Was hätten die Russen machen sollen?
Doch was
immer Rußland gemacht hatte - Nachrüstung der Raketensysteme, was
zuerst von den Amerikanern als "bedenkenlos" eingestuft worden war - war
dann als Akt der Aggressivität gewertet worden. Dabei hatte Rußland
sich immer an die Abrüstungsverträge gehalten! Was man von den USA
freilich nicht sagen kann. Amerika hat immer reagiert, als sei Rußland
nach wie vor der Feind in einem Kalten Krieg. Und Rußland hat eine Zeit
gebraucht, um das zu begreifen, denn logisch war es ja nicht. Zumal die
Russen ja den Iran - das vorgebliche Verteidigungsziel der USA - zu
Kontrollabkommen gebracht hatten, sodaß sich ergab, daß von dort keine
Raketengefahr ausging. Dennoch hat die NATO ihr Raketenabtwehrsystem
(ABM) nicht geändert. Rußland mußte (!) das also als potentielle
Bedrohung ansehen - und reagieren. Denn das Land hat schon aufgrund
seiner Größe und seiner Geschichte eine geopolitische Verantwortung.
Wie
sollte es also reagieren? Die sogenannten Abwehrwaffen der NATO in
Polen oder Rumänien lassen sich binnen Stunden in Offensivwaffen
umrüsten. Die Amerikaner wollen das Prinzip der "Augenhöhe" nicht
anerkennen, obwohl die Russen nur so betrachtet werden wollen. Weil sie
immerhin seit je in der Lage waren (Putin erwähnt den Spionagefall der
Rosenbergs bzw. von Klaus Fuchs aus den 1950er Jahren) einem
amerikanischen Angriff adäquat zu antworten. Diese Wissenschaftler
handelten aus Verantwortung, meint Putin, um ein "Gleichgewicht der
Kräfte" herzustellen. Heute aber sind die Amerikaner dabei, dieses
Gleichgewicht in Frage zu stellen. Rußland, das ein Sechstel der
Landfläche der Erde einbegreift, kann aber nicht zulassen, sich von den
USA bestimmen oder beherrschen zu lassen.
Diese
Position eines gewissen Mißtrauens geht auf historische Ursachen zurück.
Die Sowjetunion konnte nicht vergessen, daß die Amerikaner unter Wilson
1919 im Osten gelandet waren, um das kommunistische Regime zu
bekämpfen. Und nicht vergessen sind Aussagen westlicher Politiker, die
in einer Unterstützung der UdSSR unter Stalin nach 1941 erst Sinn sahen, als die Russen in Folge des deutschen Angriffs bereits viele
Millionen Tote zu beklagen hatten. Viele westliche Politiker hatten
nämlich gemeint, es diene den westlichen Interessen, wenn sich
Deutschland und Rußland gegenseitig ausbluten würden.
Kein Raum für Anti-Amerikanismus
Die
Amerikaner haben immer schon das Konzept des "Feindes Rußland"
verfolgt. Man sollte doch nicht vergessen, daß die Amerikaner erst 1944
wirklich in den 2. Weltkrieg in Europa eintraten, zu einem Zeitpunkt,
wo die Russen unter enormen Opfern die Deutschen im Grunde bereits
besiegt hatten: 5 von 6 deutschen Soldaten im Osten waren da schon im
russischen Abwehrkampf gefallen. Und nun erst kamen die Amerikaner "als
Retter". Die Sowjetunion war zu diesem Zeitpunkt ein total zerstörtes,
ausgeblutetes Land. Hilfeversprechen der Amerikaner haben sich (nach dem
Tod von Roosevelt) nie erfüllt.
Freilich, das Konzept
einer bipolaren Welt im Kalten Krieg war zuerst ein Fehler der
Sowjetunion gewesen, vor allem durch die (rasche) Entwicklung eigener
Atombomben. Man hat damit die Chancen einer friedlichen Kooperation mit
Europa nicht genützt. Aber auch vom Westen wurden die Signale - wie bei
Finnland (1947) und Österreich (1955) geschehen, die beide aus der
russischen Besatzung entlassen wurden - nicht entsprechend als Angebot
einer friedlichen Koexistenz gewürdigt.
Übermorgen) Teil 3
*240118*