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Dienstag, 2. April 2019

Nur ein Faktor spart Verwaltungskosten - Identität

Der VdZ hat es vorhergesagt, und so ist es auch gekommen. Es sollte also einmal mehr als Prinzip anerkannt werden, auf das ja schon lange viele bedenkenswertere Stimmen als der VdZ es ist, hingewiesen haben. Es geht um den Irrglauben, daß Zentralisierungen eine "Reform" in der Verwaltung bedeuten. Wie die Rechercheplattform Addendum in seinem neuesten Projekt nachweist, hat auch die vielgelobte "Gemeindereform" des österreichischen Bundeslandes Steiermark die versprochenen Effekte nicht gebracht. Aus Einsparungszielen wurden erhöhte Kosten. Nicht nur hat die Einführung der Reformen viel Geld verschlungen, auch jetzt, im "Normalbetrieb", stellen sich die Kosten als höher heraus als zuvor. Und das ist nicht der einzige negative Effekt.

Als man 2010 beschloß, die angeblich viel zu vielen kleinen steirischen Gemeinden zu einigen wenigen Gemeinden zusammenschließen, sollte das viel Geld sparen und alles einfacher machen. Es hat aber viel böses Blut gemacht, und manche Gemeinde hat sich auch so stark gewehrt, daß sie ihre Eigenständigkeit bewahren konnte. Wie oft wurde dann über diese Sturschädel gewettert, wo doch die pekuniären Vorteile so auf der Hand lägen. So viele Gemeinderäte könne man einsparen, so viel dies, so viel das!

2014 war es soweit. 250 Gemeinden, alle mit ihren Eigenheiten, wurden aufgelöst, aus 542 Gemeinden wurden 287. 79 Gemeinden wurden sogar per Landesverordnung zwangsfusioniert. Sagenhafte 2.500 Gemeinderäte wurden eingespart, heute gibt es nur noch 5.000. Trotzdem zeigt sich, daß die Kosten stiegen. Wie gibt es das? Ganz einfach: Gemeinderäte, die vorher für, sagen wir, 1.800 Einwohner zuständig waren und nun für 3.500 brauchen mehr Zeit, also auch mehr Gehalt. Dafür ist der Einfluß der Wähler auf die einzelnen Gemeinderäte gesunken. Und der Superschmäh: Weil man die Bezüge neu regeln mußte, stiegen sogar die Kosten in den Gemeinden, die von der "Reform" gar nicht betroffen waren.



Denn die neuen Gemeinderäte, die sind ja nun so super überregional. Nur der Kontakt, die Verbundenheit der Wähler mit ihrem Mandatar ist verschwunden: Manche Gemeinderäte berichten, daß sie früher ständig mit den Bürgern in Kontakt waren. Heute kämen aber kaum noch welche in ihre Sprechstunden. Na sowas, also das ist ja echt überraschend. Oder hat da jemand von den Pruntzköpfen in Graz einfach nicht mitgedacht, weil keine Ahnung, wie die Welt ist? Könnte das sogar damit etwas zu tun haben, daß eine Stimme bei den Gemeinderatswahlen (also den ur-eigensten Wahlen aller Bürger) heute um durchschnittlich und natürlich rein statistisch 43 Prozent weniger wert ist als früher? Daß also der Einfluß der Bürger auf "ihre" Gemeinde drastisch gefallen ist? Könnte es sein, daß die Bürger das merken? Blöd gelaufen, würde man sagen.

Mit einem Oberwitz dazu: Wenn man den Statistiken, die Addendum da dankenswerterweise angefertigt hat, glauben darf, sind gerade sogar in den Gemeinden, die recht brav und folgsam es tatsächlich geschafft haben, die Kosten zu senken, die Wirkungen ihres Wählerverhaltens überproportional gefallen sind. Gefallen! (Wie kann man sich das vorstellen? Wenn vorher sagen wir 800 Stimmen für einen Gemeinderat Ihrer persönlichen Wahl notwendig waren, sind es jetzt sagen wir 1.400.) Wer hat da was für welchen Preis also aufgegeben?

Herrschaften, es gibt kaum ein demokratieschädlicheres Verhalten, so ist es. Und der VdZ ist zwar Monarchist, aber Monarchie funktioniert nur, wenn auf der unteren Ebene die Demokratie funktioniert. Die gab es auch früher, und zwar weit besser als heute. Genau die ist jetzt weiter abmontiert, in der Steiermark. Bravo! Bravo! Denn was braucht es mehr als Bestätigung des Satzes, daß die sogenannte Demokratie als Staatsform zur Oligarchie und zum Despotismus führt? Die Parteien berichten sogar, daß es immer schwieriger werde, Kandidaten für die Gemeindewahlen aufzustellen. Na was für ein Zufall. Da hat der Gemeinderat mit mir nichts mehr zu tun, und die Leute wählen deshalb gar keinen mehr, und keiner will sich das noch antun. Na gut, das konnte ja wirklich keiner vorhersehen.

Nicht einmal den Einsparungseffekt, den man den Leuten als Supertroopervertrag ihres Verzichts auf Identität erkauft hat, gibt es also irgendwo. Die Kosten sind gestiegen. Bis auf wenige Ausnahmen stiegen überall in der Steiermark die Verwaltungskosten, in manchen Gemeinden sogar um 50 Prozent. Pro Kopf im Schnitt um rund 100 Euro pro Jahr. Auf Gemeindeebene ist das nicht gerade wenig.

Aber die Auswirkungen auf die Identität der betroffenen Menschen sind weit gravierender und werden von den Menschen auch als viel gravierender angesehen, die sich vergewaltigt und ihr Selbstsein, ihr Gemeinschaftserleben mangels Abgrenzung beschädigt fühlen, die die Eigenheiten institutionalisiert und in die Kollektividentität übergeführt hat.



Viel Identität wurde zerstört. Und wer mit offenen Augen in seinem Dorf, Markt, Kleinstädtchen lebt wird wissen, wie schon wenige hundert Meter alles anders ist. Wo eine andere Siedlung, ein anderes Feld, ein anderes Tal eine feste, geschlossene, psycho-soziale Sicherheit gebende Identität bedeutet. Und das braucht auch die klare Abgrenzung. Braucht die einander Fremden, die einander Eigenschaften zu- oder absprechen. Da sind die Großkopferten, da die Gemütlichen. Da sind die Verrückten, da sind die Klugen. Und überall gibt es kleine Unterschiede, in der Tracht, im Tanz, in der Art zu reden, dieses oder jenes Wort, das es nur dort gibt, und sogar einen Lokaldichter, der alle kennt und das Eigene liebt und hebt. Wie haben die Bad Ausseer gekämpft, daß ihr Autokennzeichen weiterhin BA bleiben konnte und nicht durch das nunmehrige LI für den Großbezirk Liezen ersetzt wurde. Ohne Erfolg, zusammenzuziehen war ja so modern und clever und sparte so viele Verwaltungskosten. Und so weiter, und so fort.

Das alles - es ist so viel, daß es unmöglich ist, es hier auch nur ansatzweise anzuführen - sind keine unwichtigen Kleinigkeiten, über die ein aufgeklärter Mensch lächelt. Es sind immer die zahllosen Details und Insonderheiten, die solide Identität und damit Verwurzelung schaffen wie auch halten, und damit dem Einzelnen viel Stress und Aufwand ersparen. Das ist Ersparnis, die sogar Lohn bringt: Eine bunte Landschaft im eigentlichen Sinn. So sind nämlich unsere Landschaften und unsere Orte und unsere Menschen. Sie sind keine Funktionen in einem Apparat, dem sich alle zu unterwerfen haben. Für Identität gibt es ja dann noch das Wohnzimmer, die Autoverzierung oder den Gartenzaun.

Vorerst aber noch ein Wort. Ein Wort an die Politiker. Ein Wort an die Bevölkerung an den Radios und UKW-Empfängern, an den Fernsehern und Internet-Kanälen, an den Kurzwellenempfängern und Funkstationen.

Ihr wollt, daß man alles nach Funktion beurteilt? Gut. Genau das macht dann auch. Und schickt alle Wichtigen und Superguten, also die Politiker und Dekretierungs-Wissenschaftler, die ständig Lustigkeiten verbreiten, die nicht eintreffen, an die Plumpsklos und Heustecken von St. Oswald an der Niederwulst, samt Schaufel in den Rucksäcken mit Veganwürsteln. Dort könnt Ihr dann versuchen, ob Ihr gerade noch die Obmannschaft im Honigverein "Schwirrende Zukunft" erringen könnt. Durch Funktion.

Wobei man den Imkern von St. Oswald raten muß: Schaut Euch gut an, wen Ihr da zur Wahl habt. Es sind allesamt taube Nieten. Ihr werdet sie außerdem nie mehr los. Denn das sind die Typen, die Euch bei Drehtüren mit Grinsegesicht den Vortritt lassen - aber vor Euch draußen sind.

Nimmt man die Institutionalisierung des Eigenen, löst sich alles in Funktion auf. Aber das Handeln folgt dem Sein! Es ist die Gestalt, und die hat eine Grenze, eine Besonderheit, eine Abgrenzung als "anders als das andere". Eben eigen. Verflüchtigt man das "in den Kopf", braucht es zum einen viel Anstrengung, und zwar laufend, und zum anderen verdunstet es irgendwann. Vor allem aber wird es nicht weitergegeben.

Technizistischer, funktionalistischer Sinn aber hat mit dem Kampfwort "Reform" lauter Unsinn in die Welt gesetzt. Und nach wie vor ist man eifrig dabei (jüngst mit der angeblich so vorteilhaften Zusammenlegung der Sozialversicherungen in Österreich, wo aus 19 oft sehr spezifischen, meist ständischen Versicherungen, die alle mit bestimmten Eigenheiten auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten ihrer Klienten abgestimmt waren, fünf große Verbände geschaffen wurden. Plötzlich sind Bauern und Gewerbetreibende in einer Versicherung mit denselben Leistungen. Und so manche winzig kleine Versicherung, die aus dem Geist wahren Unternehmertums oder bloßer Solidarität von Arbeitenden entstanden waren, gibt es nicht mehr. Das Ergebnis wird dasselbe wie bei der Gemeindereform sein; weitere Identitätsmerkmale werden unwiederbringlich ausgelöscht und werden viele viele Menschen in ihrem Selbstsein geschwächt haben.

Es wäre angebracht, auch bisher bereits erfolge "Zusammenlegungen" auf ihre Effekte zu untersuchen. Die alle hoch gefeiert und als Topleistung dargestellt wurden, an deren Sinn- und Wirksamkeit der VdZ aber immer seine Zweifel hatte. So sollte auch einmal die vor 15 Jahren hochgepriesene Zusammenlegung von Exekutiveinrichtungen - Stadtpolizeien, Polizei, Gendarmerie - untersucht werden. Auch die hat nicht nur Identität zerstört, sondern den Föderalismus, die Regionalität weiter ausgetrocknet.

Und längst liegen auch österreichweite Reformvorschläge auf dem Reißbrett, in denen weiter am Prinzip der Regionalität zum einen, am Prinzip des Zentralismus zum anderen herumgepfuscht werden wird. Alles, weil es angeblich Geld spart und Vereinfachungen "für den Bürger" bringt. Aber das gibt es nur in den Köpfen wirklichkeitsferner Sesselfurzer und universitätsverblödeter "Ökonomen", die Mathematik mit Realität verwechseln. Die Wahrheit ist genau umgekehrt.

Oh ja, Reform, alle nicken begeistert, Reform, wunderbar, das braucht es. Aber bei Reformen wird auffallend immer an eine Art Reform gedacht, die keine Reform ist, sondern eine Revolution. Die auf Zentralismus, Auslöschung von Regionalprinzip und Individualität hinausläuft. Während es ganz etwas anders bräuchte, nämlich genau das Umgekehrte: Stärkung des Kleinen, Spezifischen, und Schwächung des Großen, zentralen. Zurücklegen zahlloser Aufgaben und Befugnisse an Gemeinden und lokale Einheiten, auf daß diese ihre Agenden und Lebensweisen selbst regulieren können - und müssen. Strenge Subsidiarität von Zentralstellen, die wirklich nur dort eingreifen, wo die untere Einheit ihre Aufgaben nicht mehr bewältigt, weil sie deren Aufgabenkreis sprengen. Das braucht es. Stärkung, Re-Autorisierung der unmittelbaren, engsten Kreise, in denen jeder Mensch lebt und denen er zugehört. Zurückführen auf Regulierung des Lebens in den unmittelbaren Raum, den es betrifft. Das sind dann Re-formen. Sie stärken die Menschen, schwächen sie nicht.

Revolutionen braucht niemand. Sie sind nicht nur teuer und teurer als die vorigen Strukturen, sie haben auch desaströse Auswirkungen auf das Selbstsein der Menschen. All den Zentralismusjüngern möchte man deshalb nur eines zurufen: Laßt endlich die Menschen in Ruhe! Laßt sie endlich einfach ihr Leben leben - so wie bisher.





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