Es gibt ein echtes Problem mit Jordan Peterson. Das vermutlich einem guten Teil seiner Anhänger nicht klar ist. Denn sonst würde Folgendes passieren: Die Zuhörer würden nach einem oder mehreren seiner Vorträge ausbleiben. Warum? Sie würden das, was sie hier im Kopf geklärt erfahren, konkret umsetzen. Würden ihr Leben leben, und nicht weiter vom Trunk der Selbsterkenntnis trinken, den Peterson bis in Tiefen weiterreicht, wo man sich fragen muß, ob der normale Mensch wirklich dorthin gehen muß. Und zwar auf diese Weise.
Lassen wir alle weltanschaulichen Probleme einmal beiseite, die bei Peterson wirkliche Vorbehalte notwendig machen. Lassen wir das beiseite. Was bei dieser Art von medialer Tätigkeit das größte Problem ist, ist, daß das Tun dessen, was Peterson als "richtig" darstellt (und wovon theoretisch ganz viel stimmt) eine völlig andere Lebenskategorie ist als das Reden darüber. Und es braucht auch andere Kategorien als dort zu sitzen, und in solche Sprachwelten einzutauchen.
Die Kategorie, mit der Männer heute ihre Schwierigkeiten haben - und beileibe nicht nur sie, Frauen nicht weniger, aber auf andere Weise: in der Reaktion, in der Begegnung nämlich - ist die der Gestalt. Denn das, was eine Gestalt aussagt und tut ist nicht zuerst eine verbale Aktion, mit der mögliche Widerstände ausgeräumt werden können. Männliches Handeln (und Handeln ist per se männlich) ist eine Frage der Diskretion. Es ist die Frage der Treue zu sich, angesichts dessen, was mit "Verantwortung", wie Peterson es als "Sinn des Lebens" darstellt, nur indirekt zu tun hat. Es ist die Treue zu einer Sache. Und die Fokussierung auf eine Sache.
Im darüber Reden wird aber die Kontur der Gestalt, und Handeln, Sachen erledigen ist eine Angelegenheit der reinen Gestaltenkonturen, aufgelöst. Sie verläßt die Ebene der Haltungen, und wird zur Angelegenheit der besseren Rhetorik. Das mag für einen Universitätsprofessor noch gewisse Vordergründigkeit und Wichtigkeit haben. Aber im Leben draußen schaut das ganz anders aus. Nachgerade zum Gegenteil ist männliches Handeln (als Gestalt) oft genau davon bestimmt, es nicht "zu rechtfertigen", also das Eingeständnis dessen, an dem gehandelt wird, oder den es betrifft, durch bessere Argumentation zu erwirken, sondern es einfach zu tun.
Und DAS ist das Problem des Mannes heute. Hier kommt es auf wirklichen Mut, auf Mut zum Tode an.
Der VdZ hat den dringenden Verdacht, daß die Tatsache, daß 90 Prozent der Konsumenten von Petersons Videos und Vorträgen deshalb (junge) Männer sind, weil sie sich diese zwar intellektuelle, rationale Gewißheit dafür bestätigen wollen, daß sie Männer sein dürfen (denn auch daran mangelt es ja heute extrem), daß sie also zu Recht fühlen dürfen, was sie fühlen (darauf läuft es im Grunde hinaus), aber damit alles im Vorfeld des eigentlichen Mannseins bleibt. Ja fast ein weiblicher Zug ist, an die Welt heranzugehen.
Welt wird nicht gestaltet (versuchen wir es andersrum), in dem die Dinge sich über verbale Kommunikation (und Übereinstimmung) so ineinander verhängen, daß sich daraus dann eine Tat, ein Werk ergibt. Welt wird gestaltet, indem die Dinge die Spannung zueinander aushalten, also die Integrität des anderen ALS Gestalt nicht antasten. Sondern nur von den Konturen ausgehen, und diese als sie selbst seiend belassen.
Es ist nicht männlich, ständig den Konsens mit dem anderen zu suchen, auch dann nicht, wenn man ständig die Überlegenheit des Arguments pflegt. Und das (und nur das) zeigt sich im häufigen Besuch solcher Vorträge wie denen von Peterson. Es ist männlich ohne Rückfrage an diesen intellektuellen Bauschbogen zu tun, was man gerade meint, tun zu sollen.
In Petersons Vorträgen und der Atmosphäre, die sie vorstellen, ist es wie in Mutters Bauchhöhle gut reden. Aber sie führen nicht ans Eigentliche heran - und das ist das männliche Handeln. Sie reden nur darüber. Und sie bauen damit zugleich aber nicht die Kraft auf, aus der dann Handeln folgen würde. Die würde nur entstehen, wenn man mutig in die Welt springt und handelt. Auch auf die Gefahr hin, daß es falsch ist. Aber dazu muß man vor allem das Gesprächsgeräusch im Kopf wegschieben.
Mannsein ist eine immanente, indirekte Sache. Sie ist nicht explizit. Sie ist diskret. Und sie ist unabhängig davon, ob die Umwelt sie akzeptiert oder nicht. Die Gedankenwelt Petersons wirkt über weite Strecken wie ein Versuch, die Welt zu "überzeugen", daß er Mann sein dürfte. Wenn er es denn wäre. Es ist über weite Strecken einem Verhalten vergleichbar, die Schwerter, die man fürchtet, sobald man aufsteht und eine Richtung einschlägt, zum Verschwinden zu bringen.
Oder, um es noch anders zu sagen: Mannsein heißt nicht darum zu werben, daß man recht hat. Mannsein heißt an sich zu handeln, als hätte man (immer) recht. Und dieses Recht ist nicht über Diskussion und Intellektualität einzufordern, damit es einem dann gewährt werde. Es ist ein Recht, das zu nehmen für den Mann Pflicht ist.
Hierarchie und damit einer Stellung in ihr ist keine Hierarchie, wenn man zuerst um Erlaubnis bitten muß, ob man so tun dürfe, als gäbe es sie. Sie ist Hierarchie REAL erst in dem Augenblick, als sie angewandt wird. Ja, gewiß, dann bricht der Sturm der Gegenwart los, gewiß. Aber es geht eben darum, die Angst vor diesem Sturm zu überwinden, und TROTZDEM so zu handeln, wie es der realen Stellung in der Hierarchie entspricht. Und genau nicht zu fragen, ob der andere das auch billigt oder verstanden hat.*
Denn schöpferisches Leben ist ein Leben in der Haltung des Gehorsams. In jede Richtung. Gehorsam, als Tor zum Schöpferischen, als das was die Dinge aus sich heraus- in die Welt hineintreibt, damit zur Welt macht, die eine Welt der Gestalten (nicht der Plaudereien) ist, kommt aber nicht dort in die Welt, wo der andere sich überlegen soll, ob er nun gehorsam ist.
Dieses entscheidende Element kommt in Petersons Sichtweisen gar nicht vor. Dieses Element wird sogar - unmännlich! - zum posthoc sich findenden Ausfluß von "Kompetenz", von Leistung umdefiniert. Aber genau das ist es nicht, und genau das ist auch nicht das, was das Leben gelingen läßt. Das ist Materialismus. Leistung trägt zum Leben bei, gewiß, aber sie ist nicht der Ausgangspunkt. Agere sequitur esse - das Handeln folgt dem Sein. Das Sein ist also die Frage. Und das Sein ist eine Frage des Ausgespanntseins auf einen Ort, der einem vorausgeht. Nicht folgt, weil man "fähig", "kompetent" etc. ist.
Dort erst wird die Bedingung erfüllt, der Boden bereitet, auf dem Leistung und Kompetenz wachsen und aufstehen können. Aber selbst wenn man inkompetent ist - die wesentliche Haltung ist auf den Ort bezogen, an dem man steht. Nicht auf die Leistung. Dort liegt auch der Sinn des Lebens! Und dort liegt das Kreuz, aus dem einzig neues Leben in die Welt strömt.
Deshalb ist auch sein Urteil falsch, wenn es darum geht, das aggressive Verhalten von Männern einzuschätzen, sagen wir: wenn sie Rocker werden, mit Harley Davidsons herumgurken und Stahlketten schwingen. Es ist die berechtigte, ja richtige Reaktion von Männern inmitten einer Gesellschaft, die die konkrete, äußere Ordnung aufgelöst hat und verweigert, sodaß sich das Mannsein nicht mehr bewähren und damit wirklichen kann. Rocker repräsentieren deshalb die Sehnsucht nach einer vorausliegenden, konkreten, sozialen Ordnung, nicht individuelles psychisches Stolpern oder Psychopathologie.
Das macht aber wohl einen Gutteil seines enormen medialen Erfolges aus: Daß die Männer sich vorsagen können, daß sie Männer sind, ohne es sein zu müssen, weil sie den wirklichen Schritt zur Gestalt nicht machen müssen. Und daß Peterson ihnen vormacht, daß das so bleiben kann. Indem er eine Wohlfühlstunde nach der anderen anbietet.
Denn schöpferisches Leben ist ein Leben in der Haltung des Gehorsams. In jede Richtung. Gehorsam, als Tor zum Schöpferischen, als das was die Dinge aus sich heraus- in die Welt hineintreibt, damit zur Welt macht, die eine Welt der Gestalten (nicht der Plaudereien) ist, kommt aber nicht dort in die Welt, wo der andere sich überlegen soll, ob er nun gehorsam ist.
Dieses entscheidende Element kommt in Petersons Sichtweisen gar nicht vor. Dieses Element wird sogar - unmännlich! - zum posthoc sich findenden Ausfluß von "Kompetenz", von Leistung umdefiniert. Aber genau das ist es nicht, und genau das ist auch nicht das, was das Leben gelingen läßt. Das ist Materialismus. Leistung trägt zum Leben bei, gewiß, aber sie ist nicht der Ausgangspunkt. Agere sequitur esse - das Handeln folgt dem Sein. Das Sein ist also die Frage. Und das Sein ist eine Frage des Ausgespanntseins auf einen Ort, der einem vorausgeht. Nicht folgt, weil man "fähig", "kompetent" etc. ist.
Dort erst wird die Bedingung erfüllt, der Boden bereitet, auf dem Leistung und Kompetenz wachsen und aufstehen können. Aber selbst wenn man inkompetent ist - die wesentliche Haltung ist auf den Ort bezogen, an dem man steht. Nicht auf die Leistung. Dort liegt auch der Sinn des Lebens! Und dort liegt das Kreuz, aus dem einzig neues Leben in die Welt strömt.
Deshalb ist auch sein Urteil falsch, wenn es darum geht, das aggressive Verhalten von Männern einzuschätzen, sagen wir: wenn sie Rocker werden, mit Harley Davidsons herumgurken und Stahlketten schwingen. Es ist die berechtigte, ja richtige Reaktion von Männern inmitten einer Gesellschaft, die die konkrete, äußere Ordnung aufgelöst hat und verweigert, sodaß sich das Mannsein nicht mehr bewähren und damit wirklichen kann. Rocker repräsentieren deshalb die Sehnsucht nach einer vorausliegenden, konkreten, sozialen Ordnung, nicht individuelles psychisches Stolpern oder Psychopathologie.
Das macht aber wohl einen Gutteil seines enormen medialen Erfolges aus: Daß die Männer sich vorsagen können, daß sie Männer sind, ohne es sein zu müssen, weil sie den wirklichen Schritt zur Gestalt nicht machen müssen. Und daß Peterson ihnen vormacht, daß das so bleiben kann. Indem er eine Wohlfühlstunde nach der anderen anbietet.
*Diese Unmännlichkeit, weil Figurlosigkeit in der Welt, ist bestenfalls dem Künstler oder Philosophen vorbehalten. Wie Rilke (der VdZ glaubt: in einer seiner Duineser Elegien) schreibt: Der Dichter gehört eigentlich der Welt der Mädchen an ... Wir wollen freilich einschränken: Wenn er jung ist. Wenn sein immer eigenes, originales Archetyp noch nicht Gestalt angenommen hat.
*080219*