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Mittwoch, 3. April 2019

Was wir von Nordirland lernen könnten (1)

Es gäbe einiges aus der Situation in Nordirland für uns zu lernen. Denn die Situation dort entspricht unserer und ist in manchem ein Ausblick in unsere eigene Zukunft. Das ursprünglich geschlossen katholisch-irische Land war durch die Engländer ab dem späten 17. Jahrhundert mit protestantisch-englischen Siedlern bevölkert worden. Die eine andere - englische - Alltagskultur pflegten, und auch durch verwandtschaftliche Bande mit England verbunden blieben. Dies war die Saat zu unausgesetzten Spannungen. Die kulturelle Wurzeln hatten. Die uns stumpf gewordenen Menschen so marginal erscheinen, daß wir es gar nicht verstehen können, woraus hier Konflikte erwachsen sollen.

Aber der Westizismus, der Konsumismus, in dem wir leben, ist eben keine Kultur. Er ist nur ein primitives Versorgungssystem, das einen seelisch taub, eigentlich leblos gewordenen Menschen schafft und voraussetzt. Wir haben das Rundumversorgungssystem mit dem Verlust unserer Kultur bezahlt. Wenn dies aber Menschen passiert, die noch mehr verwurzelt sind, die ihre Kultur als Fluidum verstehen, das sie erst leben macht, werden sie sich zur Wehr setzen. Auf eine gewisse Weise erleben wir genau das ja im arabischen Raum.

Natürlich waren die Engländer als Eroberer gekommen und stellten bis zur Herstellung der ersten Republik Irland 1923 die Oberschicht, waren die herrschende Klasse. Aber in Nordirland hatte man Fakten geschaffen, die eine saubere Trennung des Problems bereits unmöglich machten. Die nach Religionen sortierte Landkarte von Nordirland, der früher irischen Provinz Ulster, zeigt einen wilden Flickenteppich von protestantisch-englischen und katholisch-irischen Bevölkerungsgruppen, die sich jeweils um Kristallisationspunkte formiert haben. (Siehe dazu im Video morgen das Bild bei 1 h 11 min.)

In diesem Neben- und Ineinander von unterschiedlichen Lebensweisen (die immer auf der Religion aufruhen), kann es nur um eines gehen: Um die Dominanz der einen Gruppe über die andere. Es sei denn beide Gruppen geben sich selbst auf, das heißt, lassen sich vom Konsumismus in eine amorphe Masse von "einfach hier lebenden Menschen" umformen.

Aber selbst das ist nicht so einfach. Denn diese Lebensweise, die aus dem Kapitalismus und Materialismus hervorgeht, ist nicht ein gemeinsamer Nenner, der alle verbindet. Er ist einer Gruppe eigen, der der Engländer, der der Protestanten sohin, und bedeutet nicht eine parallele, andere Lebensweise, sondern eine, die den traditionsverbundenen Iren feindlich ist, deren Kultur also auflösen, zerstören möchte. Einfach aus sich heraus, gar nicht dezidiert als "Programm". 

Obwohl auch das eine Absicht der Engländer war, die sich mehrmals und zuletzt in der großen Hungersnot der 1845-54, in einer ausdrücklichen "Depopularisierung" des katholischen Irland geäußert hat. (Die erwähnte Hungersnot war ein Völkermord, keine "Hungersnot".) Noch dazu, wo sie über die letzten Jahrhunderte den Norden Irlands kapitalistisch gemacht und industrialisiert haben. Während der Süden, die heutige Republik Irland, bewußt agrarisch-rückständig gehalten wurde.

Aber wie soll das heute lösbar sein? Durch Umsiedlungsprogramme, wie sie übrigens die Sowjetunion unter Stalin in großem Ausmaß betrieben hatte, der ethnische Spannungen genauso lösen wollte?  Tatsache ist ja, daß heute auch die protestantischen Engländer (als "Nordiren") gewisse Verwurzelung aufgebaut haben. Es wäre mittlerweile auch ihnen gegenüber Unrecht, sie von ihrem Boden zu trennen. Ein großes Durchgemische aber ist nicht möglich, es geht immer auf Kosten der Kultur und damit des eigentlichen Lebens der Menschen, somit des Gemeinwohls.

Niemand weiß heute dafür eine Lösung. Bürgerkrieg? Nicht einmal die IRA hat sich gegen die protestantische Bevölkerung gewandt, sondern ihr Ziel war ausdrücklich das der Besatzer, England, und dessen Besatzungsinstrumente, die Armee, die Polizei. Ihre Taktik war, den Preis für die Besetzung der irischen Provinz so hoch wie möglich zu treiben, durch eine Taktik der Nadelstiche. Kein britischer Besatzer sollte sich sicherfühlen. Während sie selbst auch durch große Unterstützung unter den katholischen Iren fast ungreifbar blieb. 

Aber das Ziel der IRA war nicht, die Bevölkerung auszurotten oder zu vertreiben. Und die einfachen Menschen wollen auch in keinen Bürgerkrieg hineingezogen werden. Sie wollen in Ruhe leben, feiern, arbeiten, ihre Verwandten besuchen, ins Kino gehen, ihre Kinder gebären und im eigenen Bett sterben.

Nur sollte man sich nur nicht täuschen - denn auf der Grundlage der heutigen europäischen, konsumistisch-westizistischen Lebensweise, die eine Lebensweise der aufgelösten Identitäten ist und diese voraussetzt wie hervorbringt, läßt sich keine Gemeinschaft bilden. Gemeinschaft im Niedrigen, im Amorphen ist nie Gemeinschaft! Sie ist bestenfalls Vergemeinung, die aber nie zur Ruhe kommen wird. Weil sich aus dem Wesen des Menschen immer und ewig, auch wenn es lange im Schlummer gehalten werden kann, neue Kontur erheben wird weil immer möchte. Das kann nie ganz ausgelöscht werden, darin täuschen sich heute praktisch alle, die die westizistische Lebensweise propagieren.*

Morgen Teil 2)


*Wobei sich zum Problem Protestanten - Katholiken mittlerweile ein neues Problem ankündigt, über das wir hier noch gar nicht gesprochen haben. Nämlich das der Massenzuwanderung völlig kulturfremder Menschen, aus Afrika, aus den ehemaligen Kolonien, aus dem islamischen Raum.





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