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Samstag, 24. Februar 2018

Die Putin Interviews (Oliver Stone) - 11

(Zusammenfassende Übertragung - Stunde 8)

Generell, so Putin, möchte Rußland einen vorsichtigen Weg gehen, staatlichen Einfluß aus vielen Wirtschaftsbereichen zu verringern. Vorsichtig, weil man oft globalen monopolisierten Bereichen gegenübersteht, denen gegenüber man nicht einfach alle Wirtschaftsbereiche öffnen kann, sonst gehen sie unter. Beispiele sind der Energiesektor, die Eisenbahnen, Raumfahrt, Luftverkehr - viele Länder haben hier eigene Formen dieser Industrien ausgebildet, die eigene Entwicklungswege gehen. Diese Sektoren sind überall monopolisiert und hängen direkt mit den Regierungen und deren Unterstützung zusammen. Rußland möchte ebenso wie andere Länder verhindern, daß seine Unternehmen in diesen Bereichen unter die Räder kommen. 

Die Panama-Papiere

Erscheinungen wie sie bei den Panama-Papieren 2016 öffentlich wurden, gibt es in Rußland nicht (etwa auf Zypern als off-shore-Fluchtziel für russisches Kapital). In den Panama-Papieren wurde bekannt, daß 14.000 internationale Unternehmen und Vermögende ihr Geld auf Panama parken, um weltweit Steuern zu vermeiden und Vermögen außerhalb jeden staatlichen Einflusses zu konzentrieren. Putin weist von sich, daß er selbst ebenfalls solche Praktiken betrieben habe. 

Zwar sei richtig, daß hier auch Namen aus seinem (auch privaten) Umfeld aufgetaucht waren, aber es ist eine Tatsache, daß keine Gesetze - weder in Rußland noch in anderen Ländern - gebrochen worden waren. Natürlich war ihm klar, daß sein Name nun in die Schlagzeilen kommen würde, während über viele andere geschwiegen wurde. Das ist nur als Versuch zu sehen, die russische Innenpolitik zu beeinflussen, indem man seinen Ruf zu schädigen versucht. Aber die Russen sähen ja, was er für Politik mache und wie sie sich auf die russische Wirtschaft auswirke, also sei hier auch wenig Wirkung zu erwarten. Putin selbst glaubt nicht daran, daß viel Geld auch gleichbedeutend mit großem Lebensglück sei. Man sehe es an den Problemen der Reichen in den Krisen, ihre Gelder so anzulegen, daß sie sich nicht auflösten. Das mache, so Putin, nur Kopfweh. 

Stone sei wohlhabender und glücklicher einzuschätzen als jene, die das große Geld auf ihrem Konto hätten. Er habe eine eigene Meinung, er habe Talente, er habe die Möglichkeit diese Talente umzusetzen und sich damit Nachruhm zu erwerben. Geld könne das nicht ersetzen, man kann es nach dem Tod nicht mitnehmen.

Die Wahlen in Rußland 2018

Wenn Putin 2018 wiedergewählt werden sollte - und die Chancen sind zweifellos gut - wäre er nach Ablauf der nächsten Legislaturperiode 24 Jahre an der Macht. Fast so viel wie Stalin (30 Jahre) und mehr wie Roosevelt. Stone stellt Putin die Frage, ob er nicht fürchte, sich persönlich an die Macht zu gewöhnen, ob er tatsächlich glaube, daß Rußland ihn so notwendig brauche. Putin antwortet, daß das nicht seine Fragen seien, denn das entscheide das russische Volk bei den Wahlen, und niemand von außen habe das Recht, diese seine Wahl in Frage zu stellen. Er halte eine gesunde Konkurrenz für wichtig, aber jede Entscheidung habe die Interessen des russischen Volkes zu verfolgen. Da habe keine ausländische Macht das Recht auf Einflußnahme. Außerdem sei Stones Aussage nicht wahr, vier Jahre in dieser Zeit war Medwedew Präsident gewesen, und Putin nur Vorsitzender der Regierung. Es sei einfach falsch zu behaupten, Medwedew sei von ihm gesteuert worden. Aber das sei nur eine der Intrigen gegen ihn, mit denen man versuche Einfluß auf die kommenden Wahlen zu nehmen.

Stone korrigiert sich. Er habe gemeint, daß so viele Jahre an der Macht automatisch das Gefühl hervorriefen, wo einerseits das Volk meint, ihn zu brauchen, und anderseits der Mächtige sich unter dieser Macht verändere. Putin stimmt ihm da zu, es sei tatsächlich ein gefährlicher Zustand. Wenn also eine Person an der Macht bemerkt, daß er die Macht mehr schätzt als die Interessen seines Landes zu verfolgen, also am Puls des Volkes zu sein, ist es Zeit zu gehen. Aber auch dies muß man dem Urteil des Volkes überlassen. Macht bedeutet zudem auch viel Opfer, es ist nicht nur ein positives Gefühl. Freilich, irgendwann ist es für jeden Zeit, zu gehen. 

Es geht um ein Widererstarken Rußlands, nicht um eine Notfallsituation

Und hier wird es interessant. Denn als Stone meint, daß auch nach dieser Wahl die Weltöffentlichkeit zweifeln wird, ob es in Rußland wirkliche Demokratie gebe, erwidert Putin, ob Stone glaube, daß es Rußland darum gehe, irgendjemandem etwas zu beweisen? Das Ziel Rußlands sei, wieder zu einem starken Land zu werden, die Lebensumstände zu verbessern, das Land wertvoller zu machen, es innen- wie außenpolitisch wieder stärker zu machen, um so mit den Herausforderungen der Zeit umgehen zu können. Das sind die Ziele Rußlands. Es geht also nicht darum, jemandem zu gefallen. 

Stone weist richtig darauf hin, daß dies aber jede Macht behaupte - daß es ums Überleben gehe und deshalb jedes Mittel gerechtfertigt sei. Das weist Putin zurück, denn man müßte erst einmal belegen, daß es in Rußland Strukturen gebe, die unter solchen "Notfalls-Bedingungen" stünden. Rußland sieht sich nicht in der Situation eines Notfalls. Und es gehe nur darum, Rußland auf lange Frist zu einem stabilen Land zu machen. 

Die Zeit des Kommunismus ist vorüber. Aber Rußland hat eine 1000jährige Tradition, und deshalb eigene Wege, auch eigene Vorstellungen was gerecht und ungerecht ist, herausgebildet. Und es gibt eine eigene Vorstellung davon, wie eine gute Regierung aussehen sollte. Es gibt die Vorstellung eines edlen, noblen Rußlands einerseits, aber die muß ständig mit den Realitäten abgestimmt werden. Rußlands Wirtschaft soll sich kontinuierlich entwickeln, die Lebensumstände sollen sich verbessern, aber das darf auch die Fähigkeit sich zu verteidigen nicht übersehen. Alles das muß auf einem festen Grund stehen: Dem Gesetz und der Verfassung. 

Da gehe es nicht darum, irgendjemanden an die Macht zu bringen oder ihn dort zu halten. Es ist für niemanden akzeptabel, wenn die Verfassung verletzt oder von Interessensgruppen verbogen wird. Wenn nun aber von außen Rußlands Demokratie beobachtet wird muß man Rußlands eigene Wege mit dem nötigen Respekt betrachten.

Darauf wendet Stone ein, daß eine Verfassung und ihre Umsetzung zwei verschiedene Dinge sind. Man sehe es an den süd- und ostasiatischen Staaten, die zweifellos autoritäre Wege - teilweise offen (Singapur, China), teilweise "geschminkt" (Südkorea, Japan) - unter der obersten Maxime der Wirtschaft gingen, zugleich aber von Demokratie sprächen. Ob das nicht auch Putin mache? Der weist das zurück. Rußland habe seit 1991/92 eine demokratische Verfassung, die eine autoritäre Entwicklung ausschließt. Solange man keine Indizien dafür sehe, daß diese demokratisch legitimierte Verfassung im Sinne einer Person oder einer Gruppe mißbraucht wird, dürfe man wohl verlangen, daß dieser Verfaßtheit mit Respekt begegnet wird. 

Interessantes Bonmot aus dem Small-Talk zwischen Stone und Putin: In einem Spiel (Tennis?) hatte Stone verloren. Putin frug ihn, wie er damit umgehe. Stone erwidert, daß es wichtig sei auch zu verlieren, denn nur wenn man verlieren könne wäre eine friedliche, bewußte Welt möglich, Putin solle das beobachten. Sein Gegenüber staunt. Das sei ein typisch amerikanischer Ratschlag.

Zu den US-Wahlen von 2016

Donald Trump ist der bereits vierte US-Präsident, den Putin erlebt. Veränderungen gab es nie wirklich. Die Bürokratie in den USA, meint Putin, sei sehr mächtig. Die Präsidenten kämen und gingen, aber die US-Politik bleibe gleich. Viele Länder würden eben von der Bürokratie regiert. Ein militärisch-politischer Komplex ("deep state") wie in den USA sei kein Einzelfall, es gibt ihn überall. Stone frägt, ob Putin eine Hoffnung auf Veränderungen habe. Putin meint darauf, daß immer Hoffnung bestehe, solange man nicht am Friedhof liege.

Die Behauptungen aus Amerika, Rußland habe auf die Wahlen Einfluß genommen, nennt Putin schlicht "dumm". Sie bauten darauf auf, daß Trump erklärt hatte, die Beziehungen zu Rußland zu verbessern, woraufhin er in einem Interessenszusammenhang mit Putin gestellt wurde. Aber es wäre doch verrückt, wenn Rußland das nicht wünschen würde? In diesem Sinn ist Rußland natürlich froh, daß Trump die Wahl gewonnen hat. Er habe ja auch davon gesprochen, die wirtschaftlichen Verbindungen wieder zu stärken und gemeinsam gegen den Terrorismus aufzutreten - das sei doch etwas Gutes? Aber natürlich müsse man einmal abwarten und sehen, wieweit sich das praktisch entwickle. Aber nie habe Rußland auf die Wahlen in den USA Einfluß genommen. 

Putin meint, daß er sich auch nicht ernsthaft vorstellen könne, wie man das egal in welchem Land durchführen sollte. Es gab Häcker, gewiß, aber sie haben nur Dinge aufgedeckt, die bereits existiert haben, keine Lügen. Dennoch glaubt Putin nicht, daß dies maßgeblich auf den Ausgang der Wahl gewesen war. Wahlentscheidende Tatsache war, daß viele Menschen in den USA auf eine Veränderung gehofft haben. Auf eine Stärkung der traditionellen Werte, auf Arbeitsplätze - man dürfe nicht vergessen, daß Amerika zu einem großen Teil eine puritanisch geprägte Gesellschaft ist. Trump ist damit einfach sehr geschickt umgegangen, er wußte, wie man die Herzen dieser Amerikaner gewinnt. Darüber sollten sich die in der Wahl Unterlegenen Gedanken machen, nicht die Schuld auf Rußland zu schieben. 

Früher waren es die Juden, heute ist Rußland an allem schuld

Dabei hat Trump es sicher nicht leicht, denn die scheidende Obama-Regierung hat ihm ein wahres Minenfeld hinterlassen, sodaß man abwarten muß, was von seinen Versprechungen Trump überhaupt umsetzen wird können. Rußland erwartet sich also keine Revolution. Selbst wenn mittlerweile sogar Trump von einer russischen Intervention in die Wahlen spricht, die NATO, die Geheimdienste - Putin meint, daß das nur allgemeine Behauptungen geblieben sind. Es gibt keinen einzigen konkreten Hinweis. Die Beschuldigungen erscheinen ihm also eher wie eine ideologische Haß-Kampagne, ähnlich wie Antisemitismus. Es ist typisch für Leute, die nicht wissen, warum momentan passiert was passiert, daß sie einen Feind suchen. So wie einmal die Juden, so ist heute eben Rußland an allem schuld. So kann man vermeiden, die eigenen Fehler zuzugeben. 

Putin gesteht, daß er Senator McCaine, der angekündigt hat, jede Entscheidung Trumps im voraus, weil prinzipiell zu beeinspruchen, sogar schätzt. Denn er zeige Patriotismus. Aber er lebe in einer "alten Welt". Putin vergleicht ihn mit Cato zur Zeit der punischen Kriege. Auch der habe ständig einen Krieg mit Karthago gefordert, und so kam es auch. Ums Haar hätte er die Existenz Roms dann auch beendet, Hannibal war kurz davor, Rom zu erobern. Wenn aber der Krieg nicht geführt worden wäre, hätte vermutlich sowohl Karthago als auch Rom überleben können. 400 Jahre später ist prompt auch Rom untergegangen. Leute wie McCaine (oder Cato) wollen nicht zur Kenntnis nehmen, wie schnell sich die Welt ändern kann. Wenn man sich immer von alten Zeiten binden läßt, übersieht man die Zukunft.


Morgen Teil 12)





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