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Freitag, 2. Februar 2018

Die Ukraine und das Chaos

Es ist eine recht geschlossene, dabei von vielen Betrachtungswinkeln her geflochtene Indizienkette, die Oliver Stone in einer seiner jüngsten Produktionen "Ukraine on fire - The real story" präsentiert. Das meiste wußte oder mutmaßte man wohl schon bisher, Stone stellt es aber nun umfassend vor Augen und versucht eine Gesamtdeutung. 

Und er geht, wie es eben sein muß, von einem historischen Rückblick aus, der bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts reicht und die Entwicklung der ukrainischen nationalistischen Strömungen aufzeigt. Dies ist deshalb bedeutend, weil die daraus hervorgehenden Bewegungen seit je gegen Rußland agierten, im 2. Weltkrieg sogar ganz direkt mit rund 80.000 SS-Soldaten, die (neben ihrem kämpferischen Einsatz gegen die Rote Armee) vor allem durch Greueltaten an der jüdischen und russischen Bevölkerung auffielen. In nationalistischen Kreisen der Ukraine haben die "Heldentaten" dieser Bewegungen bis in die Gegenwart hohe Relevanz.

Bereits unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg zeigte sich, daß die Amerikaner den strategischen Wert der Ukraine sehr hoch taxierten. Weshalb die Anführer dieser SS-Einheiten nie angeklagt wurden, ja sogar in den USA lebten. Man versuchte schon damals ganz geschickt, diese anti-russischen Strömungen für amerikanische Zwecke zu instrumentalisieren. 

Und das blieb so, bis hin zu den farbigen Revolutionen, der orangenen (2003/04) und der berühmt-berüchtigten Maydan-Revolution 2014/15. Nie ging es um demokratische Legitimität, und nie um Frieden. Es ging immer nur um Ausweitung der amerikanischen Position. Und diese Taktik begann beileibe nicht erst in der Ukraine, sondern in fast allen der ehemaligen, heute autonomen Staaten, die aus dem Zerfall der Sowjetunion hervorgingen. Allen voran Georgien.

Putin führt an, daß die Tatsache, daß die Amerikaner so nahe an Rußland heranrücken, schon aus rein praktischen Gründen große Probleme mit sich bringt. Denn durch die kurzen Entfernungen sinken im Ernstfall die Entscheidungszeiträume auf bedrohlich wenige Minuten. Das ändert grundsätzliche strategische weil taktische Anforderungen und erhöht eine Kriegsgefahr, weil sich der Druck auf die Entscheider erhöht.

Und das ist auch der rote Faden, der sich durch die politischen Ereignisse in der Ukraine seit bald 15 Jahren zieht. "Ukraine on fire" geht Punkt um Punkt alle diese Geschehnisse durch und versucht sie zu erhellen und verstehbar zu machen. Unter diesem Gesichtspunkt aber erst ergeben sie Sinn.

Dabei kommt auch und wohl erstmals im Westen ausführlich der durch einen Putsch (so der naheliegende Schluß: es war ein solcher) gestürzte ukrainische Präsident Janukowitsch ausführlich zu Wort, um die Ereignisse von 2014, die zu seiner Flucht nach Rußland führten, aus seiner Sicht darzustellen. 

Alles in allem stellt Oliver Stone die Ereignisse in der Ukraine (samt Krim und dem Donbass sowie der Region um Odessa, also Transnistrien, mit der besonderen Rolle des Georgiers Saakashwili) so dar, daß man zu keinem anderen Schluß kommen kann als dem, daß die Ukraine ein weiteres der zahlreichen Opfer der US-Außenpolitik war. Die wie in so vielen Staaten der Welt über Destabilisierung der inneren Lage ihre strategische Einflußzone ausweiten, und dabei vor allem Rußland als ersten Feind adressieren. Weil sie, wie Putin es in einem Interview (das ebenfalls im Film zu finden ist) nennt, wohl unbedingt einen äußeren Feind brauchen, einen kalten (oder heißen) Krieg. Möglicherweise, um sich selbst im Inneren stabil zu halten. 

Wieweit es den Amerikanern aber jemals um das Wohl aller der Völker ging, die sie in egal welche Konflikte stürzen, solange diese den Interessen Washingtons nützen, darf bezweifelt werden. Um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geht es ihnen jedenfalls sicher nicht. Denkt man den (vulgo) Ukraine-Konflikt aber weiter, so könnte man fast zu dem Schluß kommen, daß die USA hier sogar direkt einen nuklearen Krieg ansteuern. 

Denn fast unbeachtet von der Öffentlichkeit, haben sowohl die Amerikaner als auch Rußland ihr Waffenarsenal auf eine Art modernisiert, die von den bestehenden Abrüstungsverträgen gar nicht mehr abgedeckt werden. Und man darf nicht vergessen, daß ein Land in eine strategische Situation kommen kann, in der es zu einem Angriffskrieg regelrecht gezwungen werden kann. Nicht nur wir Deutschen sollten das aus unserer Geschichte wissen, sondern die amerikanische Geschichte ist voll von Beispielen, die ein Geschick beweisen, andere Länder in solche Situationen zu bringen, um selbst "saubere Hände" zu behalten, weil man ja nur noch "Abwehrkriege" führt.

Stone geht auch auf den Abschuß der Passagiermaschine der Malaysian Airlines ein. Und präsentiert eine autonome Untersuchung des Herstellers der BUG-Raketen. Der mit nachgestellten Versuchen bewiesen haben soll, daß die Art der Schäden an der Maschine von Raketen alten Typs herstammen müssen, die in Rußland nicht mehr, sehr wohl aber in der Ukraine in Gebrauch stehen. Wie auch immer, es ist doch notierenswert, daß in den westlichen Medien kaum je noch über den Fall berichtet wurde. Der seinen Bärendienst ja längst getan hatte: Rußland als Feind des Westens zu beweisen.

Ebenfalls aufgezeigt wird die Rolle der NGOs. Die Stone als Instrumente der US-Politik einschätzt, die durch innere Wühlarbeit die Destabilisierung eines Landes vorbereiten. George Soros nimmt sich auch kein Blatt vor den Mund, um als Financier und Initiator solcher Organisationen seine Rolle in den Ereignissen in der Ukraine zu betonen.

Von Interesse sollte auch hier sein, die Kluft zwischen der Darstellung der jüngeren Geschichte Osteuropas (die also eigentlich eine Geschichte der USA ist) in hiesigen Medien und den tatsächlichen Ereignissen zu beobachten. Denn zu einem solchen Schluß muß man auch bei dieser Darstellung Stones kommen. Aber selbst, wenn man Stone kritisch gegenüberstehen will, ist der Film schon aufgrund der Umfassendheit der Argumentation, aus der seine Deutungslinie zumindest hohe Plausibilität annimmt, sehenswert.

Den Ukrainern (und gerade auch den nationalistischen unter ihnen) aber müßte man eine Warnung an die Wand heften: Daß sie sich nämlich nicht täuschen sollen, wie weit die USA wirklich Verbündete sind, die zu wählen den Interessen eines ukrainischen Volkes dient. Denn die Geschichte lehrt, daß wer sich mit dem Teufel ins Bett legt, mit seinen Dämonen aufwacht. Ob nicht gerade also eine realistischere Politik, die sich am eigenen geographischen Raum orientiert, also auch Rußland gegenüber, den Interessen einer ukrainischen Nation und Kultur dient. Während die Amerikaner wohl kaum zögern werden, auch die Ukraine den Preis für Washingtons Strategie bezahlen zu lassen. So wie sie es eben immer getan haben. Denn an einer genuin ukrainischen Kultur, die sich, wenn sie eine solche sein will, zu Freiheit und Unabhängigkeit allen (!) gegenüber heben muß, sind sie wohl kaum interessiert.

In jedem Fall muß man anmahnen sich der Situation des eigenen Landes bewußt zu werden. Denn auch die Ukraine ist ein Staat, der zahlreiche Ethnien und Religionen unter seinem Dach vereinen können muß. Sonst ist sie bereits jetzt ein gescheiterter, schwacher, hilfloser Staat. An kaum etwas haben die Amerikaner mehr Interesse. Und sie verfolgen dieses Interesse immer mit derselben Methode: Der prinzipiellen Auslöschung von Ethnie, weil identitäre Verwurzelung zugunsten eines funktionalistischen, neutralisierten "neuen Menschen". An anderer Stelle sagt Stone einmal, daß man doch die Ergebnisse der amerikanischen Außenpolitik sehe: Sie erzeugen überall nur Chaos. Das einzige Interesse scheint zu sein, Waffen zu verkaufen.









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