aus 2007) "Wir hatten sogar Gewehre - wir hätten sie nicht freiwillig herausgegeben!" Das erzählt der Plowdiwer Bulgarisch-Orthodoxe Bischof Kiril "Plowdiwski" über Vorfälle im März 1943, dessen mutiges Einschreiten für die Vorgänge in Bulgarien aber nur typisch war. Denn was ich noch nirgendwo gehört habe, brachte SWR2 vor Monaten in einer Radiosendung: Während der Kriegszeit kamen in Bulgarien, das außenpolitisch mit Deutschland verbündet war, alle 48.000 registrierten und zur Vernichtung bestimmten Juden mit dem Leben davon, keiner wurde deportiert und in KZs getötet. Man hätte die Juden auch verteidigt, meinte Kyril.
Bereits 1939 waren erste Versuche einer "Kristallnacht" zum Erliegen gekommen, weil die Empörung der Bevölkerung den Versuch im Ansatz erstickt hatten. Der deutsche Botschafter hatte damals nach Berlin berichtet, daß wohl aufgrund der historischen Situation, dergemäß viele Jahrhunderte lang die Bevölkerung gewöhnt war, mit Völkern und Rassen aller Winde zusammenzuleben, für Rassendiskriminierung und Judenverfolgung einfach kein Verständnis in der Bevölkerung zu erwarten sei. Eine solche Denkweise sei den Bulgaren fremd.
Die Bulgarisch-Orthodoxe Kirche spielte dabei eine besonders bemerkenswerte Rolle, auch in ihrem Einfluß auf den König und die Politik des Parlaments. Viele Juden ließ man scheinhalber zum "Christentum" konvertieren, damit sie in Sofia bleiben konnten und gar nicht erst in die Internierungslager kamen. (Ein gleiches Vorgehen ist aus Rom bekannt.) Zwar gab es also solche Lager, Juden diskriminierende Gesetze (ähnlich den Nürnberger Rassengesetzen) waren 1941 vom Bulgarischen Parlament beschlossen worden, doch waren sie mit den Konzentrationslagern im übrigen Europa nicht vergleichbar. Es herrschte von den Juden selbst so bezeichnetes "liberales" Klima, und nur vereinzelt gab es Repressionen (z. B. im Lager Labarba) Die Arbeitsdienste, die von den Internierten zu leisten waren, blieben "human" Selbst Künstler konnten in bestimmtem Rahmen, manche wie die jüdische Jazzformation "Die Optimisten" fast unbehindert, landesweit während des ganzen Krieges arbeiten.
Auch wenn es natürlich Bulgaren waren, die in Zusammenarbeit mit der SS die Umsetzung rassischer Reinigungsmaßnahmen 1943 endlich durchsetzen wollten. Als aber die Juden auf Drängen der SS in Konzentrationslager außerhalb Bulgariens - also nach Auschwitz etc. - deportiert werden sollten, kam es landesweit zu Protesten. Und so standen die Schergen einer fast geschlossenen Ablehnungsfront in der Bevölkerung gegenüber. Aus der kamen schließlich Eingaben ans Parlament, daß man sich weigere, die Mitbürger auszuliefern, immerhin handele es sich um bulgarische Staatsbürger, die zu schützen seien. Das Parlament befaßte sich damit, und kam zum Schluß, daß das Argument richtig sei.
Parallel eilte Bischof Kyrilow zu König Boris III. (Bild). Weil der aber noch Zeit benötigte, erst alle Kontakte aktivieren mußte, ging Kyril persönlich auf eine der Deportationssammelstellen für Juden und verhinderte mit einer Anzahl Helfern, daß Juden abtransportiert werden konnten: "Wenn ihr geht, dann geh ich auch mit!" Die Deportationen wurden endgültig gestoppt, kein bulgarischer Jude ist in einem Vernichtungslager gelandet.
Freilich, als "Konzession" an die drängende SS bzw. Deutschland wurden die 11.500 Juden in Thrakien und Madedonien, nach dem deutschen Balkanfeldzug zum Staatsgebiet von Bulgarien dazugeschlagen, also kein eigentliches, traditionelles Staatsgebiet, "freigegeben."
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