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Freitag, 16. Februar 2018

Kein Ruhmesblatt

Die Filme unmittelbar nach 1945 waren noch von einer berührenden, bewegenden Tragik bestimmt. Das hat sich ganz offensichtlich bald geändert. Die Kunst stand ab 1945ff unter direktem Einfluß der Amerikaner, die die deutsche Kultur umändern wollten. Denn sie selbst war ja Schuld an allem. 

Hier spielt wieder Oskar Werner, aber in welch anderer Diktion, im Grunde: erbärmlich. Gut ist er nur, wo er an frühere Leistungen zu erinnern versucht. Aber in anderer Situation wird er regelrecht lächerlich. Es spricht für ihn, daß er es sichtlich routiniert runterspielt, wie es so viele Schauspieler überhaupt tun, um ihr Geld zu verdienen, denn sie müssen ja auch von etwas leben. Ein Jahr zuvor hatte Werner das zweite Mal geheiratet. Drei Jahre zuvor war er aus einem Hollywood-Vertrag ausgestiegen, der ihn definitiv zu Weltruhm geführt hätte, wie "Das Narrenschiff" beweist.

Es schmerzt, wie dieser große Künstler fortan (und auch hier) versuchte, sich mit dem Zeitgeist zu arrangieren. Und doch gelang es nie. Die Meute, der Zeitgeist als Dreckshure spürt das Echte, es ist immer ihr Feind. Werner starb 1984 an Herzstillstand aufgrund zu großen Alkoholkonsums.

Über Albin Skoda als Hitler wollen wir kein weiteres Wort verlieren. Die Kraft jedes Systems über Künstler ist immer gleich erschütternd.

1955 entstand also "Der letzte Akt", der die letzen Wochen im Führerbunker Berlin im April 1945 behandelt. Der Film - ein Propagandafilm - hat bereits klare Interpretationen, klare und ach wie simple Geschichtsbilder und -deutungen. Das geistig-gesellschaftliche Klima in Deutschland war bereits klar definiert. Die Gruppe 47 war dominant, das Kutlurleben umgestaltet. Die Guten und die Bösen waren fürderhin klar und erkennbar. Die West-Alliierten (anders, tatsächlich anders als die Russen, ein eigenes Thema, das der VdZ anhand der Geschichte seines Vaters belegen kann) hatten ein perfektes, in alle Tiefen greifendes Neu-System etabliert, wo nur noch "nach oben" kommen konnte, wer diesem System entsprach.

In diesen ersten Nachkriegsjahren hatten sich die Amerikaner darauf geeinigt, Deutschland doch nicht in ein Agrarland zu verwandeln, zu einem niedergewaschenen Nichts - eventuell sogar mit Desterilisation der Bevölkerung - zu machen. Als Absatzmarkt, als Puffer und vernachlässigenswertes Manöver-, Aufmarsch und Kampfgebiet gegen den Kommunismus waren sie viel wertvoller. Und schon gar als Land, das die amerikanischen Währungsüberflüsse nach der immer desaströs inflationären Kriegsproduktion der Jahre zuvor wie ein Schwamm aufsaugen konnte.

Der Film spiegelt die Bilder, die wir heute nach wie vor als zu habende Bilder vor Augen haben. Denn Deutschland/Österreich wurde umerzogen. So wurden die Geschichtserzählungen so simpel, so einfach. Ihr beizutreten hieß, endlich wieder akzeptiert zu sein. Die den Deutschen jene Hand definierten, an der sie endlich doch zu normalen Menschen werden durften, wenn sie dieser Interpretation beitragen. Und hinfort hörten die kommenden Generationen nur noch diese Erzählung.

Was der Film darstellt, all die Ambivalenzen, all das Wägen zwischen Sinn und Unsinn (als Zustimmung zur Niederlage), ist wohl bei keinem Land in einer Situation der dräuenden Niederlage anders. Mit Hitlerismus oder dem Bösen hat das nichts zu tun. Es spekuliert nur mit der desaströsen seelischen Situation einer Bevölkerung, die nach Halt sucht, weil ihr jeder Halt geraubt wird.

"Es gibt keine Idee mehr. Kein Volk, keinen Führer, nur den einzelnen Menschen," sagt einer der Darsteller schließlich. Genau, das ist es. Das war das Ziel der Umerziehung. Das war das Ziel des social engineering, das ist sein Ziel bis heute. Ende der 1940er Jahre war auch des Juden Wilhelm Reichs "Analyse" des Faschismus veröffentlicht, die alles offenbarte: Wer normal, weil einfach Mensch und damit Teil eines deutschen Volkes war, war Faschist. Gut war fortan nur mehr, wer sich keinem Volk mehr verantwortlich fühlte. Wer alles tat, und es in einem abstrakten "Menschsein" auflöste.

1955 war es bereits so weit. Endlich konnten sich alle vom Hitlerismus, von der Vergangenheit distanzieren. Umso mehr, als das Geschehen bis 1945 offensichtlich unnormal war. Und wer war schon jemals "unnormal"? Der Film bietet den Ausweg. In einer neuen Normalilität.

Wieviel normal, wirklich: normal (und richtig) Menschliches wird seither vielmehr als Emanation des Bösen interpretiert. Die Quelle dafür, daß heute das vermutlich größte Problem ist, daß das normal Menschliche so unbekannt bleibt. 

Der Film ist kein Ruhmesblatt für die Kunst, auch kein Ruhmesblatt für Oskar Werner, der hier auch entsprechend als Schauspieler wirkt: Schwach. Als Produzent zu habender Gefühle.











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