Teil 2) Beide Reformen hatten dasselbe Ziel - und denselben Effekt
Der Leser erinnere sich: Alle Reformen sollten
im Namen einer Widerherstellung einer "unverfälschten, echten"
Tradition stattfinden. Zwar gab es für diesen Anspruch nie den Funken
eines Beleges, denn Forschungen haben gezeigt, daß die Liturgie von 1962
ganz exakt dieselbe war die im Jahre 62. Warum sollte sie das auch
nicht sein? Immerhin hatten die zwölf Apostel drei Jahre im wohl besten
Seminar gelebt, das denkbar ist - in der Gegenwart Jesu Christi. Warum
also sollte ihre Liturgie infantil sein? Und wenn sie ihre
höchste Aufgabe darin sahen, die Worte Jesu zu überliefern, und zwar
ganz genau, warum sollte damit auch die Liturgie nicht auf diesem Stand
einfrieren, den sie doch von Jesus direkt empfangen hatten? So wurde die
Tradition geboren, und deshalb wurde auch Latein als universale
Liturgiesprache eingeführt - eine tote Sprache. Denn eine solche war ganz sicher "rein", von keiner Alltagssprache jemals verunklart und verändert.
Im
Vaticanum 0 passierte exakt dasselbe. Auch hier forderten die Reformer
im Namen der ursprünglichen Tradition eine Veränderung der gegenwärtigen
Praxis. Ausgehend von Bestrebungen der russischen Zaren, zu den
griechischen (byzantinischen) Wurzeln zurückzukehren. (Vermutlich hatte
das einerseits Legitimationsgründe, denn die Romanows waren noch nicht
lange an der Macht und hatten sich nach ihrer Machtergreifung mit einem
aufmüpfigen Bojarentum herumzuschlagen, dann aber auch den Sinn des
Beweises einer Tradition des Byzantinischen Reiches, das in Moskau
weiterbestehen sollte; Anm.) Zwar bestehen Zweifel, ob der Anstifter zu
den Reformen nicht doch der Patriarch Nikola gewesen ist, aber es
spricht einfach mehr dafür, daß sie vom Zaren ausging.
(Und die vom VdZ
angedeuteten Gründe würden diese Variante ebenfalls bevorzugen, denn
solche Motivgemengelage sind in der Kirchengeschichte häufig: Nicht
zuletzt dürfte die Kirchenspaltung in Ost und West, Byzanz und Rom, auf
Kaiser Karl zurückgehen, und zwar aus ganz ähnlichen Gründen wie hier
bei den Romanows.)
Auf jeden Fall kam die Idee zu einer
Reform beiden entgegen. Zar Alexis wollte ganz sicher Moskau zum Dritten
Rom machen, und der russische Patriarch nichts anderes. Beim 2.
Vatikanum ist dass nur scheinbar genau umgekehrt, wenn Kardinal Bugnini,
der spätere Initiator der Liturgiereform, Rom quasi "abschaffen" wollte
- nur schuf er damit eben viele, nicht mehr faßbare weil unbekannte
Roms, als Teil einer ökonomischen Kirche, in der auch die Anglikaner und
deutschen Lutheraner ihren gleichberechtigten Platz fanden, weil nicht
mehr "unter" einem Rom standen. Und natürlich auch Konstantinopel,
natürlich. Moment, und wie sähe es mit sagen wir Salt Lake City und
seinen Mormonen aus? Natürlich, auch die haben dann ihren Platz. Moment,
hieß Mons. Bugnini mit Vornamen nicht Hannibal - "Gnade von Baal", dem
berühmten Todfeind von Rom? Tschuldigung, das war nur ein Scherz.
Erstaunliche Parallelen, bis auf einen Punkt
Tja,
die Geschichte mit Roms 2. Vaticanum und Moskaus 0. Vaticanum zeigte
entsprechende Parallelen. Beide suchten (angeblich) eine Versöhnung mit
der Welt, indem sie "an die Ursprünge" zurückgehen wollten und die
jeweils gegenwärtige Gestalt veränderten. Beiden Konzilen folgte eine
Zeit der fanatischen Verfolgung dieser Gestalt, sie wurde strikt
verboten.
Sowohl der Zar als auch der Patriarch waren
überzeugt, daß die liturgischen Bücher sowie die Liturgien voller
Übersetzungs- und Übermittlungsfehler steckten. Die Kirche mußte wieder
"gereinigt" werden. Der Zar beauftragte den Patriarchen Nikon, den
Ursprüngen nachzugehen. Und der tat es, ging nach Athos, und studierte
dort sämtliche Bücher. Und siehe da, er fand die "ältesten Formen". Drei
Finger, nicht zwei. Drei Halleluja, nicht zwei. Und so weiter, und so
fort.
Nur gab es da ein unscheinbares Problem. Nein,
mehrere. Nicht nur, daß sich Zar und Patriarch zerstritten, und während
der Patriarch darauf wartete, daß sich der Zar bei ihm offiziell
entschuldigte, tat dieser etwas ganz anderes, denn er hatte ja die
Macht: Er stieß den Patriarchen aus der Kirche aus, und setzte ohne
lange die versammelten Patriarchen zu fragen, die auf der Seite von
Nikon waren, die Reformen in Kraft. Und zwar aus dem offensichtlichen
Grund, daß er eine Homogenisierung der russischen mit der griechischen
(originalen) Kirche wollte, um der unbezweifelte Nachfolger des
Kaiserstuhles von Konstantinopel zu sein, beide Glaubensgemeinschaften
bzw. alle Orthodoxen zu vereinen. Und das stimmt mit zahlreichen
weiteren historischen Analysen überein: Denn das war und ist seit
tausend Jahren das große Ziel der Russen.
Für dieses
Ziel waren die Russen bereit, auch etwas zu geben - eben ihre eigene
Tradition aufzugeben zu Gunsten der vermeintlich originaleren
griechischen Liturgie. Immerhin waren diese ja wohl getreuer als die
russischen Bücher? Lustigerweise - nein. Die russischen Bücher waren,
wie man heute weiß, allen Traditionen ganz exakt gefolgt, nicht aber die
griechischen!
Die Spaltung war die Folge
Die Katastrophe war perfekt. Denn
nunmehr spaltete sich die russische Kirche, in Raskolniki (die
Altgläubigen), und die Narodniki, die Volkstreuen, die in den Augen der
Altgläubigen der Antichrist persönlich waren. Noch dazu wurden diese
Reformen 1666 beschlossen - man sehe die Zahl! Nur hatten diese
Narodniki auch die Macht, und schwere Verfolgungen setzten ein. Die in
ihrer Härte nur noch von den nächsten Narodniki übertroffen wurden - den
Bolschewiken.
Und hier haben wir wieder die Parallele
zum 2. Vatikanum. Auch hier setzten schwere Verfolgungen der
"Altgläubigen" ein. Freilich waren manche Mittel scheinbar umgekehrt.
Aber nur zum Schein, denn das Ziel war dasselbe wie in der Orthodoxie:
Sämtliche christlichen "Kirchen" in einer ökumenischen Gesamtkirche zu
vereinen.
Wohin hat das alles geführt?
Nun, im Grunde zum gleichen Ergebnis. Bei beiden Kirchen. Jähe Veränderungen führen zu Verwirrung. Verwirrung schafft Richtungsstreit. Streit untergräbt die Disziplin und die Fähigkeit, einen Organismus zu leiten. Und diese Unfähigkeit verhindert eine wirkungsvolle Verteidigung der Lehre. Und damit ist ein Sieg der wahren Lehre unmöglich gemacht. Es ist deshalb klar, daß solch ein Vorgehen einer Revolution direkt in die Hände spielt. Während es für die Tradition verheerend wirkt.
Deshalb kann man eine Lehre ziehen: Wer ein System revolutionieren will, der tut das am wirkungsvollsten unter dem Banner der ... Wiederherstellung der echten, wahren Tradition, definiert als Rückgang zu einer weit zurückliegenden Rekonstruktion eines Anfangs, der den ganzen Weg dazwischen als Verfälschung entwertet.
Und dieser sogenannte Reformwille ist das Herz der Entwicklung des Abendlandes seit der Aufklärung. Es war in Wahrheit das Einreißen einer Kultur, weil jeder Erfahrung entgegen, den Generationen dazwischen abgesprochen wird, sich immer wieder neu reformiert und an den Anfängen und Prinzipien orientiert zu haben. Als Schlag ins Gesicht der Eltern.
Nun, im Grunde zum gleichen Ergebnis. Bei beiden Kirchen. Jähe Veränderungen führen zu Verwirrung. Verwirrung schafft Richtungsstreit. Streit untergräbt die Disziplin und die Fähigkeit, einen Organismus zu leiten. Und diese Unfähigkeit verhindert eine wirkungsvolle Verteidigung der Lehre. Und damit ist ein Sieg der wahren Lehre unmöglich gemacht. Es ist deshalb klar, daß solch ein Vorgehen einer Revolution direkt in die Hände spielt. Während es für die Tradition verheerend wirkt.
Deshalb kann man eine Lehre ziehen: Wer ein System revolutionieren will, der tut das am wirkungsvollsten unter dem Banner der ... Wiederherstellung der echten, wahren Tradition, definiert als Rückgang zu einer weit zurückliegenden Rekonstruktion eines Anfangs, der den ganzen Weg dazwischen als Verfälschung entwertet.
Und dieser sogenannte Reformwille ist das Herz der Entwicklung des Abendlandes seit der Aufklärung. Es war in Wahrheit das Einreißen einer Kultur, weil jeder Erfahrung entgegen, den Generationen dazwischen abgesprochen wird, sich immer wieder neu reformiert und an den Anfängen und Prinzipien orientiert zu haben. Als Schlag ins Gesicht der Eltern.
***
Hinweis: Der Streit um "zwei oder drei Finger" (etc.) scheint nur uns bereits völlig entgeisteten West-Barbaren lächerlich und völlig unwichtig. Er entfaltet seine Schwere aber, wenn man die Bedeutung und Rolle des Konkreten, Bildlichen, Dargestellten in der Orthodoxie bedenkt. Wo zwar das Zeichen selbst nicht angebetet werden kann oder darf (was den Altgläubigen ja vorgeworfen wurde, zu Unrecht, sieht man von einzelnen Mißständen ab), aber dieses Zeichen als Symbol verstanden wird, in dem geistig der transzendente Inhalt - damit der Himmel, bzw. ein Teil davon - gegenwärtig ist.
*270118*