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Samstag, 6. April 2019

Zur Illustration - Nordirland heute (2)

Teil 2)



Knocknarea im County Sligo, Irland
Wer Iren kennt weiß, daß in ihnen diese Geschichte lebendig ist, und noch heute überall mitschwingt. Die Landschaft, lange Jahrtausende das absolute Ende der bekannten Welt, oder die irische Musik, oder der Tanz, in diesem Schwanken zwischen lebensbejahender, ausgelassener Ekstase und verinnerlichter Trauer, trägt diese Grundstimmung regelrecht als ewiges Signum der Heiligen Bestimmung.

Der VdZ war tief erschüttert, als er vor einigen Jahren im County Sligo vor dem "Berg" Knocknarea stand. Auf dem Maeve, die legendäre Königin dieses uralten Volkes, der Überlieferung nach unter einem 40.000-Tonnen-Steinhaufen begraben liegt. Der mit 3000 v. Chr. datiert wird. Hier soll sie, der Überlieferung nach, mit voller Rüstung, gegen ihren Feind in Ulster gerichtet, gen Norden, begraben sein. Bis heute hat es niemand gewagt, ihre Grabesruhe zu stören. Der Berg ist den Iren heilig. Die Überlieferung ist den Iren heilig. Den Iren jedenfalls, die noch Iren sind. Und nicht verblödete weil ihrer selbst beraubte Wohlstandssklaven.

Es ist bis heute das einzige Mal, daß der VdZ sich - irrational, gewiß - mit einer "Königin", die mehr ist als die Frau und Statthalterin des Königs, anfreunden konnte. Erklären könnte er es freilich bis heute nicht. Aber der Raum, in dem er sich fand, war zu beeindruckend. Oder war es nur ein Liebesdenkmal des Königs, wie das Taj Mahal? Heute weiß er, daß sich ein anderes Ahnen in diese Ergriffenheit mischte, die er am Fuße des Hügels (für die Iren mit 350 Metern Höhe freilich der höchste "Berg" im Norden) empfand. Ob diese Legende, die wie immer die Selbstdefinition des Heute-Seins ist, den Iren nicht furchtbar geschadet weil etwas Weltuntaugliches etabliert haben könnte.

Das empfand er noch deutlicher, als er vor dem nicht weit davon entfernt befindlichen Grabmal von Yeats stand. Das ihn so wegfegte, daß der Bus des ungarischen Chores, mit dem er dort war (um den Hauptpreis in einem internationalen Gesangswettbewerb in der Kategorie "Geistliche Musik" zu ersingen), zehn Minuten warten mußte, weil der VdZ nicht auffindbar war. Er war vor dem von einer beeindruckenden Skulptur bezeichneten Grabmal von Yeats zusammengesunken.

Der ganze Berg aber - eine Grabstätte. Das ist Kultur. Denn das ist Gestaltung weil Ordnung der Welt. (Umweltverschmutzung hat der VdZ in Irland nie festgestellt.) Es ist bis heute nicht zu klären, ob die Iren überhaupt jemals "eingewandert" sind, sondern es deutet viel mehr darauf hin, daß sie "schon immer" auf der Insel waren. Auch die Mythen sagen es. Und viele reale, archäologische Indizien sprechen dafür. Wie immer man das mit unserem heutigen verwirrten Geist erklären (oder nicht) möge. Der in seinem stinkprimitiven Evolutionismus den Menschen zum reinen Pruntzprodukt macht, ihn seiner göttlichen Abkunft völlig entkleidet, um ihn dann auch entsprechend auszubeuten, anzuspucken, vergewaltigen zu können. Denn der Evolutionismus ist ein verabscheuenswürdiges Ausscheideergebnis einer verabscheuenswürdigen Haltung des Bösen, des technizistischen Kapitalismus, dieser Aftergeburt der okkulten Alchemie.

Diese Fundierung macht die Iren zu einem bevorzugten Haßobjekt der Oligarchen. Und leider haben die Iren, ihres Volkskönigtums beraubt, ihrer intellektuellen Größe in ihrer Sprache beraubt, nicht die geistige Substanz, um dem substantiell zu wehren. Die gräßliche Volksabstimmung zur Abtreibung 2017 war da ein erschütternder Beweis, wie Geld und unverdientes Fressen die Menschen weil ihre Kultur zerstört.

Und deshalb werden vor allem die irischen Freiheitsbewegungen, allen voran die IRA, etwas dagegen haben. Die all das noch ahnen, wenigstens. Daran festhalten, wenigstens, auch wenn sie es nicht mehr verstehen. Für deren manche Splittergruppen die Karfreitagsvereinbarungen von 1998, die die Sinn Fein stellvertretend ausgehandelt hatte, ohnehin viel zu weit gegangen waren. Die noch dazu in ihren Augen die Teilung der Insel zementiert, und das eigentliche Problem nicht gelöst, sondern noch weiter verkompliziert hat. Die Bewegung Saoradh (sprich: "Siruuh") spricht bei dem Abkommen überhaupt von "dem großen Betrug."

Sie haben wohl alle auch nicht ganz unrecht.* Mit einer lustigen Komponente dabei. Die Terror-Manie, die seit 9/11 die Welt beherrscht, macht die IRA und sämtliche Gruppen ähnlicher Intentionen zu bloßem "Terror". Noch heute übrigens schätzt man den aktiven Kern der IRA auf mehrere hundert Mann ein.

Und wen sollte das wundern, außer die gezielt verblödeten Mitteleuropäer? Nicht einmal die vordergründigen Argumente der Sinn Fein, dem Abkommen durch Kompromisse zuzustimmen, weil die Vorteile den Preis der Selbstaufgabe aufwögen - Aufblühen der Wirtschaft, Steigerung des Wohlstands, Verringerung der Arbeitslosigkeit in Nordirland ... - haben sich verwirklicht. Und dieses Lied kennen wir doch alle, oder nicht, werter Leser? Jedenfalls ist derzeit ein enormer Ernüchterungsprozeß im Gange. Die irischen Gruppen wie die IRA haben erkannt, daß die Scheineinigung innerhalb der EU das eigentliche Anliegen keinen Schritt weitergebracht, ja sogar hintertrieben hat.

Als der VdZ 2015 das vorerst letzte Mal in Nordwestirland (nicht in Nord-Irland!) war, war er jedenfalls von der resignativen Stimmung dort eigenartig berührt. Das hat nichts mit der sowieso bekannten und so gebliebenen melancholischen Kultivierung der historischen Niederlagen der Iren zu tun, die er von früher kannte, und von denen die meisten ihrer Lieder erzählen. Das war echte, psychische Depression.

Was den Iren fehlt, woran sie nicht glauben? Sie möchten Gerechtigkeit! Nicht eine Schein-Kalmierung nach dem Motto "Na sind wir halt alle wieder gut!" Was England Irland angetan hat, über fünfhundert Jahre, ist nicht mit ein bißchen Friedensgetue zu erledigen. Während die gewinnbringenden englischen Großunternehmen in Belfast weiterdampfen, dank der niedrigeren Löhne in Irland. Nur zu Illustration: Von 1996 bis 1998 waren insgesamt 300.000 britische Soldaten in Nordirland eingesetzt.

Nicht viel weniger als zur angeblichen "Kartoffelbleiche" 1845-52, der fünf Millionen Iren zum Opfer fielen, die Hälfte der damaligen Bevölkerung. Denn Katholiken vermehren sich eben "wie die Karnickel" (was für ein derzeitiger Papst ... es wird auch einem Katholiken nur noch schlecht) und waren protestantischen Gesellschaften (wie in den USA) eine demographische Gefahr. Wo das Londoner Parlament (unter Zustimmung des per materieller Wohlversorgung und Titelüberschüttung gekauften irischen Episkopats) den Beschluß faßte, daß das Eigentumsrecht der britischen Landlords und Investoren über das Versorgungsrecht der Iren zu stellen sei. Sodaß das Militär ausgeschickt wurde, um die in Irland dringend benötigen Lebensmittel außer Landes zu schiffen, weil sie ja "den Landlords" gehörten. Gin in London war wichtiger - und vor allem einträchtiger - als Nahrung für Iren. Warum? Weil die britischen Landlords in Irland, eingesetzt von London, so verschuldet waren, daß sie ihre Ernten im Voraus belehnt hatten. Bei Bankhäusern der Londoner City. Fast generell Juden.

Der Film erzählt sowieso mehr dazu als wohl beabsichtigt war. Da rumort es in aller Tiefe. In aller historisch bedingten Tiefe. Der Bericht zeigt fast unfreiwillig, wie fragil, ja wie faul der Friede in Irland ist und war. Die Reportage endet mit einer eindrücklichen Momentaufnahme aus den Straßen von Belfast. Während der Reporter in einem Pub mit den Britisch-Iren sprach, ist direkt gegenüber die Polizei mit einer Spezialeinheit für Bombenentschärfung aufmarschiert.

Auflösung der gewachsenen Identität war eben nie ein Friedenskonzept. Sie ist ein reines Herrschaftskonzept.









*Die für das Karfreitagabkommen Verantwortlichen sprechen von "notwendigen Kompromissen". Der VdZ meint, daß es kaum ein unsinnigeres Gequatsche gibt als die Rede davon, daß Demokratie eben "lehre" oder "bedeute" zu "begreifen", daß man Kompromisse machen müsse. Kompromisse sind nur möglich, wenn die Grundlagen dieselben sind, also eine Grundeinheit bereits besteht! Unvereinbare Positionen lassen sich niemals mit "Kompromissen" einen. Wer so redet, hat zum einen noch nie begriffen, was Verantwortung bedeutet (deshalb sollte man Leute, die so reden, meiden wie die Pest), oder er hat zum anderen böse Absichten. Dann sollte man ihn erst recht meiden. Wenn es so ist, wie manche meinen, daß Demokratie die "Kunst der Kompromisse" sei, dann dürfte man sie nicht einmal annähernd als Staatsform erwägen. Dann wäre sie in sich bereits Sünde. Die meisten der heutigen echten Mißstände führen sich auf diese lächerliche, strunzdumme Interpretation zurück, übrigens. Wer sich dann sogar noch Christ oder Katholik nennt, ist ein verabscheuungswürdiger Lügner. Oder für jede höhere Position ungeeignet.





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