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Dienstag, 26. Mai 2020

Alltag als Notstandsgebiet

Eisbärenmangel, obwohl es nicht weniger Eisbären gibt denn zu besten vergangenen Zeiten, und Straßburg beschließt Klimanotstand per Mehrheitsbeschluß, obwohl (oder: weil) das Wetter tut, was es immer getan hat. Normalerweise ist Notstand eingetreten, ehe er ausgerufen wird. Man erkennt ihn posthoc. Er setzt die üblichen, offiziellen Procedere außer Kraft, um einem Übel abzuhelfen. Nachdem die Klimapaniker eine Minderheit sind, überrunden sie so die Demokratie, ja überhaupt unsere Staaten. Und das auf nicht absehbare Zeit. Heutige Notstände aber berufen sich auf ... Projektionen, auf Zukunft, auf Prognosen. Auf Prognosen in Systemen, die nicht prognostizierbar sind. Wie jedes nicht lineare, wechselwirksame, chaotische System. Jede Gestalt ist aber so ein unvorhersagbares System.

Weil wir Gestalten ablehnen, neue nicht finden, weil Gestalten nur empfangen, aber nicht gegeben werden können, wird die Welt zum Notstand. Notstand wird zum üblichen Erscheinungsbild des Alltags. 

Notstand deshalb überall, ob im Bildungssystem, in der Gleichberechtigung, in allen linken Agenden ...

Es ist die Ernte der Versuche, die Welt neu zu begründen. Sie nicht mehr zu empfangen, sondern nach eigenen Vorstellungen zu schaffen. Die Ernte ist schrecklich. Kein Ding scheint mehr zu funktionieren.

Gegen den logos hat eben nichts Aussicht auf Erfolg. 

Der Wechsel müßte radikal sein. Er müßte von einem autonomen Selbstbestimmen zu einem bittenden, also dankerfüllten Empfangen gehen. Das ist die Totalumkehr, die es bräuchte. Nun wissen wir, warum die Welt ist, wie sie heute ist. Sie leidet am Mangel an Sittlichkeit, am Mangel an der rechten Haltung. Und das würde einen radikalen Wechsel der inneren Haltung verlangen. Einer Haltung, die auf einem Vertrauen dem Sein gegenüber beruht. Dieses Vertrauen aber will und kann niemand mehr aufbringen.

Also werden Wege außerhalb des logos gesucht. Revolutionäre Wege, denn genau das tun Revolutionen. Nur in diesem Fall wird das totale Scheitern der Politik, ja der Eliten, des gesamten Vernunft- und Verstandesgebäudes proklamiert, das nicht mehr reicht, um Wünsche und Ziele zu erreichen. Überall in unserem Alltag haben wir deshalb mittlerweile Notstandsmechanismen etabliert. 

Ob in der Gendergerechtigkeit, in der Migrationsfrage, in der Erziehung durch Schulen (statt Familien), in der Ehe, an Universitäten, bei Aufnahmeprüfungen, Kraftfahrzeuge und Antriebsarten, Heizung und Energieverbrauch, an den Arbeitsstätten bei Löhnen, sozialem Umgang (Mobbing oder "offensive Sprache"), Moral (selbst in der Kirche), Essen (nach Gesundheits- oder Klimaaspekten statt nach Geschmack und Tradition) ... die Liste will nicht mehr enden, beginnt man sich ernsthaft mit einer auseinanderzusetzen. Es ist eine Liste der Abwehr von vorausgehend Empfangbarem, als Abwehr einer geschaffenen Welt, die vom Sein selbst, von Gott, im Sein gehalten wird, wenn das Seiende es nicht ablehnt, wenn das Seiende darum bittet, auf daß es vom Sein erfüllt (und damit seiend) ist.

Wo man auch hinsieht, haben wir es deshalb mit ausgerufenen Notständen zu tun. Was früher galt, gilt nicht mehr, die neuen Regeln müssen von allen gelernt werden, und nicht nur das, sie müssen überhaupt erst erfunden werden, und dazu gehört, daß sie ständig angepaßt werden müssen, weil sie seltsamerweise nie so richtig passen.

Wo man auch hinsieht, versagen angeblich alle die normalen Lebensregeln, auf denen wir unsere Gesellschaften aufgebaut haben. Überall wurden und werden neue Regeln implementiert, die dem Einzelnen das Handeln aus der Hand nehmen, und von oben her diktieren. Überall werden neue Regeln erfunden, weil die alten angeblich nicht mehr ausreichen.

Der ganz gewöhnliche Alltag ist zum Notstandsgebiet geworden, darauf läßt sich verkürzen, was sich heute abspielt. Und weil diese Etikette kaum von jemandem noch angezweifelt wird, wird Notstand auch unsere Zukunft prägen. Die Regierungen haben längst darauf reagiert, und dankend neue Möglichkeiten etabliert. Notstand aber heißt immer, es mit der wirklichen Macht in einer Gesellschaft zu tun zu bekommen.



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