Zweifellos hat sich unser Sprechen von der Mündlichkeit weg hin zu einer bloßen Schriftsprache entwickelt, in der der Bezug zu ihrer Herkunft oft schon verwischt oder vergessen ist. So zeigt sich in unserem Sprechen auch die geistige Entwicklung der letzten halbtausend Jahre. Auch die Literatur wurde damit solipsistisch, der innere Monolog immer bedeutender.
Speziell in der Literatur haben wir es aus der (Druck-)Textbasiertheit des Studiums zunehmend mit "Germanisten-Deutsch" zu tun, das eigene Sprachcodes entwickelt hat. Personen, die quasi aus gedrucktextetem Deutsch kommen, beurteilen einen Text nicht mehr auf seine orale Kraft, sondern auf ihre Übereinstimmung mit diesen Codes, einer Art "Sprache die so aussieht wie ein Drucktext auszusehen habe". In der Regel haben Germanisten den lebendigen Bezug zur Sprache also bereits verloren, und ihre Sprache ist ästhetizistisch geworden.
Während sie es immer häufiger mit einer Leserschaft zu tun haben, die gleichfalls ihre lebendige Sprache verloren hat. Deren Sprache bereits selbst den Codes des Gedruckten entspricht. In dieser Gefahr ist zumindest jeder, der keine wirkliche Verwurzelung in einem sozialen Umfeld mehr hat, denn nur von dort her kann sich Sprache immer wieder mit Blut füllen, ihre Wörtlichkeit wieder aufweichen, ins Insgesamt der Bedeutung reintegrieren: Sprache ist per se "Satz", Absatz, Erzählung, Bedeutungswolke und -konglomerat. Nicht das einzelne Wort.
Was nicht gleichbedeutend ist mit "quantitativ erfaßbaren Gruppenzugehörigkeiten". Darin liegt der eigentliche Grund, warum sich so rasant durch bzw. über das Internet auch ein Verlust des Sprachvermögens einstellt. Zwar "kommunizieren" die Menschen mengenmäßig viel, wenn nicht mehr als früher, wahrscheinlich sogar, in jedem Fall aber formularhafter, inhaltsleerer, und auch im Ton unverbindlicher, weil weniger mit existentieller Lebensverknüpfung gesättigt. Sie wird distanzierter, ihre Inhalte müssen expressiver werden. (Die Sitte der "smileys" zeigt das auf jeden Fall: die immanente Inhalte explizit macht, damit auf eine andere Ebene der Kommunikation hebt: auf die rationale Ebene.) Die Schriftsprache, schreibt Ong, produziert zwangsläufig Ironie.
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