Anhängsel, der Mensch möglichst beziehungsloser Teil objektivierter Vorgänge, ortsloser Nomade, unter Androhung des Todes durch Verhungern.

Wäre da nicht der Massenmensch selbst, der seine Imperative einem objektivierten Lebensbild entnimmt, das ihm als Erfüllung eines in Teilfunktionen aufgelösen Lebensglücks vorschwebt, sodaß er in diese Entfremdung bereitwillig einstimmt. Abgestumpft, ja apathisch gegen die Grunderfahrung, daß er sich in seiner Arbeit verwirklicht, nur damit wirklicher Wert geschaffen wird, eingesogen und verwandelt von Ablaufanfordernissen, die ihn in immer rascherem Tempo von sich forttragen, blind gegen seine wirklichen, je subjektiven, je moment- und damit bodenbezogenen Lebensgeflechte und den daraus erwachsenden Anforderungen an ihn persönlich. 

In der wahnhaften Hoffnung, dieses in funktionale Teilbedürfnisse abstrahierte Glück seinem eigenen Leben stückweise zu entreißen, es außerhalb seiner elementarsten, ganzheitlichen Lebensantwort zu sehen. Sodaß er nicht merkt, daß er selbst es ist, der diese Maschinerie mit antreibt, ja gar fordert. Und damit einer schrecklichen Illusion hinterherjagt. In der sich Wert und Glück auf Geldmenge umgebrochen hat, als einziges Parameter des Glücks. Das ist der Boden, auf dem Amerika und mittlerweile die ganze Welt steht. Der Produktion des Abstraktionsmittels, Geld, dem wahren Gott, wird alles untergeordnet, die Natur der Welt kann nur noch stören, wo sie sich dieser Logik sperrt. Nicht nur bei den Aktionären.


Gefunden bei shorpy.com via Glaserei




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Schützengräben

aus 2007) Bei Ypern (Belgien) fand im 1. Weltkrieg 1917 die größte Sprengung des gesamten Krieges statt:

Im Zuge des jahrelangen Grabenkampfes, dem alleine in diesem Frontabschnitt hunderttausende Soldaten zum Opfer fielen, kam es auch zum Anlegen ausgedehnter und sehr tiefer Stollensysteme, die - von beiden Seiten - unter die gegnerischen Stellungen getrieben wurden. Dann, mit Sprengstoff gefüllt, wurden die gegnerischen Stellungen buchstäblich in die Luft gejagt.

Monatelang wurde unter strengster Geheimhaltung an 19 Stellen auch der "Hügel 60" von den Engländern untergraben, von dem aus deutsche Soldaten die Front so unüberwindbar beherrschten. Schließlich wurde gesprengt - und in einer gewaltigen Explosion kamen 20.000 deutsche Soldaten ums Leben, wurde der gesamte Hügel regelrecht applaniert, die Alliierten durchbrachen endlich die Front, an der sich seit 1914 nichts bewegt hatte.

Die Explosion war noch in London zu hören.

Die Luft war voller Dunst aus Blut.


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Rationale Irrationalität

Es ist ein alter Grundsatz im Verkauf, den Kunden im Verkaufsgespräch niemals mit Fakten zu überhäufen. Selbst wenn das Produkt tatsächlich fünf Dutzend Vorteile hätte, und der Verkäufer selbst sich nicht vorstellen kann, wie ihm zu widerstehen sein sollte, muß er sich bescheiden. Der Kunde WILL nur ein oder zwei Argumente, die ihn eben interessieren, maximal ein drittes, als kleiner Zusatz oder "Trigger" - "... und dann schenke ich Ihnen noch die Fußmatten dazu." Manchmal kauft der Kunde sogar NUR diese Matten, nicht das Auto, diese Aussage ist nicht übertrieben. (Und zwar interessanterweise: je höher die Summe ist, um die es geht. Bei kleinen Artikeln werden "goodies" sogar oft als lästig empfunden.)

Warum das so ist? Ratio zwingt! Wenn dem Kunden rational keine andere Wahl mehr bleibt, fehlt das entscheidende an einem Kauf - die Entscheidung. Er "muß" das Produkt kaufen. Und jeder kennt den Unterschied, ob man eine Stereoanlage kaufen "muß", weil die alte gestern den Geist aufgab, oder wenn man ein neues Modell sieht, von dem man sich Lebenssteigerung erwartet.

Lebenssteigerung - im freien Entschluß steigert sich das Selbst eines Menschen "zu sich selbst", Lebensfreude steigt auf, er vollzieht sie in der Zustimmung. Das ist selbst im Genießen eines Kunstwerks nicht anders.*

Deshalb auch das zweite erwähnte Faktum: Speziell große Kaufbeträge übersteigen die Vorstellungskraft eines Menschen sehr rasch, was mit dem abstrakten Wesen des Geldes zu tun hat - es ist IN SICH nicht vorstellbar, es ist eine rein mathematische Vergleichsgröße, die ihre Begrifflichkeit bestenfalls über mehrere Ecken etwas verbessern kann (z. B. über vorgestellte Arbeitsmühen, um diesen Betrag zu verdienen). Der Käufer muß aber GLAUBEN, daß im letzten seine Entscheidung rational ist. Weil sie es wäre, wenn er alles prüfen würde. Auch, wenn er selber diese Rationalität nicht hat oder die Information verarbeiten kann.**

Entscheidungen selbst aber werden niemals "rational" gefällt. Sie sind überfließende Haltung, Lebensvollzug.

Wie aber steht das überein mit einem Grundsatz der Propaganda: daß der Empfänger der Propaganda (fallweise) mit Informationen überschüttet werden muß? Nun: weil auch die Propaganda mehrere Anspruchsebenen kennt, die im Zusammenwirken erst ihre volle Wirkung ausmacht.

Wenn Chruschtschow drei Stunden lang im Obersten Sowjet Produktionszahlen vorlas, und das auch  noch im Fernsehen übertragen wurde, so rechnet niemand damit, daß das Publikum diese Informationen verarbeitet. Es gibt ausreichende Untersuchungen die belegen, daß das Überschwemmen von Menschen mit Information sie regelrecht betäubt. Sie hören irgendwann nicht  mehr zu. Informationsoverkill hat aber eine ganz andere Wirkung: sie vermittelt einen "Gesamteindruck". Sie vermittelt den Eindruck, daß hinter diesem oder jenem Wahlgegenstand viele Fakten stehen, die eine emotionale Hinneigung zu ihm "rational machen", verantwortungsbewußt sein lassen.

Deshalb braucht Propaganda auch diese Ebene: die des Gesamteindrucks. Und die basiert auf FAKTEN, auf reinen Informationen. Auf dieser Ebene aber wird der konkrete Einzelentschluß vorbereitet, hier wird das Vertrauen in die Ratinalität des Angebots geschaffen.

Die Einzelentscheidung selbst wiederum braucht Emotionalität. Denn nur aus Gefühl heraus handelt der Mensch, nur darin liegt der Treibsatz seiner Bewegung.

Wer also im Internet meint, über Fakten überzeugen zu können, irrt grundsätzlich. Niemand kann viele Informationen auf einen Haufen verarbeiten, niemand sucht die Information um ihrer selbst. Wer im Internet VIEL Information anbietet, will nur einen emotionalen Eindruck erwecken: etwas zu bieten zu haben, was ist im Grunde nebensächlich. Aber DAS rechtfertigt im Fall des Wählens auch die immer irrationale Entscheidung als Evokation von Lebensfreude.




* Weshalb die zunehmende Kinotechnik - als Beispiel - einem kapitalen Fehlschluß unterliegt. Die Kunden kommen nicht weniger ins Kino, weil die Technik zu rückständig ist, sondern weil sie ihnen das Entscheidende am Filmgenuß mehr und mehr abnimmt: die Vorstellungskraft, die Phantasie, das "Selbstausmalen", die erst der eigentliche Akt des Genießens ist. Die Kinotechnik heute spielt nur noch mit der Verblüffung, und dieser Effekt vergeht rasch, weil man sich daran gewöhnt - das Kino bringt sich also selbst um.

**Weshalb das Forschungslabor eines Unternehmens am besten gleich beim Eingang durch das erste Hinweisschild angekündigt wird.




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Sonntag, 28. Oktober 2012

Schöpfung als Opfer

Das Opfer ist die reinste Form der Liebe, und diese Liebe ist überhaupt das, was die Schöpfung im Sein hält. Nur die Liebe macht wirklich. Sie treibt die reinen Urbilder in ihre Abbildhaftigkeit des Seienden. Die Schöpfung ist also Opfer, das nur einen Nutznießer kennt: den Menschen. Macht Euch die Erde untertan.

Alles hängt also am Opfer. Gott opfert sich selbst, indem er sich selbst (in der Person Jesu, in der Schöpfung) opfert. Denn der wahre König ist der, der kein Lob des anderen braucht, der sich selbst in seiner Glorie darstellt: der die Welt als Schmuck trägt, als Krone.

Im Blickpunkt der Religionen steht gar nicht Gott, der ewig Unerkennbare, der nie Ausschöpfbare, als Sein selbst alles Umfassende, alles Seiende (das im Maß seines Seiendseins an diesem Sein teilhat) als Analogie (Ähnlichkeit) herausstellend. Denn alles hängt an ihm, geht von ihm aus, im Heiligen Geist, dem Geist der Liebe.

So, wie alles in der Natur sich selbst hingeben muß, sterben muß, um Raum für das Leben zu schaffen. Da sich kein Lebewesen selbst geben kann, ist das Geheimnis der Präsenz des Lebens das Selbstopfer. Keine tote Materie erwacht aus sich zum Leben. Es muß das Leben empfangen, indem es zuvor stirbt.

Gnadenbild Sonntagberg (NÖ)
Es ist das Opfer, als eben jene Darstellung des Aktes der reinen Liebe, und DARIN Darstellung Gottes unter den Menschen. Keine Religion, die deshalb nicht am Opfer ansetzt, von diesem Wissen und Ahnen ausgeht. In ihm wird die Erde dem Zweck, allem Schacher entrissen, in ihm ist das Leben auf Erden quasi "eingeladen" und präsent.*

Weil die Schöpfung im Menschen vollendet ist, in ihm alle Form enthalten ist, ist Jesus Christus Zentral- und Angelpunkt des Geschöpflichen, in seinem Selbstopfer als Opfer an den Vater (im Atem des Heiligen Geistes). Er schmückt sich als König selbst mit seinem Diadem.

In ihm ist der Kosmos in das Göttliche Leben hineingenommen, in ihm nimmt sie daran teil, indem sie seiner Liebe und damit dem Leben Raum gibt. Und in diesem Erkennen gewinnt das Kreuz seine zentrale Bedeutung, deshalb ist es das Zeichen, das zeigt, was hinter allem steckt, von dem alles ausgeht, zu dem alles hinstrebt. Denn in dieser Liebe ist die ewige, alles übersteigende Freude des Lebens selbst.

Im OPFER ist Gott gegenwärtig, der die Liebe ist. Der Mensch, der opfert, schließt also den Kreis, und trägt Gott das Opfer zurück. Denn die Schöpfung ist das Opfer Gottes für den Menschen, in der reinen Liebe. Aber der Mensch macht in dieser Opferbereitschaft, in dieser Liebe Gott selbst das Geschenk „zurück“, berufen zur Teilhabe (er kann sie sich also nicht selbst geben!) an der Königswürde der Sohnschaft Gottes. Sodaß die Schöpfung an allen Enden erfüllt wird von der reinen Liebe, der Kosmos** ein einziges Opfergefäß ist, mit der Erde als Altar, der auf seinen Säulen ruht.





*Ausgangspunkt des prometheischen Betrugs ist ja die heimliche Selbstnutzung des Opfers, das ihm seine Heiligkeit, seine Lebensstiftung nimmt, und den Menschen sich selbst vergotten läßt, in der Geste des Gottes. (Das "eritis sicut Deus" der Erzählung der Genesis, dem Ursündenfall.) Weshalb Prometheus für die menschliche Hybris steht, die Opfergaben nicht zu empfangen, sondern selbst der Erde zu entreißen, sich selbst das Opfer zu bringen. Was das Wesen der Sünde exakt beschreibt: als Aneignung, als Fragmentierung des Naturganzen. In Folge, in der Versuchung an das Weib - Pandora, so der Mythos, in deren Hände Zeus als Rache das Übel der Welt gestellt hatte, verpackt in die "Büchse", rast, weil Pandora nicht widerstehen konnte und den Deckel der Büchse hob, Leid und Übel über die Erde. Nur die Hoffnung blieb.

**Kosmos heißt nicht nur "Ordnung" und "Weltall", sondern seit jeher wird es auch in der Bedeutung für auszeichnenden "Schmuck" verwendet.



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Veränderte Rezeption

Louis Jouvet, Schauspieler und Regisseur, hatte seine Erfolge in der Zeit des Schwarz-Weiß-Films. Nach dem Krieg 1939/45 konnte er an seine Erfolge nicht mehr anschließen. Als die Erzählweise im Film sich änderte, der Starkult einsetzte, das Symbolische schwand, ja Chaplin gar meinte: die Kunst aus dem Film verdunstete.


Louis Jouvet - from everyday_I_show






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Samstag, 27. Oktober 2012

Ferdinand Bruckner

aus 2007) Schon der erste Blick sagt mir meist, ob es aus irgendeinem Grund lohnt, ein Buch zu kaufen. So bei Ferdinand Bruckner's "Historische Dramen", das als Ausgabe von 1948 in der Abverkaufsschütte des Antiquars lag. Wieder habe ich mich nicht getäuscht - die Figurenzeichnung ist anhaltend beeindruckend lebendig und farbig, dabei keineswegs psychologisierend.

Das noch im Zug gelesene Drama "Heroische Komödie" (über Madame Stael zur Zeit Napoleons) freilich war an sich enttäuschend. Lesevergnügen entstand nur dort, wo die Figuren einfach Menschen waren. Der Dialog zu Beginn vor allem läßt sofort eine Welt entstehen. Die dann wieder verblaßt.

Bruckner war vor 1933 in Österreich und v. a. England ("Elisabeth von England") viel gespielt, erlebte dann nach 1945 noch eine kurze Blüte durch Wiederaufnahmen, dann wurde es ruhig um ihn. Ich bilde mir ein, ein Jugendbuch über einen Wolf aus seiner Feder gelesen zu haben. Hoffentlich leiden die übrigen Stücke in dem Band nicht auch an dieser ideologischen Schlagseite, die dem gelesenen Stück eine quälende Didaktik aufdrücken, die selbst dem Autor langweilig scheint. Wo das Stück also entlang einer feststehenden Aussage aufgestellt wird - anstatt sich aus den Figuren zu entwickeln. M'me Stael's Zeichnung wird entsprechend unwahr, ein Loblied auf den Idealismus, der Selbstüberschätzung als Grundlage hat.

Ein wenig Neid freilich entstand dort, wo es um ihre Veröffentlichungen ging. Zu dieser Zeit (Übergang 18./19. Jhd.) war es noch keineswegs häufig, daß jemand ein Buch veröffentlichte. Entsprechend wurden die Autoren dann auch rezipiert (wenn schon auch damals nicht gelesen, wie Klopstock ja klagt) Mit Gedanken, die heute schlicht abgegriffen, bestenfalls als Zeitzeugnis wirken, konnte Stael noch reüssieren und ihrer Stimme ein Gewicht, sich den Ruf einer brillanten Intellektuellen verschaffen.

Heute kennt man schon alles, und ist angesichts der enormen Masse an Veröffentlichungen mißtrauisch, wenn auch das Faktum "veröffentlicht" noch immer in den Augen von Nicht-Literaten viel wiegt. Und nicht nur in deren Augen. Manche Autoren scheinen sie mit denselben Augen zu sehen und gieren somit nach etwas, das sie als Publikum ausweist.


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Umverteilung schafft Unterentwicklung

aus 2007) Gerade eine hochentwickelte Kultur braucht breite und differenzierte Konzentration von manövrierbarem Vermögen. Das Bemühen, die Einkommens- und Vermögenslage anzugleichen, durch Vermögenssteuern, Einkommenssteuern etc., vernichtet die Differenziertheit von Bedürfnissen. Ja manche Begabungen können sich nur entfalten, wenn ihnen auch eine entsprechende Nachfrage gegenübersteht. Durch privates Vermögen wie auch eine Lebensführung, die den Genuß solcher Werke ermöglicht.

Am deutlichsten wird es in der Kunst erkennbar, die an der mangelnden, persönlichen Intentionen dienenden Beauftragung wie an der Verflachung der Bedürfnisse zerbricht. Nur jemand, der auch über Vermögen wie dadurch persönliche Verantwortung dafür verfügt, kann Kunst in Auftrag geben. Die größten Leistungen in der Kunst des Abendlandes (wie im Kunsthandwerk) waren Auftragswerke von reichen Mäzenen.

Mäzenatentum ist durch staatliche "Kunstförderung" nicht ersetzbar. Verstaatlichte Kunstförderung schon gar in einer immer zur Ochleokratie tendierenden Demokratie (im Kräftespiel der Gewaltverhältnisse) bringt nicht nur ideologisch-politisch beeinträchtigte Verarmung, sondern schafft enormes Unrecht hinsichtlich der Nachfrage nach Künstlern. Weil sie dem Irrtum aufsitzt, künstlerische Leistung wäre apersonal ("objektivierbar") zu erkennen oder würde so entstehen.

Ein soziales Umfeld schafft sich nicht nur Bedürfnisse, sondern auch das antwortende darauf bezogene Talent.



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Eine plausible Arbeitsthese

Der Verfasser dieser Zeilen ist sich noch nicht sicher, ob man das so sagen kann, aber als vorläufige Arbeitsthese erhärtet es sich mehr und mehr: 

Wenn diskutiert wird, daß die Einkommensunterschiede so groß seien, daß es so (zu) viele Milliardäre (in Österreich angeblich 26) und Millionäre gäbe, dann liegt die Ursache nicht einfach in Ausbeutung oder Betrug der Kapitalbesitzer selber - sie liegt … im Staat. Denn alle Entwicklungen solcher Großkapitalien sind auf das Geldbedürfnis der Staatslenker zurückzuführen. Das begann mit der Verbgabe von Monopolen - als Gegenleistung oder als gezielter Aufbau - an Kreditgeber der Hohen Politik, reichte bis über den 30jährigen Krieg in staatliche Garantien für das Geldwesen selbst (England), weil eben bereits damals das Geld an sich - nicht die Arbeitsleistung der Bürger - schon viel zu wesentlicher Träger der Pólitik war, und geht vor allem über Eisenbahn und Rüstungsindustrie ins 19. und 20. Jhd.  Überall, wunderbar nachverfolgbar in England und Frankreich, war das Staatswesen bereits von der "Funktion" der Großkapitalien abhängig. England (Bagehot beschreibt diese Entwicklung gerade in seinen Verflechtungen wunderbar nachvollziehbar) BRAUCHTE einen funktionierenden Kapitalmarkt bereits lebensnotwendig, weil seine politischen Weltmachtambitionen von den kumulierten Kapitalien, den Banken, völlig abhängig waren. Wer aber hat bei uns die Fugger großgemacht? Kaiser, die Monopole vergaben, um entweder gleich oder später Kredite für ihre politischen Ziele, vor allem Rüstungsgüter und Infrastruktur, leihen zu können.

Und im 20. Jhd. setzt es sich munter fort: Wer hat die Autoindustrie groß gemacht? Die Staaten, nicht zuletzt über den Bau von Autobahnen. Wer hat die Stahl- und Rüstungskonzerne, wer die Energiekonzerne so groß gemacht? Wer hat Microsoft so groß gemacht ... ja wo anfangen, wo aufhören? 

Die Tüchtigkeit einiger Unternehmer? Oder waren es nicht vielmehr Einzelpersonen, die die Politik in Strukturen gehoben hatte, die sie selbst ihnen schuf, und die als staatliche Strukturen jedes Menschenmaß übersteigen mußten?

Der Markt? Welcher Markt? Nicht einen Augenblick hat auch der Verfasser dieser Zeilen seinerzeit einen Computer gebraucht, und in Wahrheit braucht ihn auch heute so gut wie niemand - er wurde "gebraucht" gemacht. Wer hat die Pharma- und Chemieindustrien so groß gemacht? Wer die Ölkonzerne? Die Politik der Staaten, die Massenmedikamente und landwirtschaftliche Massenproduktion brauchte, um die Umstrukturierung der Ökonomie anzufachen, die durch die freiwerdenden Arbeitskräfte den Bedarf an ungelernten Arbeitskräften deckten. Und damit Konsumenten für eben diese Massenware schuf. Denn abstrahierte Produktion braucht abstrahierte Bedürfnisse - wie sie staatlicher Zentralismus schafft, der nichts anderes tut: als Bedürfnisse der Bürger zu abstrahieren, die er als seine Angelegenheit betrachtet.

Die Staaten, (und es sei hier klar unterschieden zwischen dem Staat an sich, und den faktischen Staatsapparaturen, mit denen wir es seit Jahrhunderten zu tun haben, weshalb wir lieber sagen:) die Politiker waren und sind an der stetigen Beschleunigung der Geldproduktion interessiert, und damit an entsprechender, überregionaler Infrastruktur. Sie sind es, die … den Mechanismus Geld (weil Steuern) bedienen, Großstrukturen und -entwicklungen einleiten oder schaffen, die zu errichten großes Kapital notwendig ist - wieder: Geld. Und: Politiker mischen sich in alle privaten Angelegenheiten (Familienpolitik, Gleichstellungspolitik, Lohnpolitik, etc. etc. = Sozialstaat), und auch das kostet wiederum GELD.

Würde sich die Wirtschaft wieder auf ein Produzieren bescheiden, das sich am Bedürfen orientiert - in Arbeit wie Konsum, wo der Zusammenhang Mensch - Arbeit - Bedarf - Boden wieder hergestellt ist, wenn das "Bruttoinlandsprodukt" je nachdem mal kleiner, mal größer ausfällt, wo es einfach auch einmal in Vielem KEIN Bedürfen gibt, weil alle zufrieden sind, ein Bedarf gesättigt ist, gäbe es nur einen, der Konkurs anmelden müßte: Die Politik, die ihre Pläne einmargerieren, ihre Beamtenhorden nicht bezahlen, Wohlfahrtsversprechen nicht halten könnte, die zu geben ja ohnehin zugleich ein Versprechen auf Diktatur ist. Politik, die nicht das Wesen des Lebens der Menschen hegt und schützt und achtet, sondern dieses Leben selbst gestalten will, sodaß eben diese Menschen von ihr abhängig werden, weil diese Regeln sich nicht im Leben finden, das sie führen könnten und sollten, weil ihr faktisches Leben nur funktioniert, wenn sie diesen willkürlichen Regeln entsprechen.

Und die Großkonzerne, die Großindustrien, in denen sich Arbeit und Produkt völlig von seinem lebendigen Bezug losgelöst, abstrahiert, in reinen "Geldwert" umgeschlagen hat, unter dem Druck investierter, geliehener Kapitalien, die nur funktionieren, wenn diese Abstraktion weiter perfektioniert wird. Was man dann "Effizienzsteigerung" nennt. Dieselbe Politik, die je nach Bedarf "haltet den Dieb" schreit, wenn es ihr Wählerstimmen zu bringen scheint, und in Wahrheit eben diese Kapitalien - auf Kosten der einfachen Staatsbürger - am Leben hält.

Diese Entwicklung setzte ein, als spätestens mit der Renaissance ein abstraktes Verstehen von Welt und Politik einsetzte, Politik zum Selbstzweck wurde, und sich im speziellen als Politik von Politikern (!) entwickelte. Getrieben, historisch in einen europäischen und bald weltweiten Konnex gestellt, von einer vorauseilenden Entwicklung in Frankreich, wo sich erstmals in Europa ein Staatsbegriff nach modernen Vorstellungen (samt dem Begriff der Volkswirtschaft, wie er heute verstanden wird) entwickelte: in einem Land, das sich von Beginn an - "eritis sicut Deus" - gegen das Reich (als "die" Klammer und Legitimitätsquelle Europas in einem Ganzen) stellte (aus dem sich England ohnehin bereits absentiert hatte), und den ersten Nationalstaat Europas schuf. Der zunehmend die übrigen europäischen Länder unter Druck zu setzen begann, indem er sie an das Staat-sein an sich drückte, Politik immer mehr zur Überlebensfrage des Ganzen machte. In denen sich nach und nach eben jenes Klein- und Großbürgertum entwickelte, das zunehmend ihr Leben in abstrakte Geschäfte und Geldproduktionsmechanismen umlegte, die der Staat gerne in Anspruch nahm. Das ausgeblutete französische Volk des 17. und 18. Jhds. war in einem furchtbaren Zustand.

Nicht mehr die nachträglich festgestellte Anzahl der von den Menschen abgefüllten Getreidesäcke wurde Maßstab des Wohlstands eines Landes, sondern die Zahl der Getreidesäcke die sich produzieren ließen wurden zum Ziel. Die Unterschiede zwischen diesen fast identen Formulierungen sind grenzenlos. Und wurden es in den Massen der Verelendeten, religiös wie politisch Entwurzelten, die aus Europa nach Amerika strömten, um dort, human beziehungslos, das gesamte Wirtschaften in technische Prozesse hinein endgültig zu entfremden. Woraufhin diese Entfremdung auch für Europa endgültig Maßstab, ja Ziel der Politik wurde.

Aber wer wird diese Millionäre und Milliardäre wieder enteignen, wenn sie diese Eselsdienste nicht mehr zu tun gewillt oder in der Lage sind? Die Politik der Staaten ... nichts anderes passiert bereits jetzt, zum Beispiel aktuell in der Bankenlandschaft. Worauf man den Bürgern einredet, es läge in ihrem Interesse. Was ja der Fall ist - solange die Bürger sich ihrer Lebenswelt tatsächlich enteignen lassen, sich und ihr Leben selbst abstrahieren, in Geld umlegen. So, wie es leider längst die meisten tun. 

Geld, das damit zum wahren Träger ihres Lebens wird. Und alles wirkliche Leben auslöscht. Im Dienste des einzigen Interessenten, der Politik, der Parteipolitik heute, ist die Ideologie, die sich in den Staatsbürgern die Spielwiesen ihrer persönlichen Probleme - denn die Demokratie heute bringt NUR Politiker mit persönlichen Motiven hervor - und inkompetenten Wahnvorstellungen sieht. Gleichgültig, und zwar völlig gleichgültig, ob sich die Ideologie Sozialismus oder Kapitalismus nennt. In diesem Punkt haben sie ihren gemeinsamen Nenner, denn niemand braucht abstrahierte, entmenschte Arbeit so, wie der Sozialismus. Den der Kapitalismus gerne bedient, weil dieser Bedarf in Wahrheit seinem abstrakten Wesen entspricht, dem nur Geldmechanismen zugrunde liegen.

Und wieder einmal - weil sich dort alles wie in einem Zeitraffer vorwegnahm, was heute "Politik" bedeutet, KEIN Grundsatz der damaligen Politik, der nicht heute längst verwirklicht wäre, nur wird er sorgfältig (und schon gar von den "Antifaschisten") maskiert - sei Hitler als Beispiel zitiert, der es genau so gemacht hat: der deutschen Industrie, ja überhaupt der etatistischen Wirtschaft ihren Obulus nicht nur gewährte, sondern garantierte. WENN sie ihm dafür die notwendigen Handlangerdienste leistete und (über die Refa-Wechsel) die Kredite stellte, zum Marionettendasein bereit war. Wer nicht mitspielte, wurde kaltgestellt.

Nein nein, ganz gewiß nicht mehr als ... eine erste umfassende Arbeitshypothese. Ungenau, oberflächlich, und in einem lässigen Wisch der Hand gesetzt. Aber dafür schon recht verführerisch plausibel.




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Freitag, 26. Oktober 2012

Vergoldigung der Werte

Allmählich wird klarer, warum um die Goldvorräte der Staaten - Österreich nicht anders als Deutschland - ein so großes, befremdendes Geheimnis gemacht wird. Angeblich, weil nähere Angaben sich auf den Goldpreis auswirken ... na da lachen doch die Hühner. Das war vor 15 Jahren noch anders? Wo sie nämlich laufend ausgewiesen wurden. Und das Amtsblatt der Republik wies den Deckungsanteil der Währung "in Gold" aus. 

Nun gehört der Verfasser dieser Zeilen nicht zu jenen, die meinen, man könne mit Gold "Werte sichern". Eine Goldwährung ist in Wahrheit nicht bzw. kaum "mehr" wert als Papiergeld - Währungen beziehen ihren Wert ausschließlich aus der geleisteten Arbeit einer Volkswirtschaft. Nur die schafft "Werte". (Auch nicht also durch Spekulation etc. "erwirtschaftetes Geld", dieses bewirkt nur Umverteilung von Werten, entwertet also die Gelder der Nicht-Spekulanten.) Der einzige Vorteil einer Goldwährung ist, daß das Schuldenmachen für den Staat deutlich schwieriger ist, schreibt auch L. v. Mises. Weil jeder Geldumlauf, der ja nur physisch möglich ist, starr eben an vorhandenes Gold gebunden ist. Gold selbst war also immer nur Symbol, nur insofern "Wert", als damit eine Werthaltung einherging, mit gewissem Eigenwert durch seine Verwendbarkeit ALS Zahlungsmittel.  Vor allem aber war Gold - eine Ware.*

Gold IST nämlich eine Ware, so wie jedes Geld sich aus einer akzeptierten Tauschware entwickelt hat. Ein Ding, ein Produkt, und sein eigentlicher Wert ist damit noch nüchterner zu sehen, nämlich wie bei jeder Ware auf seinen Bedarf reduzibel - im Gebrauch zu Kult- und Schmuckzwecken (59 % des jährlich abgebauten Goldes), oder eben ALS Zahlungsmittel (in dem Punkt aber nicht mehr als jeder anerkannte Papierschein: 29 % des Jahresabbaus fließen in den Investmentbereich.) Genau in dieser Reihe stehen heute (welche Aussagekraft!) noch Handys und Computer , auch dort wird viel Gold verbraucht.** (Die Industrie verarbeitet weitere 12 % des Jahresabbaus.) Weshalb auch Länder, in denen Goldschmuck hohe Bedeutung hat, als Verbraucher führen: Indien, mit 1059 Jahrestonnen (von 2500), vor China mit 770 JT. Zum Vergleich: Deutschland verbraucht jährlich 154 Tonnen.

Subtiler ist die Frage der Lagerung. Denn wenn es auch mittlerweile untergegangen ist - schon beim EU-Beitritt mußte Österreich einen teil seiner Goldreserven der EZB übergeben, zwecks Bewirtschaftung der gemeinsamen Währung, die ja schon in den Beitrittsverträgen vereinbart war. (Übrigens: Der Euroraum insgesamt verfügt über Goldreserven in Höhe von 10.800 Tonnen, zu derzeit rd. 480 Mrd. Euro Marktwert.)

Noch subtiler wird es, wenn man den Lagerort der Deutschen Bundesbank rezipiert. Denn die USA (mit ihren derzeit 8000 Tonnen) ist bekannt, daß sie kurzen Prozeß mit fremdem Vermögen auf Staatsterritorium macht, wenn es um die Rechte von US-Bürgern oder -Unternehmen geht. Da wird ratzfatz gegenverrechnet. So war es u. a. auch mit den Kriegsschulden 1918 und 1945, die den zuvor enorm hohen Anteil englischen Kapitals, mit dessen Hilfe die USA ihren wirtschaftlichen Aufstieg im 19. Jhd. finanziert hatte, entscheidend schmälerten. Plötzlich gab es viel viel "US-Eigenkapital" im Land, die Eigentümerstrukturen der Unternehmen und Konzerne nationalisierten sich. 

Und nun liegt dort das deutsche Gold, 3400 Tonnen, angeblich, in einem Wert von dzt. 150 Mrd. Euro. Etwas bescheidener das österreichische Gold, das derzeit 280 Tonnen wiegt. Das hat auch in Genf oder London oder Brüssel Platz. Nur 280 Tonnen. Besser: Nur noch. Denn die hiesigen Goldvorräte hatten in den letzten 15 Jahren einen bemerkenswerten Schwund zu verzeichnen. Betrug 1990 der Goldvorrat Österreichs noch bemerkenswerte 634 Tonnen, so waren es 2000 schon nur noch 377, um auf die heutigen 280 Tonnen Feingold zu fallen. Im Wert von gerade einmal 11 Milliarden Euro.

Was ist da passiert? Ganz einfach: Weil die österreichische Nationalbank (wie die deutsche) verstaatlicht ist, führt sie auch ihre Gewinne an den Fiskus ab. Bei weitem nicht nur Mises war deshalb der Meinung, daß eine Nationalbank NICHT politischem Einfluß unterliegen darf. Denn ihre Gewinne sind natürlich reine Steuern, die das Volk zu zahlen hat. Mit anderen Worten: Eine reine Währungsbewirtschaftung darf niemals GEWINN abwerfen, sie muß erfolgsneutral sein. Aber auch diese Geldschöpfung hat in Österreich ja Tradition - die Post als jährliche Cash-Cow war ein gutes Beispiel. Die umgekehrt sogar Kredite für ihre Investitionen aufnehmen mußte, was sie so hoch verschuldete, daß eine Privatisierung fast unmöglich war, weil sie sämtliche erwirtschafteten Gelder abliefern mußte. Um die nächsten Sozialmaßnahmen oder "Konjunkturbelebungsmaßnahmen" zu tragen, mit denen die Politik die Stimmen kaufte.

Also wurden auch mit den Goldverkäufen still und leise ... Budgetlöcher gestopft. Denn Schulden wurden ja nicht reduziert, im Gegenteil: Im selben Zeitraum STIEG die Verschuldung, 1990 bis 2000 von 56 % des BIP auf 66 %. Das ist nicht viel weniger, als das berühmte Wirtschaftswachstum ausmachte. Frei nach dem Motto: wenn die Wirtschaft mehr Zinsen erwirtschaften kann, weil "effizienter" ist, können wir auch mehr Schulden machen, nicht wahr? Noch dazu, wo diese Verkäufe die Bilanz der Nationalbank kaum belastet haben dürften. Denn wenn der Goldpreis steigt, kann man Gold verhökern, und weist in der Bilanz dennoch denselben GoldWERT aus. Und niemand merkt's.

Etwas aber sollte ganz bestimmt nicht bemerkt werden: daß Österreich und Deutschland selbstverständlich Teile ihrer Goldvorräte an den IWF (Internat. Währungsfonds, er verfügt ja auch über 2500 Tonnen Vorräte) und die EZB abtreten mußten. Das ist politisch wohl nur schwer zu verkaufen, das einzugestehen hat noch niemand gewagt. Es wäre zu greifbar für die Bevölkerungen.

Was im übrigen noch etwas zeigt, es wurde an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen: daß die Nationalbanken selbst aus diesem Gründlein großes Interesse an einem hohen Goldpreis haben. Denn das gibt immer noch gewisse zusätzliche Spielräume für die Schuldenpolitik der Regierungen.  Fällt der Goldpreis eines Tages wieder, kann ja niemand etwas dafür, das sehen die Bevölkerungen ja auch so. In Zeiten, wo es immer Außenfaktoren sind, die uns belasten - DIE Weltwirtschaftskrise, DER Ölpreis, DER Energiepreis etc. Schicksalsfaktoren, alternativlos, und so weiter.

Nicht zu verachten ist aber auch die inflationshemmende Wirkung, denn hohe private Goldbestände binden Liquidität, wirken also geldmengensenkend. Schon gar, wenn die Leut dem Wahn verfallen zu meinen, sie könnten oder müßten mit Gold ihre Leben sichern, und viel Gold kaufen. Also kann auch aus diesem Grund ein Staat noch ein bisserl Tempo an der Notenpresse zulegen, die liquide Umlaufsumme bleibt dennoch gleich. Weil die Goldnarren, die Monat für Monat vor ihren Kontoauszügen am Bildschirm sitzen, und sich einen Ast abfreuen, weil sie wieder "reicher" geworden sind,*** brav ihr Geld dem Binnenmarkt entziehen, die Umlaufmenge verringern, sodaß mehr Staatsgeld Platz hat. So macht es auch Sinn, wenn (was von manchen Seiten kritisiert wurde) die europäischen Nationalbanken vereinbart haben, nie mehr als 500 Tonnen im Jahr zu verkaufen. Das wirke preistreibend, sagen die Kritiker. Na was sonst ist der Sinn?!

Vorausgesetzt, man findet überhaupt noch dieses nationale Gold, das da in Fort Knox oder in Zürich und London in tiefen tiefen Kellern verborgen liegen soll. Dorthin angeblich verbracht wurde, weil man fürchtete, daß ein eventueller sowjetischer Angriff diese binneneuropäischen Goldreserven gefährden hätte können. Die heutigen Leut fressen doch eh jeden Unsinn. Ausgerechnet dann wurde es dorthin verbracht, als der Kalte Krieg zu Ende war, der Ostblock zerfiel?

Im übrigen aber: auch solche Auslagerungen sind nicht neu. Schon im 18. Jhd., und noch mehr im 19., war London und zunehmend die Schweiz die Finanzierungs- und Goldlagerstätte der halben Welt. Und hat in so manchen Kriegen sämtliche jeweiligen Kontrahenten mit Geld versorgt. 

Aber selbst, wenn wirklich physisch jemand aus Österreich und Deutschland mal anreist, um zu sehen, was er sieht - wissen, wissen tut er es dennoch nicht. Denn auch Gold hat keine Mascherl, und ob die USA (oder London) nicht längst den Feingoldanteil verringert haben, um sich ein wenig mit zu finanzieren, oder ob sie all den Ländern, die vielleicht mal sehen wollen, wo liegt, was sie geliefert haben, nicht immer denselben Palettenstapel zeigt, weiß nur der Liebe Gott. Kontrollieren kann es eigentlich niemand. Eigentümlich klingt, wenn die US-Notenbank, wie jüngst passiert, die Anreise eines deutschen Kontrolleurs (erstmals; dabei müßte das alle drei Jahre passieren) Da müßte Fort Knox also dieses Gold regelrecht einschmelzen, nur dann ließe sich der Feingehalt kontrollieren.

Und so wird der Vorhang, der das Gold verbirgt, immer dichter, das Licht der realen Präsenzen immer weniger. Wie überall, steigt auch beim Gold mit der "allgemeinen Informiertheit" das Nichtwissen. Als voriges Jahr ein deutscher Nationalbankvertreter nach Fort Knox anreisen wollte, um physische Bestandskontrolle zu machen, wurde das abgelehnt: es gebe in Fort Knox keine Besucherräume ...****




*Insgesamt wurden in der Menschheitsgeschichte rund 170.000 Tonnen Gold abgebaut, etwa so viel ist weltweit auch aktiv vorhanden. Bei einem jährlichen Abbau von dzt. 2500 T, schätzte man 2011 die Goldvorräte in weltweit vorhandenen Abbaustätten auf noch rd. 51.000 Tonnen. Jährlich die größten Fördermengen stammen aus China (13%), Australien und USA (je 10 %).

**Das beweist das Spanien des 17. Jhds., das eine Wirtschaftskrise gewaltigen Ausmaßes durchlebte - durch das Gold aus Südamerika. Niemand wollte mehr arbeiten. Die Folge? Immer weniger wurde produziert, das Land verfiel regelrecht, Äcker verödeten, die Wüsten entstanden, wie wir sie heute in Spanien kennen. Gold verlor enorm an Wert, denn es gab ohnehin nichts zu kaufen, Importware hingegen wurde teuer eingekauft. Eine Inflation auf reiner Goldbasis also.

***Der Verfasser dieser Zeilen hat ja sehr amüsante Begegnungen mit der Gruppe von Goldbesitzern, einer ganz eigenen Personenschichte übrigens, zu vermelden. Mit Goldbesitzern, die Monat für Monat in Gold "anlegen", und jeden für dumm schelten, der anderer Meinung ist. Ihr Gold ist, so sagen sie, IMMER Gold (also: viel, sehr viel) wert. Und mit ihrem "Verdienst" lachen sie über die Inflation, sagen sie, der Goldpreis steigt ja seit 15 Jahren schneller als die Inflation. Nur: haben die auch einmal daran gedacht, daß sie im Gegenteil GAR NICHTS verdienen, sondern nur hypothetische Goldwerte ausgerechnet in jener Währung ausweisen, deren Zusammenbruch sie fürchten? Weil dann immer noch Gold als Zahlungsmittel akzeptiert wird? Das stimmt nur sehr bedingt. Versuche man doch, mit einem Barren Gold am Naschmarkt fünf Semmeln zu erwerben!? Sehr bald wird man als Wechselgeld dreizehn Petroleumlampen und fünf Thonetstühle im Vorzimmer stapeln, und am nächsten Tag wahrscheinlich gleich DAMIT einkaufen gehen. Denn Gold nimmt gar niemand mehr. Was soll man damit? "Werte" sammeln? Wozu dient ein "Wert"? Ab wann ist es einer?

Was hat jemand verdient, dessen Gold im Wert steigt? GAR NICHTS. Er hätte es nur, wenn er es auch verkaufte. Genau das wollen diese Leute ja nicht. Was wäre nämlich dann? Dann haben sie dasselbe Problem: Papiergeld in der Hand. Nur Gold, Gold zu kaufen wäre jetzt ziemlich dumm, denn der Goldpreis, den sie selbst hochgetrieben haben, ist dann so hoch, daß ihre "Verdienstmöglichkeiten" recht bescheiden werden. Gold, die "sicherste der sichersten Sicherheiten", ist also nur dann ein interessantes Objekt, wenn man damit ... bloß spekuliert. Im Krisenfall unterliegt Gold regelmäßig sogar dem allerhöchsten Wertverfall, weit weit VOR den simpelsten Gebrauchsdingen, wie Zigaretten, oder Eiern, oder Speckseiten, oder gar Klopapier und Seife. Wer braucht in Krisenzeiten Gold? Zum Pflastern der Küche? Wer soll es also kaufen? Man frage die Großeltern, ob sie sich noch erinnern, als man einen Goldbarren für fünf Eier und ein halbes Kilo Speck bezahlte. Wertbeständiges Gold? Da sind fünf Stangen Pall Mall noch sicherer im Wert. Raucher zahlen jeden Preis, wenn sie trocken sind.

Es gibt nur einen halbwegs sicheren Wert in dieser Welt - und das ist man selber. Mit seiner Arbeitskraft, vor allem aber mit seiner schöpferischen Individualität. Gerade die ist in Krisenzeiten auch am meisten gefragt.

****Aber es soll nun doch ernst werden: Angeblich werden in absehbarer Zeit 150 Tonnen nach Deutschland rückgeholt (und auf Feingehalt kontrolliert).





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Edgar Selge lügt ...

aus 2007) In einem Radiointerview erzählte der Schauspieler Edgar Selge, daß er immer unter einem enormen Glaubwürdigkeitsproblem zu leiten gehabt habe. Man nahm ihm nichts ab. Also hat er umgestellt - und akzeptiert sie, sieht sie (unausgesprochen) als seinem Beruf zugehörig.

Den er bemerkenswert beschreibt: Der Schauspieler, meint er, sei jemand, dem es an "allem" fehle. Er leitet das aus der Frage des Moderators ab, ob jemand wie er, der in bestimmten Gegenstände in der Schule ja gar nicht gut gewesen sei, dann als Nachhilfelehrer arbeite könne (wie Selge es getan hatte.) Selge meinte, daß das gerade dann gut möglich sei. Er habe oft dann die Erfahrung gemacht, daß jemand, der etwas nicht könne, umso besser darin sei, genau das zu lehren (oder zu kritisieren)

Man muß das wohl etwas genauer ausführen, und möglicherweise hat Selge es auch so gemeint wie ich es sehe. Daß ein wichtiger Aspekt der künstlerischen Tätigkeit aus der Unfähigkeit entstammt, in der Welt als man selbst eine Rolle zu spielen. Insbesonders bei Schauspielern zeigt sich dieser Mangel an eigener Figur oft deutlich, die nur die geliehenen Identitäten der Figuren besitzen, die sie spielen.

Zu kurz greift der Gedanke dann, wenn man nicht zwischen Narzißmus, Eitelkeit und dem unterscheidet, das ich mit "Wollenslosigkeit" bezeichne. Das pathologische Bild der Persönlichkeitsschwäche, der Willensschwäche, die aus dem Willen entsteht, allen alles zu sein, um damit allen Erwartungen entsprechend geliebt zu werden, sieht dieser Ich-Losigkeit täuschend ähnlich, ist aber das völlige Gegenteil. Das Ideal des Schauspiels ist erst in dem Maß erreichbar, als völliges Staunen eingesetzt hat zu beobachten, was man den anderen denn sei.


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Gar kein Leben mehr

Was ein junges Mädchen über sich und ihre Zukunft denkt.





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Eine erst in diesen Tagen veröffentlichte Studie der EU kam zu einem "alarmierenden" Ergebnis: Europaweit sind 15 % der 15-29jährigen weder in Arbeitsverhältnissen, noch in Ausbildung - also: NEETs - sondern leben als Empfänger öffentlicher Leistungen. In Griechenland oder Italien beträgt der Anteil sogar 30 %. Europaweit handelt es sich dabei um 14 Millionen junge Menschen, insgesamt zählt man 94 Millionen in diese Altersgruppe. Diesen jungen Leuten fehlt aber auch jede spezifische Qualifikation.

Die Begründung, so laut zu schreien, dürfte unfreiwillig auch gleich einen wesentlichen Teil der Erklärung mitliefern: Es lohne, in diese Bevölkerungsgruppe zu investieren. Denn derzeit "entgeht dem gesamteuropäischen Bruttosozialprodukt rund 1,2 % möglicher Steigerung", stattdessen fallen konservativ geschätzt Kosten von rund 11 Milliarden Euro pro Jahr an. In Ländern wie Italien, Spanien oder Griechenland sei das sogar mit 3 % des BIP zu veranschlagen, weil dort die Arbeitslosigkeit der Jugend (15-24) bis zu 50 % ausmache. Es mache Angst, weil ähnliche Folgen (Rebellion) wie im arabischen Raum befürchtet würden. Man müsse deshalb Wege finden, Jugendarbeit zu individualisieren, um die jungen Menschen zu motivieren, am öffentlichen Leben wieder teilzunehmen.

Das heißt nämlich, daß bald eine ganze Generation am herkömmlichen gesellschaftlichen Leben gar nicht mehr teilnimmt. Außer ... durch staatlich bezahlten Konsum.

Naja, bald wird ja auch ein allgemeines "So tun als ob" sie gebraucht würden einsetzen. Durch staatlich "geschaffene, garantierte Jobs". Das kann man zumindest den Stellungnahmen der Politiker entnehmen.





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Donnerstag, 25. Oktober 2012

Brot ODER Freiheit

aus 2007) "Der Staat steht heute, und schon lange, nicht in großer Achtung. Die Folge ist eine ausgebreitete Interessenlosigkeit an Staat, Politik und öffentlichem Leben überhaupt. In der Antike galt die sorgende und tätige Anteilnahme an der Verwaltung des staatlichen Gemeinwesens als auszeichnender Vorzug des Vollbürgers und zugleich als eine seiner wesenhaften Lebensaufgaben." (Johannes Messner, 1954)

"Die städtischen Massen von heute, verworren durch die ihnen unverständliche Welt, wollen vielleicht gar keine Verantwortlichkeit und sind wohl nur zu sehr bereit, fast alles den Politikern, Direktoren und Beamten zu überlassen." (John B. Priestley)

"... (Die Massen) werden uns dann auch ihre Freiheit hinwerfen und sagen: Versklavt uns, aber gebt uns Brot; denn sie werden begreifen, daß Freiheit und Brot in Fülle unvereinbare Dinge sind." (Fjodor M. Dostojewskij, "Brüder Karamasow")

Es war der große revolutionsgeladene Irrtum des Individualismus, daß die Freiheit das Leichte sei, das den Menschen nur von Bindungen befreie. ... Freiheit eine Frucht des Kampfes mit dem Bösen, der Selbstsucht, der Gewalt, dem Machtdurst, ... "... es ist schwieriger als freier Mann zu leben denn als Sklave; das ist der Grund, warum Menschen so oft bereit sind, auf ihre Freiheit zu verzichten. Denn wie die Freiheit des Christen der Ruf zu einem Leben der Heiligkeit ist, so ist die Freiheit an sich der Ruf zu einem Leben des Mutes und oft auch des Heroismus." (Georges Lefèbvre)


*251012*

Drei Frauen (II)



Gesehen auf everyday_i_show





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Seiten derselben Medaille

Bisher (ohne "erneuerbare Energiequellen") reichte in Deutschland für einen jährlichen Verbrauch von 83 Gigawatt eine Kraftwerksleistung von 120 GW als Vorhalte. 

Mit Wind- und Solarkraft muß diese vorzuhaltende Kapazität 220 Gigawatt betragen. Die Erneuerbaren Energiequellen sind ein reines Parallelnetz.

Ohne die Investitionen in Speicher zu berechnen, derzeit überhaupt noch ein ungelöstes Problem, wird das Deutschland in den nächsten Jahren 300 Milliarden Euro kosten.

Dieses zukünftige Netz, das nur als zentralgeplantes und -gesteuertes Netz möglich ist, bringt völlig neue Notwendigkeiten mit sich. Die sich in den Kosten niederschlagen. Bereits jetzt kann man sagen, daß der durchschnittliche Verbraucher diese Kosten tragen wird: der kleine Unternehmer, dessen Wirtschaften nicht unter die Förderkriterien fällt, weil er nicht international im Wettbewerb steht, und der Mittelstandshaushalt, der in der Lage ist, die höheren Energiekosten zu tragen. Denn bei gleichzeitigem Absinken der Kaufkraft der unteren Einkommensschichten wird eine soziale Staffelung unumgänglich sein. 

Ob direkt, durch verbraucherspezifische Stromtarife, oder indirekt durch höhere Sozialleistungen. Letzteres ist wahrscheinlicher, weil die Kosten für diese "Energiewende" nach wie vor aus politischen Gründen verschleiert werden sollen. Diejenigen also, die an der Zerstörung der Lebenswelt in bisher unbekanntem Ausmaß am meisten leiden werden, weil sie nur sich haben - Mensch sind, sonst nichts - werden es also auch bezahlen müssen.

Es ist mehr als zufällig, daß diese reale Entwicklung parallel geht mit einer Weltsicht, in der alles Leben ohnehin "nur (elektrische) Energie" ist. Eine Sicht, die sich spätestens seit Entdeckung der elektrischen Ströme in Organismen (in der 1. Hälfte des 19. Jhds.) wie eine Wucherung in die Herzen der Menschen gefressen hat.

In dem Maß, in dem Gott verdunstet, stehen die "wissenschaftlichen, realen Lebensquellen" - als technische Funktionalität, die der Welt abzuringen ist, auch das längst vorbereitet: als Stromkraftweke - im Blickpunkt, ersetzen sie. Als Grundkatechese über das Leben, die direkt aus dem Lebensvollzug als Grundeigenschaft der Welt hervorgeht, und damit den Geist wachruft, aus dem sie stammt, denn jedes Werkzeug repräsentiert seinen Geist, und dieser geht auf seinen Gebraucher über. Auf der einen Seite. Seit 100, 150 Jahren durch v. a. asiatische Lehren verbreitet, die ihre "Spiritualität" aus denselben Quellen, den "Techniken der Lebensanspeisung", beziehen.

Auf der anderen Seite bricht sich das Leben mehr und mehr in sein abstraktes Äquivalent - Geld "an sich". Als technisches Abstraktum der Lebensvollzüge, bodenlos, und damit in unbegrenzter Vermehrungsmechanik, die einem Zentralpunkt zusteuert: der Planung und Steuerung sämtlicher "Geldumlaufmechanismen".

Weder Geld-, noch Strom- bzw. Energieverbrauch, werden in solcher Entwicklung je "reichen", sie werden immer weiter steigen und steigen. Und zwar im selben Maß, wie das Leben als Gestalt in der Welt selbst verdunstet, das sie zu ersetzen suchen. Die Welt kann sich Nihilismus, sicentistischen Technizismus, im wahrsten Sinn des Wortes "nicht leisten". Im Einsatz einer "erleichternden" Technik - die eigene Vitalkraft einsparen und ersetzen soll. Einschließlich der Einsparung der Geisteskraft, im Logizismus*, im Energetizismus.

Eine Welt, die sich immanentistisch begreift (als in sich geschlossenes System**), muß sich zwangsläufig immer mehr immanentistischen "Lebenshervorrufungsprozessen" zuwenden. Im selben Maß, als die Menschen das Schwinden des Lebens erfahren. 

Gott IST das Leben. Es ist alles eine einzige Grundbewegung, aus der heraus auch Geschichte begreifbar wird.





*Im Rationalismus wird Denken zum bloßen Vollzug einer Mechanik, zur Technik. Das Wesentliche des Geistigen, das Schöpferische, das was jeder Mensch selbst zu vollziehen und zu erbringen hat, sodaß Geistiges zu Gestalt wie Grundlage seines vitalen Ich, im vitalen Selbst wird, wird ausgeblendet, Denk"ergebnisse" werden zu bloßem unschöpferischem Nachvollzug von Logikprozessen. Man wird aber nur "Selbst", wenn man sich aus dieser Quelle speist, in der das Ich - als alles Umfassender Wesenskern des Menschseins - sich selbst gegeben ist, sich also nicht sich selbst verdankt, sondern sich dem Leben selbst verdankt. Dem "Cogito, ergo sum" des Descartes - dem Zu-sich-Kommensprozeß des bewußten Ich im Selbst, in der ersten Lebensemanation, dem Wort (das Gott ist), dem Gedanken mithin - geht jenes "Ich" voraus, das diesen Prozeß FESTSTELLT, erfährt. Und auf das sich sämtliche weiteren entelechialen (leibwerdenden) Prozesse zurückführen. Dies auch zu einigen jüngst getroffenen bzw. zu lesenden Aussagen des Daniel Kehlmann erwidert. Innerrational - ein Glaubenspostulat, zu dem man sich entscheiden muß, das selbst nicht rationales Ergebnis ist! - bleibt nur Verzweiflung hier, und Curiositas dort, weil sich alles ins Relative, aber an sich Sinnlose, auflöst. Und damit - wie Kehlmann richtig sagt - im (nihilistischen Zweig des) Buddhismus endet. Das Entscheidende passiert aber im Personsgebungsakt: Abbild Gottes, weil aus ihm hervorgegangen, im Schöpfungsakt, aber wesenhaft von ihm getrennt (!), also nicht "selbst Gott", nur Analogie (Ähnlichkeit) seines Wesens (weshalb sich aus menschlichen Akten auf Akte Gottes rückschließen läßt, diese aber nicht identisch sind), steht dem Menschen zur Teilhabe an der Wahrheit nur die Person Gottes - in Jesus Christus - gegenüber. Nur indem er an IHM teilhat, hat er an der Wahrheit und am Leben teil. Jesus war kein "illuminierter Lebenstechniker", sonder er ist Ursprung wie Grundstein wie Ziel aller Schöpfung, aller Welt, als in sich unendlich komplexes Zusammenspiel, das sich in sich selbst am Leben erhält, wie ein gotisches Gewölbe, aber bei Fehlen des Schlußsteines in sich zusammenfällt.

**Weil aber der Rationalismus weiß, daß er sich selbst nicht aus sich selbst begründen und beweisen kann - das ist ja die großartige Leistung von Gödel: das streng rational BEWIESEN zu haben - bleibt (ohne das Sehen - bewußt wird hier nicht gesagt: denken! - von "Gott") diese rational begründete Notwendigkeit der Transzendenz als ungesättigte Gedankenbewegung vital und präsent. Und äußert sich (wie bei Gödel) in "Parapsychologie" und "Weltverschwörungstheorien". Gödel war zunehmend "Geisterseher" und paranoid, sein Wissen um außenstehende Ursachen äußerte sich, als ungesättigte Kraft des Selbst, zwangsläufig auf diese Weise.  




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Mittwoch, 24. Oktober 2012

Drei Frauen (I)




Drei kretische Frauen - from everyday_I_show




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Auffälliges Gegenteil

90 % der Jugendlichen (14-19 Jahre) "leben online" - nahezu ihr gesamtes Leben spielt sich rund um social media ab, die soziale Stellung hängt von ihrer Medienpräsenz ab. So schreibt die Presse. Wer man sei definiere sich daraus, wieviele "friends" man auf Facebook habe. Daraus entstehe ungeheurer sozialer Druck.

Tja, vielleicht ist es genau umgekehrt. Denn mehr als der Inhalt einer Aussage ist daraus zu erfassen, was sie "an sich" ist. Vielleicht läßt sich aus Facebook (etc.) gar nicht ermessen, was jemand ist oder bedeutet, sondern nur die Beruhigung beziehen, daß er NICHT MEHR ist als ich?

Der Gedanke steigt aus einer der Leserantworten auf diesen Artikel. Wo jemand etwas Simples beschreibt, das eigenes Erleben wachruft: 

Vor 30 Jahren, schreibt der Leser, galt jemand der ständig telephonisch erreichbar war, als Stubenhocker, war unangesehen. 

Der Verfasser dieser Zeilen will das sogar noch ausbauen: Am angesehensten waren die, die NIE erreichbar waren. Denn sie haben damit ausgesagt, daß sie ständig etwas tun, aktiv sind, wirklich Freunde HABEN (und nicht nur behaupten). Und sogar die, die am wenigsten über sich aussagten, waren die Beneidetsten. Um sie blieb alles ein Geheimnis, schon gar, wenn man diese beiden Fakten kombiniert. Auf DIE war man neidisch, die sah man als Vorbild, denen maß man Stärke zu: Ihr Leben war echt, und darauf kam es an. Das hätte man auch gewollt.

Wer also im Netz "hängt", beweist allen anderen, daß er keine "Gefahr" darstellt. Er ist genauso uninteressant wie sie selber, auf Behauptungen angewiesen. Und DESHALB entsteht der Druck, sich zu beteiligen. Es ist derselbe Druck, der auch im Alltag längst erfahrbar ist: Alles, was ETWAS IST, ist fremd, ist etwas anderes, ist etwas das Widerstand leistet, das "Schmerz" verursacht, und muß deshalb beseitigt werden - und sei es durch Verleumdung, sei es durch die Veröffentlichung von "Wahrheiten", die seine Integrität aufbrechen sollen, ihn zu einem "nur so sein" fragmentieren. Ein Anderssein, das wie der Schmerz (der ein Aufruf zur Wirklichkeit ist) aber nicht überwunden, sondern ALS Schmerz verhindert werden soll. Am besten, indem man der ganzen Welt (durch "Transparenz" als Verzicht auf Integrität) ihr Eigensein generell nimmt. Denn dann müßte man sich der sehr realen Mühe der Selbstwerdung - nicht der Mühelosigkeit der "Selbst-Redung" - unterziehen.



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Theaterkritik - Goethe ca. 1770

aus 2007) Goethe schreibt in "Dichtung und Wahrheit" über einen Streich, den sein damaliger Leipziger Freundeskreis anläßlich der Aufführung des "Medon" von Claudius auszuführen plante - und wofür der junge Student einen Prolog schrieb, dessen Niederschrift aber späterhin verloren ging.

Darin trat vor Beginn des eigentlichen Stückes ein Arlekin mit zwei großen Säcken auf, die er auf beide Seiten des Proszeniums aufstellte. Nach verschiedenen Späßen vertraut er den Zuschauern an, daß in den beiden Säcken moralisch-ästhetischer Sand befindlich sei, den ihnen die Schauspieler sehr häufig in die Augen werden würden. Der eine sei nämlich mit Wohltaten gefüllt, die nichts kosteten, und der andere mit prächtig ausgedrückten Gesinnungen, die nichts hinter sich hätten.


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Dienstag, 23. Oktober 2012

Noch einmal: Bio

Keine chemisch-wissenschaftliche Analyse vermag jemals herauszufinden, WAS ein Ding, eine Pflanze, ein Lebensmittel überhaupt ist. Deshalb ist es nur amüsant zu sehen, welchen Schock eine unlängst erschienene Studie auslöste. Die zum Ergebnis hatte, daß "Bioprodukte" keine signifikant anderen Bestandteile als unter "künstlichen" Bedingungen entstandene hätten.

Das Wesen der Dinge, ihre Wirklichkeit, ist kein Abstraktum, das "die Tomate" weltweit definieren ließe. Abstrahiert, läßt sich nur eine weltweite Tomate unter bestimmten Bedingungen formulieren und festlegen, aber nie "die Tomate".

Jeder lebende Organismus hat nicht einfach zum Ziel, diese und jene vorgestellten Eigenschaften (die man nachträglich als "allgemein", allen Tomaten gemeinsam feststellt) zur Darstellung zu bringen. Sondern sein Wachsen, sein Werden ist die direkte Interaktion mit seiner Umgebung. Deshalb liegt das Wesen der lebendigen Dinge in ihrer Geschichte. Erst aus dieser erwachsen ihm jene Eigenschaften, die in der Wissenschaft reduziert und abstrahiert werden.

Eine Tomate aus moderner Glashausproduktion wird zwar dieselben chemischen Eigenschaften haben, so wie alle Menschen wissenschaftlich gesehen grosso modo aus denselben Bestandteilen bestehen. Aber jeder Organismus ist ein Individuum, und seine Konsistenz ist die direkte Reaktion auf seine Umwelt.

Deshalb interagiert der Mensch, im Essen, im Verdauen, auch in erster Linie mit diesen "Informationen", die in jeder Tomate dargestellt sind. Er nimmt aus der Tomate, die er zum Abendessen verdrückt,  Eigenschaften der Welt, die ihn umgibt. Und reagiert seinerseits darauf.

Das erst macht ein Lebensmittel zu einem Lebensmittel. Nicht der Transfer dieser oder jener Inhaltsstoffe. Es ist die Interaktion mit dem Konsumenten. Und auch hier: nicht als Ideologie,die über jede Tomate (würde sie vertauscht) auch ein völlig andere "geistige" Inhalte zuerkennen würde, wie der Zucker auf dem Kuchen. Sondern diese Geschichtlichkeit, dieses Erzählen, ist diesem Ding, der Tomate, immanent. Und das erst mach den Bio-Bauern, der seine Produkte am Wochenmarkt anbietet, interessant.

Und das macht den Unterschied, der damit viel grundsätzlicher ist, als die meisten "Bio-Anhänger" ahnen. Aber vielleicht ist es dieses Ahnen, das Bio zur Religion zu machen in der Lage ist. Dabei wäre es viel einfacher ... die Dinge wirklich "sein" lassen! Sie NICHT - und sei es zum "Gesundheitswahn" - abstrahieren! Bio-Nahrungsmittel "machen" nicht gesünder. Sie sind einfach Teil des Lebens, das in der Individualisierung in lebendigen Organismen zu sich findet, und nur als konkretes, historisches, lokal affiziertes Leben existiert. Als Welt, wo eins dem anderen dient, um sich insgesamt - im Menschen! - im Seienden zu halten, in dem das Sein selbst sich spiegelt.

Internet, Globalisierung, Wissenschaftsgläubigkeit und abstrakte Lebensmittel sowie Selbstentfremdung - sie stehen nämlich in einer geistigen Entwicklungslinie.



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