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Mittwoch, 28. Februar 2018

Die große Enttäuschung des Ostblocks (3)

Die innere Dynamik des Liberalismus, die ihn in sein Gegenteil umschlagen läßt

Demokratie enthält doch IN SICH eine Tendenz, jeden Lebensbereich zu erfassen und zu politisieren. (Das beschreibt schon Jacques Ellul in "Propaganda", wir haben vor Jahren darüber geschrieben.) Sie tut das mehr als jedes andere politische System, das uns bekannt ist. Sie hat also in sich keinerlei Begrenzung, um politische Fragen nicht auch bis in privateste Angelegenheiten zu tragen. Durch den Liberalismus hat die Demokratie sogar noch Wirkmechanismen eingebaut, die das weiter verschärfen. 

Der Gedanke des freien Menschen ("liberal") geht in seinem Konzept über den Menschen ja davon aus, daß jeder Mensch "Privatperson" ist. Der normale Bürger ist auch fast ausschließlich mit privaten Dingen befaßt - Haus, Garten, Kinder, Frau, Eigentum, Religion etc. Alle diese Dinge sind privater Freiheit unterworfen. Und zwar absolut.

Das ändert sich sofort, wenn der Liberalismus als politische Idee entsteht. Denn ab da ist er eine alles umfassende politische Meta-Theorie. Der Liberalismus verlangt, daß dieses Prinzip der individuellen, privaten Freiheit allen und allem gegenüber zu gelten habe. Er sagt dem Einzelnen, daß er deshalb die Regeln festlegt, nach denen der Einzelne seine Ziele zu ordnen habe. Einen Anspruch auf Schutz eines Rückzugsgebietes (mit eigenen Regelungen) gibt es nicht mehr, zumal der Freiheit von Autorität (als "Zwang") als Bedingung seiner Auffassung von Freiheit sieht. Er hat ja auch kein anderes "Gut" mit dem er am öffentlichen Marktplatz der Ideen konkurrieren könnte - er hat nur die Verheißung privater Freiheit. Deshalb kann keine private Sphäre mehr Schutz beanspruchen. Der Liberalismus beansprucht vielmehr - wie jede politische Theorie - daß es nichts geben darf, was seinen Grundsätzen totaler Freiheit widersprechen könnte. 

Und er tut dies, weil er davon ausgeht, daß diese totale, allumfassende Freiheit das höchste Gut des Menschen sei. Der Liberalismus versteht sich also als das freieste, toleranteste, pluralistischste, offenste System, das allen anderen überlegen ist. Und auf diese Überzeugung trifft Legutko auch in der gesamten EU. Wenn man Liberalismus als höchste Form von Freiheit definiert, wenn man zugleich die Demokratie als die menschengerechteste Form ansieht, ist es offensichtlich, daß sich das höchste Gut des Menschen in der liberalen Demokratie versammelt findet. Alles wird damit gut, was die Menschen noch "freier" macht und sie mit noch mehr "Macht" ausstattet.

Nur - dieser Anspruch bleibt eine leere Definition (die an und für sich nicht anders ist als sie jedes System für sich beansprucht.). Die aber im Fall des Liberalismus ständig mit der Praxis kollidiert. Zumal nicht klar sein kann, was nun wirklich gegen das Prinzip einer liberalen Demokratie steht! Das können auch liberale Demokraten nicht definieren. Ja, sie sagen "Faschismus". Aber was ist Faschismus? Das gilt auch für "Kommunismus". Beide Systeme (bzw. die Gegner der liberalen Demokratie) sind deshalb bestenfalls nur über gewisse Phänomene definiert. 

Daraus erwuchs zunehmend das Problem, daß in den liberalen Demokratien in den letzten Jahrzehnten die Anzahl von nicht definierbaren und definierten Worten deutlich zunahm und heute den Diskurs bestimmt. Deren Inhalte schwammig sind und über die deshalb leicht manipuliert werden kann, indem ihre Zutreffendheit immer mehr der Willkür und politischen kurzfristigen Interessen unterliegt. Nationalismus, Xenophobie, Homophobie, Sexismus ... lauter politische Waffen, lauter diffuse Begriffe, die die liberale Demokratie als Bedrohung bezeichnet. Daraus entsteht ein ebenso diffuses Stimmungsbild bei den Menschen: Was verboten ist wächst, und was nicht verboten ist wird immer weniger. 

Das legt einen Vergleich mit der Entwicklung der kommunistischen Systeme nahe, wo man es so nannte: Der Klassenkampf wird mit der Entwicklung der kommunistischen Gesellschaft immer intensiver. Je näher man dem kommunistischen Paradies kam, umso vehementer wurden die Feinde und desto mehr Menschen wurden ins Gefängnis gesteckt oder exekutiert. 

Auch in der liberalen Demokratie wächst die Überzeugung, daß je näher man der liberalen Gesellschaft kommt, desto gefährlicher ihre Feinde werden. Gegen sie muß man Schlachten schlagen. 

Die Auffassung des Kommunismus findet sich also auch in der liberalen Demokratie: Das Politische muß jeden Lebensbereich durchdringen und erfassen. Der Unterschied, auf den man sich beruft, ist, daß das eine System (Kommunismus) schlecht war, während das liberale System gut ist. Das rechtfertigt jedes Mittel. Es läßt sich also die liberale Demokratie in ihrer Verfehltheit nur dann erkennen, wenn man sieht, daß die Politisierung jedes Lebensbereiches AN SICH schlecht ist, weil es die Lebensführung und -weise totalitarisiert. 

Aus sich heraus hat die liberale Demokratie keine Beschränkungsmechanismen, die verhindern, daß sie sich auf alles und jeden zu erstrecken beginnt. Sie haben also keine innere Schranke, die vor Totalitarismus schützt. Und insofern sind sie mit dem Kommunismus vergleichbar. 


Morgen Teil 4)






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