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Montag, 11. Mai 2020

Psychische Folgen enormen Ausmaßes

Die in Buenos Aires beheimatete Assoziation katholischer südamerikanischer Psychoanalytiker (ACATPA.org) wies jüngst in einer Aussendung darauf hin, daß als Folge der weltweiten Beschränkungsmaßnahmen für soziales Leben in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie mittel- und langfristig mit einem dramatischen Ansteigen endogener Depressionen zu rechnen ist. Diese werden in den nächsten Monaten und Jahren mit einer Wucht ausbrechen, die kaum überschätzbar ist und die Regierungen in ihren Auswirkungen völlig überraschen wird. 

Dabei werden diese Depressionen nicht einmal durch Beschränkungen des Lebens des Einzelnen herbeigeführt, sondern rühren aus der Tatsache, daß dem Einzelnen "die Welt abhanden kommt". Das heißt: Genommen wird. Die volle Darstellung des Lebens im sozialen Umfeld ist aber kein verzichtbares Accessoire, sondern steht in direkter Entsprechung zur Persönlichkeit des einzelnen. Sie ist wesentlicher Halt im Leben jedes Einzelnen in der Teilhabe an einem adäquaten (!) Leben, und damit zur Entfaltung des individuellen Lebens existenznotwendig. 

Auch wenn derzeit die Menschen keine buchstäblichen Zäune und Mauern umgeben, so ist der gesellschaftliche Shutdown einer Inhaftierung in den psychologischen Auswirkungen gleichzusetzen, ja dieser überzuordnen. Denn diesmal sind die Gefängniswärter und die Gerichtssprechung, die zur Haft verurteilte, sogar internalisiert.

Fehlt die Anregung eines historisch dem Einzelnen selbst zugewachsenen Lebensumfeldes, bleiben die inneren Kräfte des Menschen unbeantwortet und werden sogar wieder amorph, das heißt verlieren ihre konkrete Gestalt. Damit indistinkt gemacht, wenden sie sich gegen deren Träger selbst. Zumal die Argumentation einer "absoluten Lebensgefahr" jede Orientierung dieser Kräfte nach außen genommen ist. Denn jedes Gegenargumentieren (Denken als Handlungsleitlinie in eine Zeit hinein) ist angesichts eines in gewisser Hinsicht übersteigerten Lebenswertes aussichtslos. 

Mit psychologischen Aporien, also unlösbaren Widersprüchen, die das Krankheitsbild von Schizophrenie/Schizoidität erfüllen. Die Umwelt wird somit nicht nur als absenter Gegenstand der Sehnsucht, sondern als in höchstem Maß gewaltsam wahrgenommen.
Somit ist mit einem extremen Ansteigen von Psychopathologien dieser Kategorie zu rechnen. Am häufigsten wahrscheinlich in der Form von Selbstverletzungen als unlenkbarer, irrationaler Äußerungsdrang. Sei es direkt durch handgreifliche Wundenerzeugung, sei es indirekt durch ungerechtfertigt defensives, ja selbstrestringierendes Verhalten. 
In jedem Fall fehlen unseren Gesellschaften jene Kräfte, die gerade nach so einer Wirtschaftskrise, die folgen wird beziehungsweise unausbleiblich ist, gegenhalten oder einem Wiederaufbau zugewendet werden könnten.



*190420*