Es gilt für Europa nicht anders als für Amerika, was William M. Briggs in einem seiner Blog-Artikel schreibt. Daß es nämlich für unsereiner nicht reicht, "konservativ" zu sein. Denn die heutigen Konservativen sind zum überwiegenden Teil Menschen, deren Haltung lediglich darin besteht, progressive Positionen der Vergangenheit aufgreifen. Sie wollen nicht mehr, als den Gang des Fortschritts ein wenig verlangsamen. Aber ihre Werte, nach denen sie rufen, sind keineswegs an einer ewigen Wahrheit orientiert, deshalb unveränderlich, sondern finden sich im Arsenal des früheren Fortschritts, verändern sich deshalb auch mit der Zeit, und kommen nur ein wenig später.
Der heutige Konservative (und wir wollen ergänzen mit dem Wort Rechte) vertritt ungeniert LBGT-Positionen, wenn natürlich auch gemäßigt, ein wenig (vielleicht durch Toleranzgerede) abgeändert und in privatem Rahmen. Er ist da und dort für Abtreibung (zumindest dafür, daß man sie straffrei behalten sollte), und natürlich befürwortet er die Gleichheit (und damit Gleichstellung) von Mann und Frau im öffentlichen Leben.
Speziell für Amerika gilt noch, daß er zwar keine zentralistische Regierung möchte, ja, aber eine Regierung, die sehr zentral mit viel Macht durchgreift. Er möchte ein militärisch starkes Amerika, das sich auch weltweit präsent zeigt, und sofort Stellung und Kampfposition bezieht, wenn es eines Monsters ansichtig wird. Er befürwortet den technischen Fortschritt, und träumt vom Krieg der Sterne. Und er glaubt an die Sendung Amerikas, der ganzen Welt das Gute bringen zu müssen.
Wir aber, schreibt Briggs, wir sind keine Konservativen. Wir sind vielmehr Reaktionäre. Denn der Reaktionär will etwas ganz anderes. Sein Maßstab, seine Liebe ist das Ewige, das Unveränderliche. Sein Verhältnis zu anderen Ländern und Völkern ist deshalb getragen von demütigem Respekt, oder zumindest von einem Mangel an Verdächtigungswut. Weil er jedem Volk und jedem Land zutraut, daß es durch seine Geschichte und seinen Werdegang nicht ohne Grund heute so ist, wie es eben ist. Er glaubt nämlich an die Bestimmung jedes Volkes, und die ist nur durch seinen jeweiligen Weg innerhalb seines geographischen Raumes und über Treue zu seinen jeweiligen Interessen erfüllbar. Der Reaktionär ist deshalb jemand, der die Freiheit überall auf der Welt liebt, aber deshalb nicht beginnt, Monster zu suchen, die er zu bekämpfen hätte.
Der Reaktionär möchte nicht ein wenig den Fortschritt verlangsamen. Sondern er ist der Auffassung, daß es sehr oft sinnvoll ist, die Uhr zurückzustellen.
*270118*