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Dienstag, 2. Oktober 2012

Paranormaler Nihilismus

Zwar könnte man auf den ersten Blick meinen, daß die Metapher des Films "Red Lights" (mit Robert DeNiro und Sigourney Weaver) im Verweis auf ein "Dahinter", das sich nicht dem rein innerweltlichen Logischen, der einfachen Kausalität erschließt, bestehe. Der zweite Blick aber offenbart das genaue Gegenteil.

Es geht um eine Wissenschafterin und ihren Assistenten, die sich zum Ziel gesetzt haben, sämtliche "paranormalen" Erscheinungen strengstens auf Betrug und Täuschung zu prüfen. Dabei sind vor allem auftretende "Magier" ihr vorrangiges Arbeitsgebiet, und es gelingt ihnen auch einige male, schweren Betrug aufzudecken. Am größten und berühmtesten aber zerbrechen sie scheinbar: er ist ihnen überlegen, die Wissenschafterin stirbt auf mysteriöse Weise, und es gelingt ihm sogar, eine hochoffizielle wissenschaftliche Testreihe - scheinbar - erfolgreich zu absolvieren. Die ihm bestätigen soll, daß er tatsächlich paranormale Fähigkeiten (vorwiegend auf dem Gebiet der Telepathie, des Gedankenlesens) hat. Erst im letzten Moment aber löst sich die Handlung auf überraschende Weise auf: Der Assistent selbst ist es nämlich, der ohne es zu wissen solche Fähigkeiten hatte, auf den also einige der seltsamen Erscheinungen zurückzuführen sind, und ein einem öffentlichen Showdown übertrumpft er den Scharlatan, der entlarvt wird, und gedemütigt fleht, er möge ihn doch in die Geheimnisse der wirklichen Paranormalität einweihen.




(Trailer "Red Lights")

Doch die Art, wie diese "Welt hinter der Welt" dargestellt wird, entspricht leider jener Sichtweise, die sich besonders seit dem 19. Jhd., aufbauend auf der Entdeckung der Elektrizität als Begleiterscheinung lebendiger Vorgänge (u. a. in den berühmten Froschschenkel-Experimenten), mehr und mehr aufgebaut hat. In einer regelrechten "Spiritismuswelle" begann man weltweit das Übersinnliche als Feld zu betrachten, zu dem bestimmte Techniken Zugang verschafften. Ja, man begann, Leben als konkrete "Energie", als Elektrizität aufzufassen. Die Entwicklung des elektrischen Stromes, seine Verteilung in Stromnetzen, die Entwicklung des späteren Computers (als "Geist") sowie die heutige Weltvernetzung durchs Internet ist auf genau diesen Vorstellungen aufgebaut. Mit den Begleiterscheinungen nahezu unzählbarer Praktiken - Reiki als Beispiel - in denen genau das zur Grundlage genommen wird: Leben IST Energie, und diese Energie ist nutzbar, ist manipulierbar: Stromnetze, Stromerzeugung sind damit nichts als eingespannte Lebensenergie, die "dem ganzen Kosmos zugrundeliegt".

Damit wird genau das Gegenteil von dem ausgesagt, was meist behauptet wird, um die Aura des "Geheimnisvollen", Spirituellen, Göttlichen also, zu wahren. Denn diese Mythologie, diese Autorität ist für das Wesen dieser Praktiken unerläßlich. Alle diese Formen sind aber direkte Formen des Nihilismus. Dem Göttlichen wird genau das genommen, was es in Wahrheit ist: Sein Anderssein, und seine Geistnatur, die im Logos der Welt zur Erscheinung  kam.

Wenn sich also in erwähntem Film das Paranormale als eben diese übernatürliche Welt einführt, so tut sie dies völlig irrational. Die Erscheinungen sind in keiner Weise "vernünftig" oder in das Wesen der Welt als Logos eingebettet bzw. aus diesem heraus ja vernünftig, sondern eingetaucht in diese dem Horrorfilm vergleichbare Irrationalität und Dämonie. (Horror als Genre spekuliert ja genau mit dieser gleichsetzung von Geheimnis und Irrationalem, wo der Tremor vor dem Sein an sich zur Furcht vor dem Dunkelen, dem Bösen dem das Dunkel als Nichts und Chaos als Abwesenheit von Licht/Gott völlig richtig zugeschrieben wird, umgedeutet wird.) Dämonie, die sich erst auflöst, wenn das Paranormale wieder zur weltimmanenten Erscheinung wird, zur rationalistisch-technizistischen Physik - und damit genau nicht: ÜBERNATÜRLICH. Sondern manipulierbare Energie, Technik. (Und hier ist die Schnittstelle zur Magie.)

Leben aber IST nicht Energie. Keine Energie der Welt kann Materie lebendig machen. (Der Frankenstein-Mythos bezieht sich ja genau darauf, er entstand auch zur erwähnten Zeit, zu Anfang des 19. Jhds.) Leben ist, wie es Thomas Mann (!) in seinem ZAUBERBERG den Herrn Peeperkorn so überraschend präzise sagen läßt, die Hochzeit Gottes mit dem Menschen, um durch ihn zu fühlen, was Leben ist: Berauschende Glückseligkeit, sich lebendig zu erfahren, eingeladen durch unsere männliche Kraft zum Gemüt, in dem sich Gott zeigt. Wenn er sich zeigt.

Aber keine Energie, die Scheinwerferlampen explodieren oder Vögel vom Himmel fallen läßt, solange wir an ihrer Feineinstellung noch zu justieren haben.



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