Es
gäbe einiges aus der Situation in Nordirland für uns zu lernen. Denn
die Situation dort entspricht unserer und ist in manchem ein Ausblick
in unsere eigene Zukunft. Das ursprünglich geschlossen
katholisch-irische Land war durch die Engländer ab dem späten 17. Jahrhundert
mit protestantisch-englischen Siedlern bevölkert worden. Die eine andere
- englische - Alltagskultur pflegten, und auch durch
verwandtschaftliche Bande mit England verbunden blieben. Dies war die
Saat zu unausgesetzten Spannungen. Die kulturelle Wurzeln hatten. Die
uns stumpf gewordenen Menschen so marginal erscheinen, daß wir es gar
nicht verstehen können, woraus hier Konflikte erwachsen sollen.
Aber
der Westizismus, der Konsumismus, in dem wir leben, ist eben keine
Kultur. Er ist nur ein primitives Versorgungssystem, das einen seelisch
taub, eigentlich leblos gewordenen Menschen schafft und voraussetzt. Wir
haben das Rundumversorgungssystem mit dem Verlust unserer Kultur
bezahlt. Wenn dies aber Menschen passiert, die noch mehr verwurzelt
sind, die ihre Kultur als Fluidum verstehen, das sie erst leben macht,
werden sie sich zur Wehr setzen. Auf eine gewisse Weise erleben wir
genau das ja im arabischen Raum.
Natürlich
waren die Engländer als Eroberer gekommen und stellten bis zur
Herstellung der ersten Republik Irland 1923 die Oberschicht, waren die
herrschende Klasse. Aber in Nordirland hatte man Fakten geschaffen, die
eine saubere Trennung des Problems bereits unmöglich machten. Die nach
Religionen sortierte Landkarte von Nordirland, der früher irischen
Provinz Ulster, zeigt einen wilden Flickenteppich von
protestantisch-englischen und katholisch-irischen Bevölkerungsgruppen,
die sich jeweils um Kristallisationspunkte formiert haben. (Siehe dazu
im Video morgen das Bild bei 1 h 11 min.)
In diesem Neben- und Ineinander von unterschiedlichen Lebensweisen (die immer auf der Religion aufruhen), kann es nur um eines gehen: Um die Dominanz der einen Gruppe über die andere. Es sei denn beide Gruppen geben sich selbst auf, das heißt, lassen sich vom Konsumismus in eine amorphe Masse von "einfach hier lebenden Menschen" umformen.
In diesem Neben- und Ineinander von unterschiedlichen Lebensweisen (die immer auf der Religion aufruhen), kann es nur um eines gehen: Um die Dominanz der einen Gruppe über die andere. Es sei denn beide Gruppen geben sich selbst auf, das heißt, lassen sich vom Konsumismus in eine amorphe Masse von "einfach hier lebenden Menschen" umformen.
Aber
selbst das ist nicht so einfach. Denn diese Lebensweise, die aus dem
Kapitalismus und Materialismus hervorgeht, ist nicht ein gemeinsamer
Nenner, der alle verbindet. Er ist einer Gruppe eigen, der der
Engländer, der der Protestanten sohin, und bedeutet nicht eine
parallele, andere Lebensweise, sondern eine, die den
traditionsverbundenen Iren feindlich ist, deren Kultur also auflösen,
zerstören möchte. Einfach aus sich heraus, gar nicht dezidiert als
"Programm".
Obwohl
auch das eine Absicht der Engländer war, die sich mehrmals und zuletzt
in der großen Hungersnot der 1845-54, in einer ausdrücklichen
"Depopularisierung" des katholischen Irland geäußert hat. (Die erwähnte
Hungersnot war ein Völkermord, keine "Hungersnot".) Noch dazu, wo sie
über die letzten Jahrhunderte den Norden Irlands kapitalistisch gemacht
und industrialisiert haben. Während der Süden, die heutige Republik
Irland, bewußt agrarisch-rückständig gehalten wurde.
Aber
wie soll das heute lösbar sein? Durch Umsiedlungsprogramme, wie sie
übrigens die Sowjetunion unter Stalin in großem Ausmaß betrieben hatte,
der ethnische Spannungen genauso lösen wollte? Tatsache ist ja, daß
heute auch die protestantischen Engländer (als "Nordiren") gewisse
Verwurzelung aufgebaut haben. Es wäre mittlerweile auch ihnen gegenüber
Unrecht, sie von ihrem Boden zu trennen. Ein großes Durchgemische aber
ist nicht möglich, es geht immer auf Kosten der Kultur und damit des
eigentlichen Lebens der Menschen, somit des Gemeinwohls.
Niemand
weiß heute dafür eine Lösung. Bürgerkrieg? Nicht einmal die IRA hat
sich gegen die protestantische Bevölkerung gewandt, sondern ihr Ziel war
ausdrücklich das der Besatzer, England, und dessen Besatzungsinstrumente,
die Armee, die Polizei. Ihre Taktik war, den Preis für die Besetzung der
irischen Provinz so hoch wie möglich zu treiben, durch eine Taktik der
Nadelstiche. Kein britischer Besatzer sollte sich sicherfühlen. Während
sie selbst auch durch große Unterstützung unter den katholischen Iren
fast ungreifbar blieb.
Aber
das Ziel der IRA war nicht, die Bevölkerung auszurotten oder zu
vertreiben. Und die einfachen Menschen wollen auch in keinen Bürgerkrieg
hineingezogen werden. Sie wollen in Ruhe leben, feiern, arbeiten, ihre
Verwandten besuchen, ins Kino gehen, ihre Kinder gebären und im eigenen
Bett sterben.
Nur
sollte man sich nur nicht täuschen - denn auf der Grundlage der
heutigen europäischen, konsumistisch-westizistischen Lebensweise, die
eine Lebensweise der aufgelösten Identitäten ist und diese voraussetzt
wie hervorbringt, läßt sich keine Gemeinschaft bilden. Gemeinschaft im
Niedrigen, im Amorphen ist nie Gemeinschaft! Sie ist bestenfalls
Vergemeinung, die aber nie zur Ruhe kommen wird. Weil sich aus dem Wesen
des Menschen immer und ewig, auch wenn es lange im Schlummer gehalten
werden kann, neue Kontur erheben wird weil immer möchte. Das kann nie
ganz ausgelöscht werden, darin täuschen sich heute praktisch alle, die
die westizistische Lebensweise propagieren.*
*Wobei sich zum Problem Protestanten - Katholiken mittlerweile ein neues Problem ankündigt, über das wir hier noch gar nicht gesprochen haben. Nämlich das der Massenzuwanderung völlig kulturfremder Menschen, aus Afrika, aus den ehemaligen Kolonien, aus dem islamischen Raum.
Morgen Teil 2)
*Wobei sich zum Problem Protestanten - Katholiken mittlerweile ein neues Problem ankündigt, über das wir hier noch gar nicht gesprochen haben. Nämlich das der Massenzuwanderung völlig kulturfremder Menschen, aus Afrika, aus den ehemaligen Kolonien, aus dem islamischen Raum.
*260119*