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Samstag, 17. Februar 2018

Das Nullte Vatikanum (1)

Einen weiteren sehr interessanten Artikel fand der VdZ am Blog von William M. Biggs. Er stammt aus der Feder von Ianto Watt, und stellt die These in den Raum, daß es vor dem 1. und 2. Vatikanum ein "Nulltes Vatikanum", also ein "Vaticanum 0" gegeben hat. Wie kommt er darauf? 

Zuerst einmal führt Watt an, daß sich das 1. und das 2. Vatikanum unterschieden haben wie Tag und Nacht. Im Vaticanum I  ging es (grosso modo) um Gewißheit ("Laßt uns einem Anführer zuhören"),  im Vaticanum II ums genaue Gegenteil, nämlich "laßt uns auf jeden hören, und am besten auf alle auf einmal.") Im eigentlichen Sinn meint also Watt einen Vorgänger zum 2. Vatikanum, wenn er von Vaticanum 0 spricht, und dieses ist der wirkliche Vorgänger zum Vatikanum II. Denn auf beiden Konzilen ging es um dasselbe, und beide gleichen sich auch frappierend.

Dieses Vaticanum 0 freilich ging in der Orthodoxen Kirche Rußlands vor sich. Um genau zu sein: Im Schisma das sich rund ums Jahr 1666 dort abspielte. Und das hier die Raskolniki (Die Altgläubigen) sah, und dort zur Entwicklung ihrer Opponenten, den Narodniki (Den ans Volk Glaubenden) führte. Das Schisma hatte profunde Auswirkungen auf die orthodoxe Welt Rußlands, und hat es bis zum heutigen Tag. Genau so, wie es das Vaticanum II auf die Welt hatte, wie sie von Petrus bis zu den Beatles bestanden hatte. 

"Was ist es, dass wir vom Vaticanum 0 lernen und auf unsere nach-jedermanns-Welt von heute anwenden können? Nun, nahezu alles. Aber speziell den Aufstieg der westlichen Narodniki und ihrer Herrschaft, und zwar sowohl in der Kirche wie auch im Staat. Beide werden nunmehr angetrieben von einem Neuen (wenn auch alten) Gott, den man "Demokratie" nennt. Und der der Demokratie der Toten gegenübersteht - der Tradition. Wo jeder mitreden kann, egal wie hoch einem auch der Puls dabei steigt."

"Was geschah im Vaticanum Null, das diese umfassenden Änderungen innerhalb der gesamten russischen Orthodoxie hervorrief? Es ist ganz einfach: Nur ganz kleine Änderungen. Aber sie waren wichtig. Sie kennen das ja: Laßt uns mit drei Fingern anstelle von zwei bekreuzigen. Laßt uns drei Halleluja anstatt zwei sagen. Laßt uns gegen den Uhrzeigersinn in der Liturgie schreiten, anstatt mit ihm (oder war es umgekehrt?) Verstehen Sie, was gemeint ist?

Es wurde nichts beschlossen, was man als Doktrine bezeichnen könnte. Es ging nur um kleine Änderungen "in der Praxis", in den Rubriken. Aber in einem Land, wo Schulbildung selten war, waren Gebetsvorschriften alles. Und weil die meisten orthodoxen Priester nie Theologie studiert hatten, waren Liturgie und Rubriken alles, was sie hatten. Um genau zu sein: Wenn man orthodoxer Priester war, war es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schon der Vater gewesen. Und auch dessen Vater. Und so weiter. Man wuchs damit auf, die Liturgie einfach zu sehen, nicht sie zu analysieren. Und weil die meisten Gläubigen genau dasselbe gemacht haben, waren sie ziemlich wahrscheinlich Ihnen gleich in der Erinnerung der Bewegung. Sinn war bedeutungslos."

Und jetzt folgt etwas, das man verstehen wollen muß, sonst ist alles sinnlos, was nun folgt, schreibt Watt weiter. Wir werden aber nun nur zusammenfassen:

Beide Konzile beriefen sich bei diesen Änderungen in der Praxis auf ... "uralte Tradition", auf die Anfänge also. Die Fortschrittlichen des 2. Vatikanums deklamierten, daß es keinen Sinn habe, in der modernen Welt bestehen zu wollen, wenn man sich nicht auf die reinen Anfänge rückbesann. Und weil sie annahmen, daß diese alte Welt noch etwas weniger gescheit, vor allem kindlicher als die heutige war, reduzierten sie auch alles auf ein infantiles Niveau. Das Latein wurde abgeschafft, genau so wie der Kalender, der Rosenkranz, Heilige und Heiligenstatuen und vor allem alles, was nach Hierarchie roch. Denn, so erklärten die Reformer, die Urkirche kannte keine Hierarchie, sie war demokratisch. Das Ergebnis also war sie nun, die wirkliche Tradition. Denn die gegenwärtigen "Traditionen" waren Ergebnis von napoleonischen Revolutionen, und zwar seit Konstantin. (Hatten nicht auch die Proponenten der Französischen Revolution den Anspruch, die "alte griechische Tradition" der Demokratie als Urzustand wieder aufzugreifen?) 

Klingt das übrigens in den Ohren von Protestanten nicht besonders vertraut?

Dasselbe geschah in der Ostkirche

Im Namen des Volkes (russ.: Narod) wurde auf eine Rückkehr zu einer pureren, älteren Tradition, einer Tradition der Anfänge verlangt. Sieht man da nicht schon die Aufstecknadeln der Gegenwart leuchten, auf denen "Wir sind Kirche!" steht? Wie sollte das aber praktisch stattfinden? Zuerst einmal laßt uns so viele Menschen wie nur möglich ins Allerheiligste (den Zelebrationsraum also, das Presbyterium, den Chor) stopfen. Davon sollen so viele Frauen sein, wie nur möglich ist. Wenn sich dann einmal alle um den "Vorsteher der Liturgie" (wie der Priester nun genannt wird) drängen, wird es kein Problem mehr sein, ihn überhaupt wegzudrängen. Laßt uns ferner diesen ganzen Chor von hinten nach vorne holen, damit ihn auch alle sehen können, und dort soll er auch seine neuen Lieder singen. Am wichtigsten dabei: Laßt möglichst alle (und vielleicht gleich noch ihre Hunde) direkt mit dem Allerheiligsten in Berührung kommen.


Morgen Teil 2) Beide Reformen hatten dasselbe Ziel - und denselben Effekt






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